Studie zu Wochenend-Effekt in Kliniken Freitagspatienten sterben häufiger als Montagspatienten
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10. März 2025, 06:57 Uhr
Der "Wochenend-Effekt" klingt nach Entspannung und Freizeit. Doch in Krankenhäusern hat dieser Begriff eine ganz andere Bedeutung. Eine Studie zeigt: Wer freitags operiert wird, riskiert eine schlechtere Versorgung am Wochenende.
- Operationen an einem Freitag führen häufiger zu Komplikationen
- Die Sterblichkeit von Freitagspatienten ist höher als von Montagspatienten
- In der Studie wurden hochkomplexe Operationen betrachtet
Angenommen, ein 65 Jahre alter Mann hat ein Aneurysma an der Hauptschlagader. Ein gefährlicher Zustand, er muss operiert werden. Die OP, an einem Freitag, ist erfolgreich. Auf der Intensivstation kommt er wieder zu sich.
Jedoch: Am Samstag klagt der Mann über Bauchschmerzen. Die Pfleger sind besorgt. Am Sonntag checkt eine Ärztin den Patienten, doch das Personal für weitergehende Untersuchungen fehlt, sie ordnet Schmerzmittel an. Erst am Montag wird per Ultraschall festgestellt, dass der Patient innere Blutungen hat und erneut operiert werden muss.
Freitagsoperationen führen häufiger zu Komplikationen
OPs am Freitag führten häufiger zu Komplikationen und auch häufiger zum Tod, zeigt eine neue Studie in Nordamerika – die aber genauso gut für Deutschland gelten dürfte.
Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, sagt: "Am Wochenende stehen auch in Deutschland weniger Personal und weniger qualifiziertes Personal zur Verfügung. Und so kann es natürlich sein, dass bei mittelgroßen oder großen Operationen, die am Freitag operiert worden sind, am Wochenende nicht so gut überwacht werden kann, ob sich Entzündungsanzeichen bilden oder andere Komplikationen einstellen."
Neun Prozent höhere Sterblichkeit
Die Sterblichkeit von Freitagspatienten ist der Studie zufolge 30 Tage nach der OP um neun Prozent höher als die von Montagspatienten. Auch das Risiko für Komplikationen steigt demnach in dieser Zeit an, und zwar um fünf Prozent, heißt es in der Studie zweier Universitäten in Texas und Toronto.
Prof. Thomas Schmitz-Rixen, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, sagt, die Studie bestätige damit frühere Forschungsergebnisse. "Das Pflegepersonal ist ausgedünnter am Wochenende, die ärztlichen Visiten sind weniger. Und Komplikationen treten in der Chirurgie am gleichen Tag oder aber in den nächsten zwei, drei Tagen auf. Wenn ich also am Freitag operiere, dann habe ich den Hauptteil an Komplikationen am Wochenende."
Hochkomplexe Operationen Gegenstand der Studie
Die Forscher hatten die Daten von knapp 430.000 Patienten im kanadischen Ontario ausgewertet. Eine erste Gruppe der Patienten war an einem Freitag operiert worden, eine zweite an einem Montag.
Dabei ging es, und das ist Prof. Thomas Schmitz-Rixen wichtig, nicht um einfache Blinddarm-OPs oder Brüche. Gegenstand der Forschung waren vielmehr hochkomplexe Operationen, wie orthopädische oder gynäkologische, aber auch am Herzen oder Gehirn.
Künstliche Intelligenz als Lösung?
Der Wochenend-Effekt in Kliniken könnte sich in Zukunft noch vergrößern, angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels.
Thomas Schmitz-Rixen setzt daher große Hoffnungen auf die künstliche Intelligenz, also ein automatisches Überwachungssystem, das Komplikationen wesentlich schneller erkennen könne. Er sagt: "Hier gibt es erste Daten, dass die Rate dann deutlich geringer ist. Und man kann mit der künstlichen Intelligenz dem Personalmangel entgegentreiten. Und der wird in den nächsten zehn Jahren auch für uns ein Riesenproblem werden."
Doch dafür, so fügt Schmitz-Rixen hinzu, müsste die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern jetzt zügig vorangetrieben werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. März 2025 | 06:49 Uhr