Gewerkschaft IG Metall betont Wichtigkeit der Rüstungsbranche
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27. März 2023, 05:00 Uhr
Die IG Metall setzt sich in ihrer Satzung für Abrüstung ein. Deutschlands größte Gewerkschaft vertritt aber auch Angestellte aus der Rüstungsbranche. Mitglieder und Vorstand betonen, dass dies kein Widerspruch sei und heben die Wichtigkeit der Rüstungsindustrie für Demokratie und Frieden hervor.
- Thomas Pretzl von der Airbus Defence and Space sagt, es brauche Waffen, wenn man Werte und Demokratie schützen wolle.
- Jürgen Kerner, Vorstand von IG Metall, erinnert sich an Zeiten, zu denen Mitglieder des Arbeitskreises "Wehrtechnik und Arbeitsplätze" sich wie Schmuddelkinder gefühlt hätten.
- Kerner betont, die Waffenbranche müsse die transparenteste Branche sein.
Für Außenstehende klingt es nach intellektuellem Spagat. Einerseits hat sich Thomas Pretzl als IG-Metall-Mitglied Frieden und Abrüstung verschrieben. Andererseits vertritt er als Betriebsrat die Interessen der Angestellten bei Airbus Defence and Space. Das Rüstungsunternehmen stellt unter anderem Kampfflugzeuge und Drohnen her. "Die Gewerkschaft IG Metall ist auch zuständig für die Rüstungsindustrie. In ihrer Satzung steht, die Gewerkschaft setze sich für Abrüstung ein. Für Thomas Pretzl von der Airbus Defence and Space ist das kein Widerspruch. "Wir arbeiten für eine Sicherheitsarchitektur, die seit fast 80 Jahren dafür zuständig ist, dass Deutschland in Frieden lebt. Und insoweit kann ich mit dem Thema Frieden in der IG Metall ganz gut umgehen."
Pretzl: Wer Demokratie schützen will, braucht Waffen
Pretzl argumentiert so: Sein Arbeitgeber rüste vor allem zur Landesverteidigung aus. Und wer Werte und Demokratie schützen wolle, brauche dafür Waffen. So ähnlich sieht es auch Jürgen Kerner, der im IG Metall-Vorstand für die Rüstungsindustrie zuständig ist.
"Wenn es eine Bundeswehr gibt, die einen Verteidigungsauftrag hat, dann muss diese Bundeswehr auch vernünftig ausgestattet werden. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Man kauft diese Waffen im Ausland oder man produziert sie selber. Da sind wir der Ansicht, wir sollten diese Waffen selber produzieren. Da haben wir dann auch das Knowhow und die Eigenständigkeit."
Kerner: Blick auf Rüstungsindustrie geändert
Früher protestierten Mitglieder der IG Metall in Westdeutschland gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen. Doch auch schon damals gab es in der IG Metall den Arbeitskreis "Wehrtechnik und Arbeitsplätze". Vorstand Jürgen Kerner räumt ein, dessen Mitglieder hätten sich mitunter wie Schmuddelkinder gefühlt. Doch das sei vorbei. Der Blick der Gesellschaft auf die Rüstungsindustrie habe sich insgesamt verändert.
"Für uns war immer klar, wir liefern keine Waffen in Kriegsgebiete. Jetzt liefern wir Waffen in ein Kriegsgebiet in der Ukraine, weil wir das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine auch akzeptieren. Wer das Selbstverteidigungsrecht eines Landes akzeptiert, muss auf der anderen Seite auch sagen: Verteidigen kann man sich nur, wenn man was zum Verteidigen hat. Das ist auch für uns die Argumentation von Waffenlieferungen."
Kerner: Rüstungsbranche muss transparenteste sein
Doch wie viele Waffenlieferungen sind für eine Gewerkschaft noch okay? Was lässt sich mit der friedensbewegten Satzung vereinbaren? Grundsätzlich, sagt Kerner, habe Deutschland ein strenges Waffenexportrecht. Und dann müssten solche Fragen diskutiert werden – in Gewerkschaft und Gesellschaft. "Diese Branche muss eigentlich die transparenteste Branche der Republik sein. Es ist eine besondere Branche mit Waffen, die einen Verteidigungsauftrag, einen Schutzauftrag haben,. aber am Ende auch tödlich sein können."
Kerner plädiert für gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie
Kerner wünscht sich für die Zukunft eine gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie mit einheitlichen Regeln, an wen sie im Ausland liefern dürfe. Das fände auch Betriebsrat Pretzl gut, hält es aber für unrealistisch. "Weil die Franzosen anders exportieren als wir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich diesen Wettbewerbsvorteil wegnehmen lassen."
Vorerst wird die deutsche Rüstungsindustrie weiter nach deutschen Spielregeln arbeiten. Und ihre Beschäftigten werden weiter von einer Gewerkschaft vertreten, deren Satzung Abrüstung fordert. Für wen das nicht zusammenpasst, den fragen die Metaller auch: Wer soll die Rüstungsbeschäftigten sonst vertreten? Irgendjemand müsse ja auch für sie da sein.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 25. März 2023 | 06:00 Uhr