Gastbeitrag KI und Gesundheit: "In der Medizin darf KI kein Ersatz sein."

14. November 2020, 12:37 Uhr

Die Linken-Bundestagsabgeordnete aus Halle schreibt bei MDR SACHSEN-ANHALT, worauf geachtet werden sollte, wenn in Krankenhäusern oder Arztpraxen Methoden der KI eingesetzt werden und welche Chancen sie Sachsen-Anhalt bieten. Sitte war Mitglied der "Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz", die der Bundestag vor mehr als zwei Jahren gebildet hat. Sie hat sich dabei vor allem um das Thema Gesundheit gekümmert.

Petra Sitte
Bildrechte: DBT/Inga Haar

Über Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen zu sprechen lässt sich schwer davon trennen, über Digitalisierung im Allgemeinen zu sprechen. Das liegt teils daran, dass der KI-Begriff vielseitig verwendet wird, teils daran, dass digitalisierte Prozesse überhaupt erst die Voraussetzung für entsprechende Anwendungen sind – aber auch daran, dass es Missstände im Gesundheitssystem gibt, insbesondere den Personalmangel und die Zwei-Klassen-Medizin, die bei jeder Innovation dort zu bedenken sind.

Petra Sitte DIE LINKE, 03.11.2015
Bildrechte: imago/Christian Thiel

KI im engeren Sinne, also maschinelles Lernen, kann großen Nutzen insbesondere in der Forschung, beispielsweise beim Finden neuer Wirkstoffe, und der Diagnostik, beispielsweise bei der Auswertung von bildgebenden Verfahren (wie Röntgen, CT, aber auch Fotografien etwa von auffälligen Hautstellen), mit sich bringen. Auch erhofft man sich Erkenntnisse aus der KI-basierten Analyse großer Mengen von Gesundheitsdaten und eine Entlastung medizinischen Personals durch den Einsatz von Robotik.

KI keine Rechtfertigung für Unterversorgung

Allerdings darf es keinesfalls dazu kommen, dass der Einsatz von KI bestehende Missstände verfestigt oder verschärft. So können ferndiagnostische Methoden in medizinisch unterversorgten Regionen, wie wir sie auch in Sachsen-Anhalt haben, sicher nutzbringend eingesetzt werden. Aber das kann nicht als Rechtfertigung für die Unterversorgung dienen. Das gleiche gilt für den Personalmangel allgemein, dem wir mit einer bedarfsgerechten gesetzlichen Personalbemessung begegnen müssen. KI kann hier kein Ersatz sein; und insbesondere in der Pflege ist menschliche Zuwendung unverzichtbar. Technische Verfahren müssen hier immer als zusätzliche Unterstützung verstanden werden.

KI-Arbeitsweisen transparent machen

KI-Anwendungen sollten, wie andere medizinische Verfahren auch, dort zum Einsatz kommen, wo sie nach evidenzbasierter Bewertung einen Nutzen für die Patientinnen und Patienten bringen, wobei die Bewertungsmethoden entsprechend weiterentwickelt werden müssen. Ist dies der Fall, müssen sie dann auch allen unabhängig vom Einkommen zur Verfügung stehen und ihre Arbeitsweise muss völlig transparent gemacht werden, bis hin zum Quellcode.

Sicherheitsrisiken bedenken

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Auswertung großer Datenmengen mittels KI für die öffentliche Gesundheit haben kann, um darin neue Zusammenhänge und Entwicklungen zu entdecken. Die Forschung in diese Richtung sollte verstärkt werden – gleichzeitig ist zu bedenken, dass Gesundheitsdaten außerordentlich sensibel sind und eine zentrale Erfassung immer Sicherheitsrisiken mit sich bringt.

Freiwillige Datenfreigabe

Die Freigabe von Daten sollte daher grundsätzlich freiwillig sein und abgestuft ermöglicht werden. Hierfür sind entsprechende dezentrale Infrastrukturen zu schaffen. Die Erfahrungen mit der Corona-Warn-App haben gezeigt, dass ein Ansatz, der auf Freiwilligkeit, Transparenz, Dezentralität und Datenschutz setzt, durchaus breites Vertrauen erzeugen kann.

Alles in allem hat Künstliche Intelligenz einige Potenziale – wenn ihre Anwendung in ein solidarisches Gesundheitssystem eingebettet ist und nicht aus den Augen verloren wird, dass am Ende das Wohlergehen und die Autonomie der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen.

Petra Sitte
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Über die Autorin Petra Sitte ist 1960 in Dresden geboren und hat in Halle studiert. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied im Landtag von Sachsen-Anhalt. Seitdem ist sie Bundestagsabgeordnete der Linken für Halle. Im Bundestag ist sie Mitglied in den Ausschüssen "Digitale Agenda", "Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung" und sie war Mitglied der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz".

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. November 2020 | 07:30 Uhr

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