Urteile der Woche Bundesverfassungsgericht: NRW-Polizeigesetz in Teilen verfassungswidrig
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11. Januar 2025, 05:00 Uhr
Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.
NRW-Polizeigesetz in Teilen nicht mit Grundgesetz vereinbar
Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvL 3/22)
In dieserm Fall geht es um einen polizeibekannten Rechtsextremisten, der aus dem Gefängnis entlassen wird. Da er als Gefährder eingestuft ist, überwacht ihn die Polizei anschließend, um eine Flucht oder weitere Straftaten zu verhindern. Dabei gerät auch seine Freundin ins Visier. Sie klagt nun gegen diese offensichtliche Überwachung: Sie halte die Bild- und Videoaufnahmen nicht für zulässig, damit werde zu stark in ihr Persönlichkeitsrecht eingegriffen. Die Maßnahmen seien in der durchgeführten Form auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Letztlich musste über diese Frage das Bundesverfassungsgericht entscheiden: "Eine Datenerhebung durch heimliche Observation ist nur dann erlaubt, wenn eine konkrete oder zumindest eine konkretisierte Gefahr besteht. Hier aber ging man nur davon aus, dass die zu beobachtenden Personen bestimmte Straftaten begehen wollen. Das ist nicht ausreichend. Die Polizei darf nicht ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit der Bürger entscheiden. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, eingriffsbeschränkende Maßstäbe festzulegen."
Das Land Nordrhein-Westfalen muss das Gesetz in dieser Hinsicht bis Ende des Jahres nachbessern.
Betriebsrats-Zustimmung bei Firmen-Nutzung von ChatGPT mit Privataccount nicht nötig
Arbeitsgericht Hamburg (AZ: 24 BVGa 1/24)
In einem weltweit tätigen Medizintechnikunternehmen soll ChatGPT als neues Arbeitsmittel eingeführt werden. Dabei handelt es sich um eine Künstliche Intelligenz (KI), die in der Lage ist, am Computer mit dem Nutzer über textbasierte Nachrichten und Bilder zu kommunizieren. Sandra Sandmann hat sich nun privat bei der Plattform angemeldet und nutzt sie bereits beruflich. Einen Firmenaccount darf sie allerdings nicht anlegen. Dennoch beantragt der Konzernbetriebsrat eine einstweilige Verfügung. Er sieht seine Mitbestimmungsrechte verletzt.
Am Arbeitsgericht Hamburg stellte man klar: "Die Nutzung von ChatGPT und vergleichbaren KI-Systemen verletzt nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Das gilt zumindest für den Fall, dass kein Firmenaccount eingerichtet wird. Es handelt sich nicht um ein Überwachungsinstrument des Arbeitgebers, wenn er keinen Zugriff auf die Accounts hat, die privat von Arbeitnehmern eingerichtet wurden."
Der Arbeitgeber hat hier also richtig gehandelt.
Strafgutachten können im Zivilprozess nicht immer verwertet werden
Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 9 U 46/23)
Eine Sozialversicherung will die Behandlungskosten eines bei ihr versicherten Fußgängers erstattet haben. Friedhelm Friedecke war bei Dunkelheit und Regen von einem Auto erfasst worden. Laut Versicherung hat der Fahrzeugführer nicht ausreichend auf die Verkehrssituation reagiert. Sie beantragt dafür ein unfallanalytisches Gutachten. Das zuständige Landgericht beruft sich aber auf ein bereits im Ermittlungsverfahren erstelltes Gutachten. Das sieht den Fußgänger als alleinigen Unfallverursacher. Ist das erlaubt?
Nein, sagte man am Oberlandesgericht Frankfurt am Main: "Das Sachverständigengutachten aus dem Strafverfahren ist hier nicht ausreichend, um im Zivilprozess den Sachverhalt aufzuklären. Es ist unvollständig, da es mögliche Reaktionen des Fahrzeugführers wie Bremsen oder Ausweichen nicht umfassend geprüft hat. Ebenso wurden zivilrechtliche Haftungs- und Beweislastgrundsätze nicht berücksichtigt."
Für den Zivilprozess muss ein eigenes Gutachten erstellt werden.
*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 11. Januar 2025 | 08:22 Uhr