
Parteien Bundesverband vs. Thüringen: Was der BSW-interne Streit bedeutet
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12. März 2025, 10:55 Uhr
Nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl rückt das angespannte Verhältnis zwischen der Bundespartei in Berlin und dem Thüringer Landesverband in den Mittelpunkt. Während die Parteispitze um Sahra Wagenknecht versuchte, das Projekt zentralistisch zu steuern, formierte sich in Thüringen eine zunehmend eigenständige politische Kraft. Die Wahlniederlage wirkte wie ein Katalysator für bestehende Spannungen. Wie konnte es dazu kommen? Und was bedeutet das für die Zukunft des BSW?
Ein Aufstieg mit abruptem Stillstand
Alles sah nach einer politischen Erfolgsgeschichte aus. Das Jahr 2024: Wie gemacht für das Bündnis Sahra Wagenknecht. Innerhalb weniger Monate war aus einer Idee eine Partei geworden, der Aufstieg gelang zunächst kometenhaft.
Der Parteigründung folgten schnell Achtungserfolge. Erst bei der Europawahl. Dann bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mit jeweils zweistelligen Ergebnissen. Besonders in Thüringen, wo die junge Partei mittlerweile in der Landesregierung sitzt, sah es so aus, als könne sich das BSW stabil verankern.
Doch dann folgte der jähe Dämpfer: Der Einzug in den Bundestag misslang – und mit diesem Misserfolg brachen schon länger gärende Konflikte offen aus.
Erfolg und Scheitern: Die Ausgangslage vor der Bundestagswahl
Noch wenige Monate vor der Bundestagswahl deutete vieles auf einen problemlosen Einzug des BSW in den Bundestag hin. Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde nahezu undenkbar. Die erste gewählte BSW-Fraktion im hohen Haus: Eine ausgemachte Sache.
Doch es sollte sich zeigen, dass Bundestagswahlen keine Europa- und schon gleich keine Landtagswahlen sind. Zumal die zentralen Themen des Bundestagswahlkampfs – Migration und Wirtschaft – anderen Parteien in die Hände spielten, aber nicht dem BSW.
Während AfD und Union die Debatte um Zuwanderung dominierten, verlor das BSW an Profil. Das frühere Alleinstellungsmerkmal - eine pazifistisch geprägte Außenpolitik - spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle, sodass Wagenknecht kaum thematische Schwerpunkte mit Alleinstellungsmerkmal setzen konnte.
Zudem gab es strukturelle Probleme. Die restriktive Mitgliederaufnahme des BSW führte dazu, dass die Partei kaum Wahlkampfstrukturen aufbauen konnte. Während andere Parteien tausende Helfer mobilisierten, kämpfte das BSW mit einer dünnen Personaldecke.
Eine mögliche Konsequenz: Das enttäuschende Wahlergebnis. Mit knapp unter fünf Prozent scheiterte das Bündnis an der entscheidenden Hürde - und verpasste damit nicht nur den Einzug in den Bundestag, sondern auch eine auskömmlichere, staatliche Parteienfinanzierung.
Bundespartei vs. Thüringer Landesverband: Ein wachsender Riss
Die Niederlage vom Wahlabend: Sie führte zu einem offenen Streit innerhalb der Partei, ausgetragen auf offener Bühne. Während die Bundesführung die Ursachen eher extern suchte, gab es unter anderem im Thüringer Landesverband eine andere Wahrnehmung.
Für diesen nämlich war die Bundestagswahl zwar eine Zäsur, aber keine Katastrophe. Viele Thüringer Funktionäre sehen das BSW weiterhin als relevante Kraft auf Landesebene und plädieren für eine stärkere Fokussierung auf regionale Themen.
Doch diese Idee kollidiert mit dem Ansatz der Bundesführung, die das BSW weiterhin als eine stark zentralisierte Bewegung betrachtet. Gerade in Thüringen wollen sich jedoch nicht alle in die enge, aus Berlin vorgegebene Parteidisziplin einfügen. Das hatte der Landesverband bereits Ende vergangenen Jahres bewiesen, als er sich gegen Widerstände aus der Bundesspitze durchsetze und nach langen Sondierungen einen Koalitionsvertrag mit CDU und SPD aushandelte.
Die Suche nach Schuldigen: Interner Machtkampf eskaliert
In den Tagen nach der Wahl geriet die Parteiführung unter Beschuss. Kritiker warfen Wagenknecht vor, die Partei zu stark auf ihre eigene Person ausgerichtet zu haben. Der Versuch, ein "One-Woman-Projekt" als Partei zu etablieren, sei gescheitert.
Besonders heftig wurde über die Frage gestritten, ob der Thüringer Landesverband eine Mitschuld an der Wahlniederlage trage. Während Funktionäre aus Berlin argumentierten, dass die Regierungsbeteiligung in Thüringen dem BSW geschadet habe, widersprachen Thüringer Politiker dieser Darstellung vehement.
Ein Beispiel für die Eskalation der internen Konflikte war eine öffentliche E-Mail-Debatte zwischen hochrangigen Parteimitgliedern. In einer geleakten Nachricht warf ein Funktionär aus Rheinland-Pfalz, seines Zeichens Beisitzer im Bundesvorstand, der Thüringer Parteiführung vor, nicht genügend Wahlkampf gemacht zu haben.
Daraufhin konterte Katja Wolf mit dem Vorwurf, dass der Bundesvorstand eine zu undurchsichtige Personalpolitik betreibe. Ausgang des Streits: Ungewiss.
Quo vadis, BSW? Drei Szenarien für die Zukunft
Das BSW steht an einem Scheideweg. Denkbar erscheinen momentan vor allem drei Szenarien. Erstens: Der Bundesvorstand setzt sich durch. Wagenknecht bleibt an der Spitze, die Partei weiterhin stark zentralisiert. Der Thüringer Landesverband würde sich in diesem Falle unterordnen oder sich abspalten müssen.
Zweitens: Das BSW wird eine dezentrale Partei. Das hieße: Die Landesverbände erhalten mehr Autonomie, Thüringen würde eine Art Modellregion für das BSW werden. Dies könnte der Partei helfen, sich langfristig zu etablieren, birgt aber die Gefahr innerer Zersplitterung.
Drittens: Das BSW scheitert endgültig. Sollte Wagenknecht sich zurückziehen, könnte das BSW auseinanderbrechen. Ohne eine starke Führungspersönlichkeit würde es schwer, die Partei als bundesweit relevante Kraft zu erhalten.
Fazit: Ein Experiment am Wendepunkt
Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat sich innerhalb kürzester Zeit von einer politischen Hoffnung zur Krisenpartei entwickelt. Die Spannungen zwischen der Bundesführung und dem Thüringer Landesverband zeigen, dass das Projekt an strukturellen Problemen leidet. Ob das BSW überlebt, wird in den nächsten Monaten entschieden.
Klar ist: Ohne eine klare Strategie und eine Lösung des internen Machtkampfs droht die Partei in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Bundestagswahl war ein Weckruf - doch ob das BSW daraus die richtigen Lehren zieht, bleibt abzuwarten.
In der Sendung Fakt ist! Aus Erfurt können Sie zum Thema BSW mitdiskutieren
Wer oder was ist schuld daran, dass das BSW bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist? Flammt jetzt der Streit zwischen der Bundespartei und den Landesverbänden erneut auf? Inwiefern wird die Arbeit des BSW in der Thüringer Koalitionsregierung erschwert? Diese und andere Fragen diskutieren BSW-Mitglieder und -wähler und interessierte Bürger mit der Thüringer BSW-Vorsitzenden Katja Wolf, dem BSW-Bundesvorstandsmitglied Shervin Haghsheno und dem Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz.
In der Sendung Fakt ist! Aus Erfurt am Mittwochabend ab 20:15 Uhr im Livestream auf MDR.DE oder im MDR FERNSEHEN.
Bereits ab 18 Uhr können Sie im Chat mitdiskutieren:
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! Aus Erfurt | 12. März 2025 | 20:15 Uhr
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