Sahra Wagenknecht
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BSW-Spitzenkandidatin im Porträt Sahra Wagenknecht – die Kompromisslose

07. Februar 2025, 13:26 Uhr

Sahra Wagenknecht zieht nach dem Bruch mit den Linken mit einer eigenen Partei in den Bundestagswahlkampf. Das BSW vertritt wie Wagenknecht selbst politisch linke und rechte Positionen. Im Osten brachte ihr das Erfolge.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Alexander Laboda
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In einer Hinsicht werden Freunde und Gegner von Sahra Wagenknecht wohl übereinstimmen: Sie fasziniert. Optisch inzwischen eine Ikone, rhetorisch gewandt und argumentativ schlagfertig – so kennen die Menschen die 55-Jährige von zahllosen Fernsehauftritten. Wagenknechts Anziehungskraft drückt sich in der intensiven Auseinandersetzung mit ihr aus. Mehrteilige Podcasts zeichnen ihren Weg nach, Dokumentationen befassen sich mit dem "Phänomen Wagenknecht", eine Biografie über sie ist ein Bestseller.

Dabei vertritt Wagenknecht seit jeher häufig Außenseiterpositionen oder mindestens Gegenstandpunkte zur öffentlichen Meinung. Das zeigte sich schon früh in ihrem persönlichen Werdegang. Sie trat 1989 in die SED ein, als die meisten anderen austraten. In den 1990er- und 2000er-Jahren war sie Leitfigur der "Kommunistischen Plattform" und positionierte sich damit sogar in der PDS am radikal linken Rand.

Gegenpositionen bei Migration, Corona und Russland

Das Schema änderte sich über die Jahre nicht. In der Asyl-Krise ab 2015 sprach sie von "Kapazitätsgrenzen" und davon, dass man das Gastrecht auch verwirken könne – seinerzeit für eine Linke eine radikale Position gegen die Willkommenskultur. Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland schlug sie sich schon in der Krim-Krise 2014 auf die Seite des Angreifers. An Putins Aggression trage der Westen die Schuld, sagte sie schon damals. In der Corona-Pandemie äußerte sie Sympathien für Impfgegner und Corona-Leugner.

Mit diesen und anderen Positionen sorgte sie seit mehr als einem Jahrzehnt für interne Auseinandersetzungen in der Linkspartei um ihre Person – die andererseits auf ihre charismatische Frontfrau lange nicht verzichten wollte. Wagenknecht kokettierte ihrerseits mehr als einmal mit einem Parteiaustritt. Ein erster Emanzipationsversuch mit der Sammlungsbewegung "Aufstehen" floppte 2018 allerdings.

Wagenknechts Partei ist links und rechts zugleich

Dass sie vergangenes Jahr dennoch den Bruch mit der Linken vollzog, ist für Beobachter ein zwangsläufiges Ergebnis. Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sagte: "Sie musste letztlich ihren eigenen Weg gehen, weil sie nicht kompromisswillig war." Wagenknecht gründete das nach ihr benannte Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und spaltete damit die Linksfraktion im Bundestag in zwei Teile. Nach SED, PDS und Linke ist es gewissermaßen bereits ihre vierte politische Partei.

Kompromisse muss Wagenknecht nun nicht mehr eingehen. Ein Programm brauchte das BSW lange nicht. Wagenknecht und ihre Positionen waren das Programm. In einem inzwischen niedergeschriebenen Wahlprogramm wechseln sich linke und rechte Positionen ab. So möchte die Partei etwa den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen, eine Vermögenssteuer einführen und die Schuldenbremse lockern. Andererseits spricht sich das BSW dafür aus, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, das auf europäischer Ebene beschlossene Aus für Verbrennungsmotoren zu kippen sowie die CO2-Abgabe zu streichen.

BSW mit Erfolgen im Osten

Ilko Sascha Kowalczuk
Ilko-Sascha Kowalczuk beschäftigt sich als Historiker schon viele Jahre mit der "Ostidentität. Bildrechte: imago images/Gerhard Leber

Kritiker sagen, im Kern trete Wagenknecht – ebenso wie die AfD – für einen autoritären Staat ein, für eine Diktatur der Mehrheit. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk schreibt in seinem Essay "Freiheitsschock" von einem "Prinzip Wagenknecht". Sie übertrete "unentwegt Grenzen zwischen rechtem und linken Populismus". Es gehe ihr nicht um Zusammenhalt, sondern um Destruktion. Minderheitenrechte spielten für Wagenknecht und das BSW keine Rolle, behauptet Kowalczuk.

Mit ihren Positionen punktet Wagenknecht, selbst in Jena geboren, bislang vor allem in Ostdeutschland. Nur Monate nach der Gründung brachte es das BSW zu Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg. In Sachsen wäre das anhand der Mehrheitsverhältnisse ebenso möglich gewesen. Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass es der Partei insbesondere gelang Stimmen von der AfD und den Linken abzuziehen.

Reibung mit der AfD

Nach den Erfolgen im Osten sanken die Umfragewerte für das BSW in den vergangenen Monaten allerdings wieder deutlich. Die Partei ringt mit der Fünf-Prozent-Hürde. Vielleicht zeigte sich Wagenknecht deshalb in jüngster Zeit öfter in der Diskussion mit Alice Weidel von der direkten politischen Konkurrenz. Dabei versuchte sie den Spagat zwischen inhaltlichem Schulterschluss und scharfer Kritik. So bezeichnete sie Weidel etwa als "unterwürfiges Fangirl" von Elon Musk. Zugleich teilte sie beispielsweise die Einschätzung von Weidel, dass sich der Meinungskorridor in der öffentlichen Debatte verengt habe.

Dabei darf Wagenknecht selbst ihre Ansichten weiterhin beinahe täglich in den Massenmedien äußern. Daran dürfte sich auch nach dem 23. Februar wenig ändern, egal ob ihr BSW den Einzug in den Bundestag schafft oder nicht. Denn die Faszination für die Person Sahra Wagenknecht wird wohl auch bei einer Wahl-Schlappe nicht vergehen.

Anmerkung der Redaktion Am 11. Februar spricht MDR AKTUELL Fernsehen mit Sahra Wagenknecht.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 11. Februar 2025 | 19:30 Uhr

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