Eine Frau mit roten Haaren an einer Bar
Tina Rolle aus Meuselwitz im Osten von Thüringen sieht auch nach der Bundestagswahl Chancen für das BSW. Bildrechte: MDR/Lea Hein

Nach der Bundestagswahl Was ein Thüringer BSW-Mitglied denkt: "Wer sagt, er ist nicht enttäuscht, der lügt"

12. März 2025, 05:00 Uhr

Tina Rolle ist BSW-Mitglied der ersten Stunde. Sie hat alle Wahlkämpfe miterlebt: Europawahl, Landtagswahl in Thüringen und schließlich die Bundestagswahl. Auch nach drei Wahlkämpfen ist sie noch überzeugt von ihrer Partei. Dass das BSW es knapp nicht in den Bundestag geschafft hat, war eine Enttäuschung für sie. Sie sieht aber auch Chancen für die Zukunft.

Hauptberuflich ist Tina Rolle nicht Politikerin, sondern Gastronomin. Im Jahr 2008 eröffnet sie in Meuselwitz ihre Kneipe "Zur Holzrolle" - mitten in der Finanzkrise. Damals haben ihr viele davon abgeraten, erinnert sich die 37-Jährige: "Es wurde immer gesagt: Mensch, Kleene, du bist noch so jung, mach doch was anderes, mach nicht Gastronomie, die machen gerade alle zu, das ist eine Scheiß-Zeit."

Aber davon wollte sie sich nicht beeindrucken lassen. Sie zog in die Räume eines ehemaligen Spätis und entschied sich, günstige Angebote zu machen. "Ich wollte, dass sich auch mal der Lehrling in 'ne Kneipe setzen kann oder einer, der keine Arbeit hat. Es war ja eine perspektivlose Zeit und ich wollte den Leuten einen Grund geben, sich hier trotzdem wohl zu fühlen."

Vom Tresen in den Stadtrat

Der Erfolg gibt ihr Recht: Seit 16 Jahren kommen Jung und Alt in ihre Kneipe. Was Tina Rolle besonders gefällt, ist, dass sie an der Bar aus erster Hand von den Problemen der Leute erfährt. "Das hat mich auch politisiert, was ich hier mache. Weil ich gesehen habe, wo die Problemstellungen sind und auch die Probleme der verschiedenen Generationen. Ich habe hier alle, vom 18-Jährigen bis 80-Jährigen, vom Leistungsempfänger bis zum Millionär schon bedient. Und da kriegst du wirklich alles mit."

Ich habe mir damals gedacht, nur rummeckern aus der zweiten Reihe ist eigentlich nicht dein Ding, du willst etwas gestalten.

Tina Rolle

Schließlich entschied sie sich, kommunalpolitisch aktiv zu werden. "Ich habe mir damals gedacht, nur rummeckern aus der zweiten Reihe ist eigentlich nicht dein Ding, du willst etwas gestalten." In ihrem ersten Anlauf schafft sie den Einzug in den Stadtrat. Seit 2014 ist sie dort aktiv.

Eine Eckkneipe, über deren Tür "Zur Holzrolle" steht
In ihrer Kneipe in Meuselwitz erfährt Tina Rolle aus erster Hand von den Problemen der Menschen vor Ort. Bildrechte: MDR/Lea Hein

Eintritt ins BSW

Die Corona-Pandemie hat sie nicht nur persönlich, sonder auch beruflich gespürt - und war mit der Politik der Bundesregierung nicht einverstanden: Als Gastronomin fühlte sie sich allein gelassen und die Unterteilung der Menschen in "geimpft" und "ungeimpft" wollte sie nicht unterstützen.

"Ich habe zugemacht in der Zeit, in der 2G gegolten hat. Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, Leute auszusperren, die vorher meine treue Kundschaft waren."

In dieser Zeit wurde sie auf Sahra Wagenknecht aufmerksam und stimmte mit der Kritik der damaligen Linken-Politikerin überein. Als das BSW gegründet wurde konnte sie sich gut mit den Inhalten der Partei identifizieren - und wurde Mitglied.

"Ein Punkt für mich war der andere Umgang mit der AfD, weil ich das aus der Kommunalpolitik nicht anders kenne. Da ist es gang und gäbe, dass man miteinander redet. Die Brandmauern in der großen Politik machen die AfD nicht schwach, sondern stark."

Ein Sticker wirbt für die BSW-Kandidatin Tina Rolle bei der Landtagswahl in Thüringen
Tina Rolle gehörte zu den ersten BSW-Mitgliedern in Thüringen. Bildrechte: MDR/Lea Hein

Dass die AfD in ihrem Wahlbezirk über 50 Prozent der Stimmen bekommen hat, erschreckt Tina Rolle. Mit dem BSW hatte sie auch gehofft, der Partei ein paar Stimmen wegzunehmen. Doch die Partei habe sich fünf bis zehn Jahre zu spät gegründet, denkt sie: "Wir hätten die viel kleiner halten können, wenn es uns eher gegeben hätte."

Enttäuschung über Ergebnis der Bundestagswahl

Ihre erste Kandidatur für das BSW hatte sie zur Landtagswahl in ihrem Wahlkreis - den der AfD-Kandidat gewann. Für den Bundestag wollte sie nicht kandidieren: Dieser Schritt war ihr zu groß und kam zu schnell. Trotzdem war sie aktiv im Wahlkampf, an Ständen und auf Social Media. Nach Bekanntgabe des Bundestagswahlergebnisses musste sie erst einmal schlucken. "Wer sagt, dass er bei 0,03 Prozent, die gefehlt haben, nicht enttäuscht ist, der lügt."

Wer sagt, dass er bei 0,03 Prozent, die gefehlt haben, nicht enttäuscht ist, der lügt.

Tina Rolle

Gründe für das schlechte Abschneiden ihrer Partei sieht sie an verschiedenen Stellen: "Ich höre oft, dass Leute eigentlich auf unserer Linie sind, uns aber nicht wählen, weil wir stigmatisiert werden als Putintrolle, nur weil wir für Frieden stehen." Sie wünscht sich, dass die Partei ihre Inhalte besser an die Bevölkerung vermitteln kann.

Dass das BSW seit vergangenem Jahr Teil der Thüringer Landesregierung ist, sieht sie nicht als Problem. Aber in der kurzen Zeit zwischen Regierungsbildung in Thüringen und Bundestagswahl habe das BSW eben noch nicht zeigen können, was es kann. "In der Politik dauern angeschobene  Prozesse, womit willst du da in ein paar Tagen brillieren? Das hat uns jetzt natürlich auch Stimmen gekostet."

In der verlorenen Bundestagswahl sieht Tina Rolle aber auch eine Chance: "So ein kleines Bundesland wie Thüringen hat jetzt eine richtig große Stimme für das BSW. Wenn das BSW im Bundestag wäre, wäre das durch die Bundespolitik überdeckt. Jetzt sind die Augen voll auf uns gerichtet."

Wie weiter mit dem BSW?

Sie ist froh über die Regierungsbeteiligung ihrer Partei, weniger über die Streitereien auf dem Weg dahin. "Wir hätten diesen Zwist, Regierung in Thüringen eingehen oder nicht, intern klären sollen." Das ist nicht der einzige Punkt, der die Gastronomin ärgert.

Dass das BSW bisher nur wenige ausgewählte Mitglieder aufgenommen hat, ist schon öfter kritisiert worden. Dem schließt sich Tina Rolle an. "Die Mitgliederaufnahme muss jetzt schneller gehen. Das hätte schon eher passieren müssen, dann hätten wir auch viel mehr Manpower in den Wahlkampf stecken können."

Rolle: Wagenknecht soll bleiben

Dass das BSW weiter bestehen kann, daran zweifelt sie nicht. Thüringen komme jetzt die Aufgabe zu, zu vermitteln, wofür das BSW steht. Für die Bundespartei hofft sie, dass Sahra Wagenknecht als Führungsperson erhalten bleibt. "Es wäre wichtig, dass sie das BSW weiter nach außen vertritt. Ihr Kopf ist einfach wichtig für uns".

Die Politikerin Tina Rolle will sich weiter in der Kommunalpolitik engagieren. Neben ihrer Tätigkeit im Stadtrat arbeitet sie stundenweise bei André Polter, Direktkandidat für das BSW bei der Bundestagswahl, und hilft beim Aufbau seines Bürgerbüros. Und die Gastronomin Tina Rolle freut sich am Wochenende auf ihre Gäste.

Bei Fakt ist! aus Erfurt diskutieren am Mittwoch (12. März) die Thüringer BSW-Vorsitzende Katja Wolf, Bundesvize Shervin Haghsheno und der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz mit Mitgliedern und Wählern der Partei und mit weiteren Bürgern. Die Sendung können Sie ab 20:15 Uhr auf mdr.de im Livestream oder im MDR FERNSEHEN verfolgen.


Hinweis der Redaktion: Wir haben aktuell mehrere Artikel zum Bündnis Sahra Wagenknecht veröffentlicht. Um eine sinnvolle Diskussion zu ermöglichen, ist nur der Beitrag "Bundesverband vs. Thüringen: Was der BSW-interne Streit bedeutet" zum Kommentieren freigegeben.

MDR (mw)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! aus Erfurt | 12. März 2025 | 20:15 Uhr

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