Stauffenberg, Puttkamer, Bodenschatz, Hitler, Keitel vor dem Gebäude, in dem die Bombe explodieren wird. 25 min
Audio: Auf den Spuren des Stauffenberg-Attentats – 80 Jahre danach Bildrechte: imago images / Photo12

20. Juli 1944 Stauffenberg und das Attentat auf Adolf Hitler

20. Juli 2024, 12:00 Uhr

Am 20. Juli 1944 zündet Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen eine Bombe. Er will Adolf Hitler töten und einen Staatsstreich einleiten, der die Nazi-Herrschaft und den Krieg beenden und Deutschland vor dem Untergang bewahren soll. Wer ist der Offizier, der vom einstigen Befürworter Hitlers zu dessen erbittertstem Todfeind wird?

Porträt des Feldmarschalls August Neidhart, Graf von Gneisenau
Der preußische Heeresreformer August Neidhardt von Gneisenau (1760-1831) ist Stauffenbergs Ururgroßvater. Bildrechte: IMAGO / Heritage Images

Claus Schenk Graf von Stauffenberg wird 1907 als Spross eines schwäbischen Uradelsgeschlechts geboren, dem zahlreiche hohe Militärs entstammen. Mütterlicherseits gehören der preußische Heeresreformer August Neidhardt von Gneisenau und der preußische Feldmarschall und Freiheitskämpfer Ludwig Yorck von Wartenburg zu seinen Vorfahren. Stauffenberg wächst in einem aufgeklärt-liberalen Elternhaus auf, fühlt sich den ritterlichen Idealen der Bündischen Jugend verpflichtet und gehört zum Freundeskreis des symbolistischen Lyrikers Stefan George. Nach dem Abitur 1926 wählt er den Offiziersberuf. Tatendrang und der Wunsch, dem Staat zu dienen, nennt er als Motive.

Hitlers Machtantritt 1933 begrüßt

Werner Eduard Fritz von Blomberg, deutscher Kriegsminister, mit Adolf Hitler bei Manövern 1938.
Hitler 1938 mit Kriegsminister von Blomberg (Mitte) und Heereschef von Fritsch (links). Kurz darauf nehmen beide im Zuge der Blomberg-Fritsch-Affäre ihren Hut. Bildrechte: imago/United Archives International

Wie viele junge Offiziere begrüßt auch Stauffenberg 1933 die Kanzlerschaft Adolf Hitlers. Er bejaht dessen Wendung gegen den "Schandfrieden" von Versailles und die Politik der Wiederaufrüstung. Auch die machtpolitische Konzentration auf den "Führer" und Reichskanzler nach dem Tod von Reichspräsident Paul von Hindenburg 1934 begrüßt er. Grundsätzliche Zweifel kommen erst 1938 mit den Affären um Kriegsminister Werner von Blomberg und Heeres-Oberbefehlshaber Werner von Fritsch, in deren Folge Hitler selbst den Oberbefehl über die Wehrmacht übernimmt. Hitlers riskante Politik in der Sudentenkrise im Oktober desselben Jahres kommentiert Stauffenberg laut dem damaligen Ordonanzoffizier Richard von Weizsäcker mit dem Satz: "Der Narr macht Krieg."

Kein Umsturz wegen Führereid

Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Stauffenberg als Oberleutnant der Wehrmacht, vor 1937. Bildrechte: imago images / Leemage

Als es 1939 tatsächlich zum Krieg kommt, geht Stauffenberg nach den Worten des Historikers Joachim Fest zunächst "ganz in den Anforderungen seines Metiers" auf. Tatsächlich empfindet der Generalstabsoffizier den Kriegsausbruch am 1. September 1939 als "Erlösung". Als die befreundeten Offiziere Peter Graf Yorck von Wartenburg und Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld im Frühjahr 1940 Stauffenberg bitten, an einem Umsturz gegen Hitler teilzunehmen, um dessen als irrsinnig erachteten Angriff auf Frankreich zu verhindern, lehnt er mit Verweis auf den Führereid ab. Im Westfeldzug stößt Stauffenberg mit der 6. Panzer-Division durch die Ardennen, über die Maas und zum Ärmelkanal. In Anbetracht des absehbaren Sieges über Frankreich schreibt er in einem Feldpost-Brief: "Uns geht es köstlich. Wie sollte es auch anders sein bei solchen Erfolgen."

Kritik an Kriegführung im Osten

Originale Unterschrift von Staufenberg auf einem Dokument
Ein von Stauffenberg als Gruppenleiter im OKH 1942 unterschriebenes Dokument. Bildrechte: IMAGO / epd

Ende Mai 1940 wird Stauffenberg, mittlerweile Hauptmann im Generalstab (i.G.), in das Oberkommando des Heeres (OKH) versetzt, wo er an organisatorischen Vorbereitungen für den Angriff auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa) mitarbeitet. Die Vereinheitlichung der Befehlsgewalt des Oberbefehlshabers des Heeres und des Oberbefehlshabers der Wehrmacht in der Person Hitlers nach der Winterkrise vor Moskau im Dezember 1941 begrüßt er noch. Doch spätestens ab 1942 gewinnen Stauffenbergs Zweifel an Hitler und der militärischen Führung die Oberhand. Auf einer Offiziersversammlung im Hauptquartier in Winniza echauffiert er sich über den "verhängnisvollen Kurs der deutschen Ostpolitik", die nur Hass säe, ohne dass jemand dagegen aufstehe. Die deutsche Generalität verhöhnt er später ob ihrer Passivität als "Teppichleger im Generalsrang".

Schwere Verwundung in Afrika

Deutsche und italienische Kriegsgefangene in Tunesien Mai 1943
Deutsche und italienische Kriegsgefangene nach der Kapitulation der Heeresgruppe Afrika in Tunesien, Mai 1943. Bildrechte: IMAGO / United Archives International

Stauffenberg lässt sich aus dem OKH an die Front versetzen. Im März 1943 wird er Erster Generalstabsoffizier (Ia) der 10. Panzerdivision in Nordafrika. Sein Verband soll als Teil der in Tunesien neu aufgestellten 5. Panzerarmee den Rückzug der Panzerarmee Afrika von Generalfeldmarschall Erwin Rommel abdecken. Doch das Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt. Die Heeresgruppe Afrika kapituliert am 13. Mai 1943 bei Tunis. 250.000 Soldaten gehen in Gefangenschaft. Die militärische Niederlage ist von ihrer Dimension her schlimmer als die Katastrophe von Stalingrad. Stauffenberg erlebt das nicht mehr mit. Er wird Anfang April bei einem Tieffliegerangriff schwer verwundet. Er verliert sein rechtes Auge, die rechte Hand sowie zwei Finger der linken Hand. Noch im Lazarett fasst er den Entschluss, "das Reich zu retten".

Militärischer Widerstand und "Walküre"

Stauffenberg nach Verwundung und Lazarett mit seinen Kindern auf Schloss Jettingen 1943
Stauffenberg nach Verwundung und Lazarettaufenthalt mit seinen Kindern, Sommer 1943. Bildrechte: picture-alliance / dpa | Hilfswerk 20. Juli

Nach seiner Genesung im Herbst 1943 lässt sich Stauffenberg nach Berlin versetzen. Er sucht den Kontakt zu den Hitler-Gegnern um den Leiter des Allgemeinen Heeresamtes beim Befehlshaber des Ersatzheeres, General der Infanterie Friedrich Olbricht, im Berliner Bendlerblock. Er ist sich bewusst, dass die Wehrmacht als einzige Organisation über die nötigen Machtmittel für einen Umsturz verfügt. Stauffenberg wird Olbricht als Stabschef unterstellt und arbeitet gemeinsam mit Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Henning von Tresckow die Planungen für das Unternehmen "Walküre" aus. Offiziell soll der Plan die Niederschlagung innerer Unruhen etwa nach Fremdarbeiter-Aufständen absichern. Doch Stauffenberg und Tresckow wandeln Walküre durch zusätzliche Geheimbefehle in einen Umsturzplan gegen Hitler und das NS-Regime um. In dessen Folge soll die Wehrmacht die ausführende Gewalt im Staat übernehmen.

Krieg und Judenverfolgung beenden

Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Albrecht Ritter Mertz
Stauffenberg mit seinem Freund und Mitverschwörer Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim. Bildrechte: IMAGO / epd

Aus späteren Abschriften und Rekonstruktionen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) geht hervor, dass Stauffenberg und die anderen Verschwörer des bürgerlich-militärischen Widerstands nach einem gelungenen Staatsstreich den Krieg und die Judenverfolgung beenden und den bis 1933 bestehenden Rechtsstaat wiederherstellen wollen. Die parlamentarische Demokratie lehnt ein Großteil der meist konservativen aus Adel und Militär stammenden Verschwörer allerdings ab. Stauffenberg selbst bekundet dennoch Sympathien für einen "preußischen Sozialismus", fordert die Aufnahme von Sozialdemokraten wie Julius Leber in die neue Regierung und strebt angeblich sogar ein Bündnis mit den Kommunisten an.

Tresckow fordert Attentat um jeden Preis

Alles, was den Verschwörern noch fehlt, ist eine "Initialzündung", um den Staatsstreich auszulösen. Doch alle Attentatsversuche auf Hitler scheitern unter den unmöglichsten Umständen. Für Stauffenberg ist die Invasion der Westalliierten in Frankreich die ausgegebene Zeitgrenze für einen Umsturz.

Generalmajor von Tresckow, Stabschef der Heeresgruppe, beging am 21. Juli 1944 Selbstmord
Generalmajor Henning von Tresckow fordert das Attentat auf Hitler "coûte que coûte" – also egal, wie hoch die Kosten sind. Bildrechte: IMAGO / United Archives International

Nach der erfolgreichen alliierten Landung am 6. Juni 1944 in der Normandie ist diese Grenze überschritten. Ihm ist klar, dass eine militärische Niederlage und ein Zusammenbruch des Deutschen Reiches nicht mehr abgewendet werden können. Stauffenberg lässt bei Tresckow, der mittlerweile Generalstabschef der in Weißrussland stehenden 2. Armee der Heeresgruppe Mitte ist, anfragen, ob ein Attentat noch einen Sinn habe, da kein politischer Zweck mehr zu erreichen sei. Tresckow antwortet: "Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte." Es komme nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, "dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat".

Zugang zu Hitlers Lagebesprechungen

Stauffenberg, Puttkamer, Bodenschatz, Hitler, Keitel vor dem Gebäude, in dem die Bombe explodieren wird.
Stauffenberg (links) am 15. Juli 1944 mit Hitler und OKW-Chef Keitel (rechts) in der Wolfsschanze. Bildrechte: imago images / Photo12

Am 1. Juli 1944 tritt Stauffenberg unter gleichzeitiger Beförderung zum Oberst i.G. seinen Dienst als Chef des Stabes des Befehlshabers des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm, an. Er sitzt damit an verantwortlicher Stelle in der Schaltzentrale für Walküre und erhält Zugang zu den Lagebesprechungen des "Führers".

Längst hat sich Stauffenberg entschlossen, das Attentat auf Hitler selbst auszuführen und dessen menschenverachtendes Regime zu beseitigen. Wenige Tage zuvor teilt er seiner Umgebung mit: "Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen."

Bombenattentat am 20. Juli 1944

Chef des Einsatzstabes der Wehrmacht in der Wolfsschanze. Ehemaliges Kriegshauptquartier von Adolf Hitler in Polen, Chef des Einsatzstabes der Wehrmacht in der Wolfsschanze.
Eine Rekonstruktion der Szenerie in der Lagebaracke, in der Stauffenberg am 20. Juli 1944 Hitler mit einer Bombe töten will. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Am 20. Juli 1944 ergibt sich die Gelegenheit zur Tat. In Weißrussland ist unter dem Ansturm der Roten Armee die Heeresgruppe Mitte zusammengebrochen. Stauffenberg soll im Führerhauptquartier Wolfsschanze bei Rastenburg in Ostpreußen über die geplante Neuaufstellung von Truppen berichten. Mit einer Bombe in der Tasche fliegt er nach Ostpreußen. Obwohl SS-Chef Heinrich Himmler nicht anwesend ist und deshalb nicht mit beseitigt werden kann, zieht Stauffenberg das Attentat durch. Er entschärft in einem Umkleideraum mit einer speziellen Zange, die er mit den ihm verbliebenen drei Fingern der linken Hand bedienen kann, den chemisch-mechanischen Zeitzünder einer Sprengladung. Doch die zweite Ladung kann er nicht mehr scharf machen, da die Lagebesprechung wegen eines Besuches des italienischen Diktators Benito Mussolini um eine halbe Stunde vorverlegt wird.

Hitler überlebt den Anschlag

Mitglieder des deutschen Oberkommandos, darunter Hermann Göring (in Weiß) und Martin Bormann (links), begutachten die Schäden in einem Raum in Adolf Hitlers Hauptbunker „Wolfsschanze“.
Göring und Bormann begutachten nach dem Anschlag den verwüsteten Lageraum. Bildrechte: IMAGO/Pond5 Images

Der Besprechungsraum selbst ist wegen der sommerlichen Hitze aus einem Bunker in eine leichte Holzbaracke verlegt worden. Wie Mitverschwörer Fabian von Schlabrendorff später berichtet, kann Stauffenberg zwar seine Aktentasche mit der Bombe deponieren. Doch er hat in der Hektik den zweiten, nicht entschärften Sprengsatz nicht in die Tasche gepackt. Die Sprengkraft ist deshalb nur halb so stark. Zudem kann die Explosionsenergie aus der Holzbaracke viel besser nach außen entweichen als aus einem Betonbunker. Als die Bombe um 12:42 Uhr detoniert, werden vier der 24 Anwesenden getötet. Hitler und 19 weitere Personen überleben den Anschlag jedoch. Stauffenberg, der die Baracke kurz zuvor verlassen hat, gelingt es in der allgemeinen Verwirrung, die Wolfsschanze zu verlassen und – in dem festen Glauben, Hitler sei tot – nach Berlin zurückzufliegen, um dort die weitere Organisation des Putsches zu übernehmen

Auslösung von "Walküre" scheitert

Hitler und Mussolini besichtigen Kartenraum der Lagebaracke in Wolfsschanze nach Anschlag 20. Juli 1944
Nach dem 20. Juli 1944 zeigt Hitler dem italienischen Diktator Benito Mussolini den Ort des Attentats. Bildrechte: imago images / ZUMA/Keystone

Als Stauffenberg im Berliner Bendlerblock ankommt, ist dort längst die Nachricht eingegangen, dass Hitler das Attentat überlebt hat. Keiner der Mitverschwörer hat deshalb Walküre ausgelöst, um die NSDAP und die SS zu entmachten. Das geschieht erst gegen 16:30 Uhr auf Veranlassung Stauffenbergs, der beteuert, dass Hitler tot sei. Doch die Aussendung der entsprechenden Befehle an die Wehrkreise der Wehrmacht dauert Stunden. Sie überschneiden sich mit Fernschreiben aus der Wolfsschanze, die die Walküre-Befehle aus dem Bendlerblock für ungültig erklären. Auch der Reichsrundfunk meldet schließlich das Überleben Hitlers, der sich am Abend selbst in einer Rundfunkansprache zu Wort meldet.

Erschießung im Bendlerblock

Ehrenmal, Junger Mann mit gebundenen Haenden, Bronzefigur von Richard Scheibe, im Innenhof des Bendlerblocks.
Im Hof des Berliner Bendlerblocks werden Stauffenberg und seine Mitverschwörer am Abend des 20. Juli 1944 erschossen. Bildrechte: IMAGO / Reiner Zensen

Um 22:30 Uhr lassen regimetreue Offiziere, unter ihnen der Kommandeur des Wach-Bataillons "Großdeutschland", Major Otto Ernst Remer, die Verschwörer Stauffenberg, dessen Adjutanten Werner von Haeften sowie Mertz von Quirnheim und General Olbricht festnehmen und auf Befehl von Ersatzheer-Chef Fromm im Hof des Bendlerblocks standrechtlich erschießen. Der Putsch zur Beseitigung Hitlers und der Nazi-Herrschaft am 20. Juli 1944 ist damit gescheitert. Der Krieg wird noch mehr als neun Monate weitergehen. Er sollte dem Deutschen Reich und dem deutschen Volk in dieser Zeit größere Verluste und Zerstörungen einbringen als die gesamten Kriegsjahre zuvor.

Literaturhinweise

  • Fest, Joachim: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994.
  • Heinemann, Winfried: Unternehmen "Walküre". Eine Militärgeschichte des 20. Juli 1944, Berlin 2019.
  • Ueberschär, Gerd R.: Stauffenberg. Der 20. Juli 1944, Frankfurt am Main 2004.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. Juli 2024 | 10:55 Uhr