Asylgipfel am Montag Immer mehr Asylklagen überlasten Sachsens Verwaltungsgerichte
Hauptinhalt
10. März 2025, 07:45 Uhr
Trotz rückläufiger Zahlen bei Asylanträgen steigt die Zahl der Asylklagen massiv. In Sachsen gab es 2023 rund 5.400 Klagen, 2024 schon mehr als 8.000. Immer längere Verfahren und überlastete Gerichte sind die Folgen. Sachsens Justizministerin Constanze Geiert sucht gemeinsam mit Verwaltungsrichtern, Anwälten und Experten des Justizministeriums Entlastungsmöglichkeiten, auch weil eine neue EU-Asylreform Druck macht. Am Montag kommen alle Beteiligten zu einem Asylgipfel zusammen.
- Verwaltungsgerichte fordern mehr Richter, um zunehmende Asylverfahren bewältigen zu können
- Justizministerin Constanze Geiert hofft, dass technische Neuerungen Gerichte unterstützen
- Sächsischer Flüchtlingsrat: Mehr Klagen durch "zu viele Ablehnungen"
Immer mehr Klagen und Verfahren an den Verwaltungsgerichten könnten am besten mit einer Maßnahme bewältigt werden, sagt Matthias Mittag, Richter am Oberverwaltungsgericht in Bautzen: "Unsere Forderung ist, wir brauchen jetzt 20 bis 30 Leute mehr, die einfach es schaffen, diesen Bestandsstau abzuarbeiten und die Eingänge zu bewältigen."
Zwei große Probleme
Als Vorsitzender des Verwaltungsrichterverbands in Sachsen will er sich bei Justizministerin Constanze Geiert für einen Stellenaufwuchs stark machen. Doch darüber wird am Montag beim Asylgipfel mit der Ministerin zu sprechen sein, denn ganz so optimistisch gibt sich Geiert dabei nicht: "Sie haben ja nicht einfach 20 Richter auf der Straße stehen, die sie jetzt ansprechen und in die Verwaltungsgerichte steuern können. Das ist ein Problem."
Das zweite Problem sei die Situation und Haushaltslage in Sachsen, sagt die CDU-Politikerin. "Das heißt, dass wir jetzt ohne Probleme einfach in die Gerichte steuern können, ist schwierig, zumal wir eben nicht nur die Verwaltungsgerichte haben, sondern eben auch als ganz großen Bereich die Staatsanwaltschaften, wo der Personalbedarf noch viel höher ist."
Justizministerin hofft auf technische Neuerungen
Die Ministerin hofft stattdessen, dass technische Neuerungen eine kostengünstigere Unterstützung der Gerichte darstellen können. Ihre Ideen gehen deshalb eher in Richtung des Einsatzes von "technischen digitalen Tools", die man zur Unterstützung mit einführen könnte, sodass sich die Richter nicht in vielen einzelnen Recherchen schlau machen müssten. "Das ist eine Variante. Oder eben tatsächlich KI-basierte Tools, die helfen können, Akten zu strukturieren."
Dennoch verweist Verwaltungsrichter Mittag darauf, dass am Ende trotzdem ein Richter das Verfahren führen, die Kläger in teils langen Befragungen anhören und das Urteil schreiben müsse. Das könnten technische Hilfsmittel nicht abfangen. Hinzu kommt: Die Zahl der Klagen wird wohl in den nächsten Monaten eher weiter steigen. Die EU-Asyl-Reform schreibt ab 2026 feste Bearbeitungsfristen bei der Bewilligung von Asylanträgen beim Bamf, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, vor.
Konsequenzen für Verwaltungsgerichte
Das habe auch Konsequenzen für die Verwaltungsgerichte, schildert Mittag. Das Bamf sei jetzt bestrebt, seine Bestandsverfahren abzuarbeiten und zu erledigen, "dass sie dann nächstes Jahr im Sommer auf einem Stand beginnen können, wenn das Gemeinsame Europäische Asylsystem in Kraft tritt. Damit sie es schaffen, diese Verfahrenslaufzeiten einzuhalten, die europarechtlich dann vorgegeben sind".
Asylverfahren in Sachsen In Sachsen gibt es aktuell rund 6.600 Asylklagen. In der Regel dauern die Asylverfahren im Freistaat etwa 18 Monate. Bund und Länder hatten sich 2023 auf eine Dauer von drei bis sechs Monaten verständigt. Dem sächsischen Verwaltungsrichterverband zufolge gab es im vergangenen Jahr rund 50 Prozent mehr Asylklagen als im Jahr davor.
Flüchtlingsrat kritisiert zu viele Ablehnungen
Doch mehr Bamf-Bescheide sorgen in der Regel auch für mehr Klagen gegen die Entscheidungen, und die landen an den Verwaltungsgerichten. Dementsprechend sieht der sächsische Flüchtlingsrat auch einen Hebel bei der Entlastung der Gerichte, wenn es weniger Klagegründe gegen Bamf-Entscheidungen geben würde. Vor allem wenn das Bamf weniger Anträge ablehnt, schildert Flüchtlingsrat-Sprecher Osman Oguz: "Bei den Asylverfahren beim Bamf könnte es etwas anders laufen. Viele, aus unserer Sicht sehr berechtigte Gründe von Asylanträgen werden nicht anerkannt, da brauchen wir einen radikalen Perspektivwechsel." Ein Punkt, den er bei der Diskussion um die Entlastung der Gerichte vermisst.
Verfahrensprozessrecht steht im Mittelpunkt
Daher außert sich Oguz auch enttäuscht: "Wir wurden weder zum Gipfel eingeladen noch im Vorfeld um unsere Sichtweise gebeten." Wäre das geschehen, hätte man eine sehr wichtige Perspektive in die Diskussion einbringen können, nämlich die der Betroffenen und die der Beratungsstellen.
Ministerin Geiert ist sich dessen bewusst. Dass die "Zivilgesellschaft" nicht zum Treffen eingeladen ist, liege auch daran, dass es in erster Linie um Verfahrensprozessrecht gehe, um die konkrete Arbeit an den Gerichten. Allerdings stellt sie auch klar, dass der Termin am Montag einen Auftakt darstellt – und gegebenenfalls mit weiteren Ideen nachgesteuert werden müsse.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. März 2025 | 06:17 Uhr