Robert Henning steht auf dem Marktplatz in Nordhausen.
Robert Henning will für das BSW in den Bundestag einziehen. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Bundestagswahl 2025 Der Bundeswehr-Veteran, der für das BSW und den Frieden kämpft

13. Februar 2025, 05:00 Uhr

Seit der Kommunalwahl 2024 ist Robert Henning der vielleicht bekannteste Ortschaftsbürgermeister Deutschlands. Für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eroberte er damals das erste Amt der jungen Parteigeschichte. Nun kandidiert er im Nordthüringer Wahlkreis 188 für den Bundestag.

Mütze, Schal, Handschuhe, lange Unterhose - ich habe mich für den Winterwahlkampf dick eingepackt und stehe bei leichtem Nieselregen Mitte Januar auf dem Markt in Nordhausen. Mein Telefon klingelt. "Guten Morgen Herr Kehrer, sind Sie schon da?"

Es ist Robert Henning, der Thüringer BSW-Spitzenkandidat für den Bundestagswahlkampf. Im Wahlkreis 188, der das Eichsfeld, Nordhausen und den Kyffhäuserkreis umfasst, kämpft er um ein Direktmandat. Nur heute kämpft er nicht: "Wir sagen den Wahlkampfstand für heute ab. Das bringt nichts bei dem Regen."

Ein alter und ein junger Männer packen BSW-Wahlkampfplakate in einen Transporter. Die Plakate zeigen Robert Henning und Sahra Wagenknecht.
Einmal alles wieder einpacken: Robert Henning mit Wahlkampfhelfer Detlef Hauthal (BSW). Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Schade, denke ich. Genau darum geht es doch: "Wahlkampf bei Wind und Wetter: Robert Henning kämpft für eine neue Politik". Die Schlagzeile hatte ich mir schon während der Autofahrt nach Nordhausen überlegt und mir vorgenommen, ein passendes Foto zu schießen. Stattdessen frage ich: "Und was nun?"

Bleicherode: Ein Ort und seine Traditionen

Über die A38 sind es nicht mal 15 Autominuten bis nach Bleicherode, Hennings Heimatort, wo er seit 2024 ehrenamtlicher Bürgermeister ist. Die Landgemeinde liegt eingebettet zwischen Harz und Ohmgebirge an der Bleiche und zehrt kulturell und gesellschaftlich von ihren zwei großen Traditionen: Bergbau und Karneval. "'Glück auf' und 'Jo Jau'", sagt Henning. "Wenn Sie diese beiden Grüße kennen, kommen Sie in Bleicherode gut zurecht."

Henning ist ein Sohn der Kalistadt. 1987 hier geboren, als Enkel eines Bergmanns, der hier die Kalisalze aus der Erde holte, bis die Treuhand die Bergwerke der Region einer "Marktbereinigung" unterzog. "Jeder erinnert sich hier an den Hungerstreik der Kumpel in Bischofferode", erzählt Henning und wiederholt den damaligen Schlachtruf: "Bischofferode ist überall". Es war zumindest auch in Bleicherode, wo mehr als 1.200 Bergleute ihren Job verloren. Der anschließende wirtschaftliche Niedergang der Region habe seine Kindheit geprägt, erzählt Henning.

Ein Mann im schwarzen Mantel sitzt in einer Kneipe an einem Tresentisch. Im Hintergrund ist DDR-Dekoration zu sehen. 24 min
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Wenn er könnte, würde er den Bergbau gern nach Bleicherode zurückbringen. Der Schacht sei Teil der kulturellen Identität der Menschen hier. Noch heute seien der Bergmannsverein, das Bergmannsblasorchester und das alljährliche Bergmannsfest prägend für die Stadtgesellschaft. Auch das 1904 errichtete Kulturhaus verdankt die Stadt der Bergbaugesellschaft, das bis heute das kulturelle Herzstück der Stadt ist. Hier hat Henning sein Bürgermeisterbüro und hier findet auch der Karneval statt.

"Robert ist einer von uns"

"Jo Jau", ruft Henning, als wir das Kulturhaus betreten und auf Hausmeister Kai Hartmann treffen. Beide duzen sich und scherzen miteinander. Hartmann führt uns in den großen Saal, wo am Wochenende der Karneval steigt. Alles ist festlich geschmückt, Tafeln stehen bereit. Rund 300 Gäste werden erwartet. Das Grußwort spricht Henning: Nichts Politisches, nur ein paar knappe, markige Worte habe er sich vorgenommen. "Die Leute wollen feiern und kein Gesabbel hören."

Politik und Karneval passen doch oft gut zusammen, hake ich nach. Henning wehrt ab: Als Bürgermeister sei er für die Leute da, nicht für die Partei. Hartmann nickt zustimmend und sagt: "Bleicherode hat Robert nicht wegen des BSW oder Sahra Wagenknecht gewählt." Es sei allein um die Person gegangen. "Robert ist einer von uns, ganz gleich in welcher Partei er ist."

Zwei Männer stehen im Saal des Kulturhauses in Bleicherode. Im Hintergrund sind Tische und Faschingsdekoration zu sehen.
"Er setzt sich für Bleicherode ein, ist in den Vereinen aktiv und immer hilfsbereit", meint Kai Hartmann (re.) über Robert Henning (li.). Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Ein politischer Mensch war Henning schon immer. Mit 18 Jahren trat er in die PDS (die spätere Linkspartei) ein, zählte sich schon bald selbst zum Lager von Sahra Wagenknecht und entfremdete sich mit ihr von seiner einstigen Partei. Der innerparteiliche Umgang sei irgendwann nicht mehr "vergnügungssteuerpflichtig" gewesen, sagt er. Außerdem habe die Linke zunehmend Klientelpolitik für ein Großstadtmileu gemacht und die Landbevölkerung vergessen. 2023 trat Henning aus der Partei aus und Anfang 2024 in das neugegründete BSW ein.

Die neue politische Heimat

Eine Woche vorher, in einem Café in der Nordhäuser Innenstadt: "Ich sag euch, der Parteitag war eine gelungene Veranstaltung. Das habe ich in fast 20 Jahren bei den Linken so nie erlebt", schwärmt Robert Henning. Es ist nach Ladenschluss, als der BSW-Kreisverband Nordthüringen hier mit rund einem Dutzend Mitgliedern und einer Handvoll Unterstützern tafelt. Neben der Auswertung des Bundesparteitags in Bonn soll vor allem der Wahlkampf geplant werden.

Die Atmosphäre ist freundlich, fast freundschaftlich. Eine Frau hat kleine weiße Friedenstauben gebastelt und verschenkt sie am Tisch. Es wird gegessen, getrunken und auf die Grünen und die SPD geschimpft. Kriegstreiber seien das. AfD und CDU seien nicht besser. Mit der Forderung von Alice Weidel, den Wehretat auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben, habe "die AfD ihre Maske abgerissen", sagt Henning.

Am Tisch sitzt eine Melange unterschiedlicher politischer Biografien: Viele hier waren wie Henning vorher in der Linkspartei, aber es gibt auch ehemalige SPDler, CDUler und Grüne. Zwei junge Männer sitzen dabei, die erstmals politisch aktiv sind, genau wie ein Rentner, der das BSW als Unterstützer begleitet und sich vorher nie einer Partei zugehörig gefühlt habe. Sie alle eint das große Thema Frieden und eine Faszination für die zur Ikone stilisierte Sahra Wagenknecht.

Eine Gruppe aus BSW-Mitgliedern und Unterstützern beim Wahlkampftreffen Anfang Januar in Nordhausen. An der Stirnseite hinten unter dem Bild sitzt Robert Henning, der Direktkandidat des Wahlkreises.
Wahlkampfvorbereitungen beim BSW im Wahlkreis 188: In Nordhausen treffen sich Mitglieder und Unterstützer und planen den Bundestagswahlkampf. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Nach dem Essen geht es an das Organisatorische: 1.200 Plakate müssten im Wahlkreis aufgehangen werden, allerdings fehle es noch an Kabelbindern. Außerdem gebe es 9.000 Flyer mit Henning und Wagenknecht. Am 27. Januar - dem Holocaustgedenktag - habe die Partei ihr "Wahlkreis-Highlight" geplant: eine Friedenskundgebung in Nordhausen. Alle sollten in ihrem Bekanntenkreis dafür Werbung machen. Das hier sei seine neue politische Heimat, sagt Henning am Ende des Abends.

Der erste Amtsträger des BSW

Zurück in Bleicherode. Gegen Mittag hat es aufgehört zu regnen. Auf den Wahlkampfstand verzichtet Henning trotzdem. Einerseits, weil seine Helfer keine Zeit mehr haben, andererseits - so vermute ich -, weil er auf das Direktmandat nicht angewiesen ist. Denn auf Platz 1 der Landesliste zieht er sicher in den Bundestag ein, sollte es seine Partei über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen - und davon gehen trotz knapper Umfragewerte im BSW alle aus.

Warum ausgerechnet Henning auf Listenplatz 1 in Thüringen steht, das hat maßgeblich mit der Kommunalwahl im Mai 2024 zu tun. Henning eroberte damals als erster BSW-Kandidat ein offizielles Amt und löste ein gewaltiges Medienecho aus. Normalerweise taugt die Wahl eines ehrenamtlichen Ortschaftsbürgermeister kaum als Aufmacher für die Lokalpresse, doch der Name Robert Henning machte Schlagzeilen in sämtlichen bundesweiten Medien. Sogar ein Schweizer Fernsehteam habe ihn zwei Tage lang begleitet.

Der Afghanistan-Veteran als Friedensbotschafter

Zur Wahrheit gehört auch, dass der gelernte Küchenmeister und Gastronom dem Ideal des BSW entspricht: Ein Mann aus einfachen Verhältnissen mit Lebens- und Arbeitserfahrung, der den (vermeintlich) weltfremden Berufspolitikern in Berlin den Kampf ansagt. Dass Henning acht Jahre bei der Bundeswehr diente und als Veteran überzeugend vom Versagen in Afghanistan erzählen kann, macht ihn außerdem zum perfekten - weil bekehrten - Friedensbotschafter.

Bei der Frage, wie das BSW den Krieg in der Ukraine beenden will, klingt das dann so: "Es muss dort mit diplomatischen Lösungen ein Waffenstillstand durchgesetzt werden und langfristig auch ein Frieden. Das ist einfach so." Um diesen Waffenstillstand zu verhandeln, brauche es Partner, die gewillt seien, mit beiden Parteien Gespräche zu führen. "Kriegskanzler" Olaf Scholz (SPD) mache sich als Verhandlungspartner aber unglaubwürdig, weil er immer mehr Waffen in die Ukraine liefere. Es brauche eine Kehrtwende bei den Waffenlieferungen, um dann "eine diplomatische Kraft" zu werden.

Robert Henning in der DDR-Kneipe "Rumpelkiste" in Nordhausen.
Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr übernahm Henning 2014 die DDR-Kneipe "Rumpelkiste" in Bleicherode. Nach zehn Jahren gibt er die Gastronomie nun wieder ab. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Ob die Ukraine dann nicht überrannt würde und Russland einen Diktatfrieden verhängen könnte, frage ich nach. Henning tut das ab: "Russland stößt ja auch schon an seine Grenzen, wenn man hört, wo sie ihre Soldaten herholen." Die Ukraine würde nicht überrannt werden, wenn es einen Interessensausgleich geben würde. Wie dieser dann aussehen könnte, lässt er jedoch offen. "Frieden schaffen ohne Waffen", gibt er stattdessen als Losung aus.

Weil Henning auch die Wehrpflicht, Friedensmissionen, Bündnisse und eine Abschreckung durch Atomwaffen ablehnt, frage ich, wie er ohne Waffen unsere liberale Gesellschaft gegen autoritäre Staaten verteidigen möchte. "Jeder Staat braucht natürlich eine Armee. Wir müssen verteidigungsfähig sein, aber nur für uns selbst. Das ist einfach so", sagt er.

Ein Leben nach der Kneipe

Dieses "das ist einfach so", ist bei Henning oft zu hören. Es klingt ein bisschen nach Stammtisch, was auch nicht verwunderlich ist. Seit zehn Jahren betreibt Hennig die "Rumpelkiste" in Bleicherode. Die Bahnhofskneipe ist über und über mit DDR-Devotionalien geschmückt. Marx- und Lenin-Bilder hängen hier neben einem Warnschild mit der Aufschrift "Sperrgebiet". Das meiste habe er vom Vorbesitzer übernommen, sagt er und zeigt mir den Stammtisch, direkt an der Bar. Als Wirt mische er sich hier immer gern in die politischen Diskussionen ein.

"Was passiert, wenn es das BSW nicht in den Bundestag schafft?", frage ich am Ende unseres Treffens. "Dann mache ich irgendwas Anderes." Den Zapfhahn werde er definitiv an den Nagel hängen, das sei schon beschlossene Sache. "Zwanzig Jahre in der Gastronomie und zehn Jahre als Kneiper sind genug. Es ist Zeit für was Anderes."

"Ich meine eigentlich: Was ist dann mit dem BSW?", frage ich. Er überlegt kurz. "Die Partei müsste sich dann neu ausrichten", sagt er.

"Und was ist dann mit Wagenknecht?" - "Die bleibt!", sagt er überzeugt. "Sie ist keine, die nach einer verlorenen Wahl in den Sack haut."

Mehr zu den Kandidaten der anderen Parteien zur Bundestagswahl

MDR (ask)

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