Der Redakteur | 13.02.2023 Welchen Lärm muss ein Anwohner ertragen?
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13. Februar 2023, 15:55 Uhr
Der Sportplatz gehört zum Dorf wie die Kirche und man sollte beide sicher auch dort lassen. Doch wieviel Lärm müssen die Anwohner ertragen? Wo liegen die Grenzen, an wen kann man sich wenden, wenn man den Eindruck hat: Das ist eindeutig zu viel!
Die Basis für die heutige Antwort ist die 18. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die sich als "Sportanlagenlärmschutzverordnung" ganz konkret mit solchen Fällen beschäftigt.
Hier sind Grenzwerte festgelegt für unterschiedliche Siedlungsformen und Tageszeiten. Es macht also einen Unterschied, ob sich der Sportplatz in einem Gewerbegebiet befindet, mitten im Wohngebiet oder gar nahe einer Kureinrichtung.
Auch ist es nicht egal, wann die Spiele stattfinden. Es gibt unterschiedliche Grenzwerte für Tag und Nacht und auch für sogenannte Ruhezeiten. Allesamt sind übrigens auch von Relevanz für Kreis- und andere Nervensägen. Das bedeutet: Unser Sportplatz ist nur ein Beispiel von vielen. Die Wege ähneln sich, wenn man sich gegen Lärm wehren möchte.
Welche Grenzwerte gelten?
Sportanlagen sind so zu betreiben, dass bestimmte Immissionsrichtwerte außerhalb von Gebäuden nicht überschritten werden. So steht es in Paragraf 2 der Verordnung. Demnach darf in Gewerbegebieten tagsüber außerhalb der Ruhezeiten die Grenze von 65 dB(A) nicht überschritten werden.
In "urbanen Gebieten", damit sind zum Beispiel Städte mit kurzen Wegen gemeint, sind es 63 dB(A), in Misch- bzw. Dorfgebieten 60 dB(A), in allgemeinen Wohngebieten 55, in reinen Wohngebieten 50 und in Kurgebieten 45 db(A). Zum Vergleich: 60 dB sind ein normales Gespräch.
Bedeutet: Übertönt der bei mir ankommende Lärm vom Sportplatz ein normales Gespräch deutlich, sind wir in einem Bereich, der nicht hingenommen werden muss. Zwar ist immer noch etwas Gummi eingebaut in der Verordnung, zum Beispiel sind leichte Überschreitungen der Werte von maximal 10 dB an bis zu 18 Tagen im Jahr erlaubt oder einzelne (!) Geräuschspitzen bis zu 20 dB über dem Grenzwert.
Also: Der Torschrei als Spitze ist OK, das 90minütige Dauertrommeln und -tröten hingegen nicht. In der Anhang 1 der Verordnung ist auch ganz klar definiert, wie und wo gemessen wird.
Der für die Beurteilung maßgebliche Immissionsort liegt (…) bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb, etwa vor der Mitte des geöffneten, vom Geräusch am stärksten betroffenen Fensters, (…).
Gilt am Sonntagnachmittag noch etwas anderes?
Die Werte sind noch einmal abgestuft. Faustregel: Zu klar definierten Ruhezeiten wie Sonntagnachmittag können 5 dB abgezogen werden von den Höchstwerten, nachts in der Regel sogar 15 dB. Als Ruhezeit gilt zum Beispiel der für Fußballspiele nicht unübliche Sonntagnachmittag (Sonn- und Feiertage) zwischen 13 und 15 Uhr.
Ausnahme: Wenn in der Summe an mehr als vier Stunden Spiele stattfinden, dann gelten auch sonn- und feiertags in der Ruhezeit die normalen Grenzwerte.
Welche Pflichten hat der Verein?
Der Veranstalter - in der Regel der Sportverein - hat dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Zum Beispiel hat das auch Auswirkungen auf Lautsprecherdurchsagen oder Gegenstände, die von den Zuschauern mitgeführt werden dürfen. Ausdrücklich genannt werden "lärmerzeugende Instrumente", aber auch Pyrotechnik und druckgasbetriebene Lärmfanfaren.
Unter Umständen können sogar bauliche Maßnahmen erforderlich sein, wie lärmmindernde Ballfangzäune, Bodenbeläge oder Schallschutzwände. Ein Sportverein tut also gut daran, eine Auseinandersetzung nicht eskalieren zu lassen, denn wenn behördenseitig tiefer gegraben werden würde, könnte es unangenehm teuer werden.
Und die Nummer "Wir können da gar nichts machen", die zieht auch nicht, sagt Rechtsanwalt Thomas Pliester vom Deutschen Anwaltverein. Das Hausrecht gibt dem Verein die nötigen Handwerkszeuge in die Hand, die amtlichen und gesetzlichen Vorgaben auch umzusetzen. Notfalls mit Hilfe der Polizei.
Sie können sagen: Mit der Trommel kommst du hier nicht rein! Du kannst sie hier abstellen und nachher wieder abholen.
Wohin können sich Anwohner wenden?
Zuständig sind die unteren Immissionsschutzbehörden. In Thüringen wären das die Landkreise bzw. kreisfreien Städte und dazu das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz als obere Immissionsschutzbehörde. Wenn quasi unten an der Basis die entsprechende Technik fehlt: Das Landesamt sollte alles haben.
Werden bei einer Messung dann überhöhte Werte ermittelt, ist es Aufgabe der Behörde, einzuschreiten. Wir kennen das von Volksfesten, bei denen mitunter Punkt 22 oder 24 Uhr die Party vorbei ist, weil es entsprechende Auflagen für die Veranstaltung gegeben hat.
Analog dazu können auch die Sportvereine Auflagen bekommen, zum Beispiel eben dafür zu sorgen, dass Lärminstrumente draußen bleiben. Und um überhaupt erst einmal ein Gefühl dafür zu bekommen, welchen dB-Wert der Lärm der Trommeln und Tröten so erreicht während eines Spiels, ist es hilfreich, sich die LärmApp des Verbandes der Ohrenärzte aufs Handy zu laden.
Auch wenn das natürlich kein amtliches Messergebnis ist, aber einfach mal in Richtung Lärmquelle halten und schauen, was auf dem Display steht. Darin ist auch aufgeführt, was wieviel Lärm macht und mit welchen Auswirkungen.
Ab 65 dB(A) wird der Körper unter Stress gesetzt, ab 80 dB(A) Dauerlärm drohen schon Gehörschäden. Und wenn Sie die App beim nächsten Discobesuch oder Rockkonzert aktivieren, werden Sie sich überlegen, ob der Besuch ohne Ohrenschutz wirklich eine gute Idee ist.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 14. Februar 2023 | 16:40 Uhr