Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Verstärkte öffentliche Fahndung
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31. März 2019, 05:01 Uhr
Nach Albrechts Flucht in die DDR hatte die Staatsanwaltschaft zunächst 5.000 DM als Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die zu Albrechts Festnahme führen. Später wurde die Belohnung auf 20.000 DM erhöht. Im Mai 1985 hält das BKA eine weitere Erhöhung auf 50.000 DM für notwendig. Mit der erhöhten Belohnung sollen - ähnlich wie im linksterroristischen Bereich - Mitwisser angesprochen werden, die ihr Wissen nur gegen viel Geld preisgeben wollen. Die Gründe: Der Gesuchte lebe "gegenwärtig nach gesicherten Informationen" zeitweilig in Beirut. Albrecht reise "mit einiger Wahrscheinlichkeit" konspirativ und mit Falschpapieren ausgestattet nach Europa und nehme "gelegentlich" Kontakte in die Bundesrepublik auf. Nach Informationen des BKA ist Albrecht nach seiner Ausreise aus der DDR unter dem Decknamen "Hell" in Beirut aufgetaucht. Dort habe er versucht, die ehemaligen Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann für sich zu gewinnen. Außerdem unterhalte Albrecht Verbindungen zu "Armenischen Geheimarmee zur Befreiung Armeniens".
Das Bundesinnenministerium hält nichts von einer höheren Belohnung. Das Ministerium streitet deshalb mit dem Bundeskriminalamt über die richtige Einschätzung Albrechts. Ist er ein gewöhnlicher Krimineller oder ein Terrorist? Die Straftaten Albrechts seien nicht mit dem Linksterrorismus vergleichbar, heißt es aus Bonn. Es handele sich eher um allgemeine Kriminalität. Da sich Albrecht wahrscheinlich im Ausland aufhalte, seien "nationale Auslobungsmaßnahmen" nicht nötig. Und: "Beweise, dass Albrecht zielgerichtet den Kampf etwa der Palästinenser gegen Israel unterstützt, liegen bisher jedenfalls nicht vor." Die bisherigen 20.000 DM Belohnung seien bereits eine Ausnahme.
Politische Kriminalität?
Das Bundeskriminalamt ist mit der Entscheidung des Ministeriums nicht einverstanden und widerspricht heftig. Albrecht sei "ein äußerst gefährlicher Rechtsbrecher im Kriminalitätsfeld Rechtsextremismus/-terrorismus mit außergewöhnlich tatfördernden Verbindungen zu nahöstlichen Terrorszene", schreiben die Ermittler aus Wiesbaden. Albrechts Straftaten seien "ganz überwiegend politisch motiviert". Und weiter: "Der terroristische Gesamtzusammenhang ist bei der Persönlichkeit des Albrecht unstrittig." In der Vergangenheit seien bereits "Personen aus dem mittelbaren/unmittelbaren Umfeld" von Albrecht in Athen und Beirut gehört worden. Bereits bei 20.000 DM Belohnung hätten die Befragten "eine gewisse Informationsbereitschaft und Zusammenarbeit angedeutet". Zum Schluss bringen die Fahnder noch ein politisches Argument: Mit der verstärkten öffentlichen Fahndung nach Albrecht könne "dem teilweise in der Öffentlichkeit bestehenden Vorurteil entgegengewirkt werden, Rechts- und Linksterrorismus würden nicht mit gleicher Intensität verfolgt werden." Das Bundesinnenministerium bleibt bei seiner Linie: Trotz der weiteren Argumente bleibt es bei 20.000 DM Belohnung.
Im November 1986 verstärkt das Bundeskriminalamt die öffentliche Fahndung nach Albrecht. Mit fast 30.000 Plakaten und Medienberichten soll Albrecht gefasst werden. In der Pressemitteilung wird Albrecht als "eine brisante Mischung von gewaltbereiten Rechtsextremisten und allgemeinkriminellen Intensivtäter" beschrieben. Das BKA gehe "begründet" davon aus, dass Albrecht "nach wie vor enge Kontakte zu ausländischen Terrorgruppen" unterhalte. Er soll sich im Nahen Osten, Südeuropa und Nordafrika aufhalten und spreche arabisch, englisch, französisch, griechisch und russisch. Der Gesuchte sei "wandlungsfähig" und verstehe es, "sich seinem jeweiligen Lebensraum anzupassen". Hinweise nehme jede Polizeidienststelle entgegen. 1994 muss das Bundeskriminalamt eingestehen: Anhaltspunkte zum möglichen Aufenthaltsort haben sich nicht ergeben.
Im Dezember 1986 telefoniert Anwalt Schöttler mit dem BKA. Er gibt an, dass er keine Verbindungen zu Albrecht habe. Vor etwa einem Jahr sei er in Damaskus gewesen und habe sich dort nach dem Flüchtigen erkundigt. Er habe aber keine Informationen erhalten.
Im Verfassungsschutzbericht 1986 heißt es: "Die Fahndung nach dem mit internationalem Haftbefehl gesuchten deutschen rechtsextremistischen und allgemein kriminellen Gewalttäter Udo Albrecht (46) wurde intensiviert." Aufgrund seiner "vielfältigen Kontakte zu ausländischen, insbesondere palästinensischen Terrorgruppen muss davon ausgegangen werden, dass sich Albrecht vorwiegend im Nahen Osten aufhält."
Albrecht im roten Manta unterwegs?
Im September 1987 gibt es neue Gerüchte um Albrecht. Laut BKA soll sich Albrecht nach dem Bruch zwischen PLO und den armenischen Terroristen in den Jemen abgesetzt haben. Möglicherweise gehe es um eine medizinische Behandlung. Das BKA informierte die deutschen Botschaften in Nord- und Südjemen, die offizielle Anfragen an die jeweiligen Regierungen stellten. Ergebnisse sind nicht dokumentiert.
Im Sommer 1988 gibt es möglicherweise eine heiße Spur von Albrecht: Angeblich, so hat die DDR-Staatssicherheit erfahren, ist Albrecht mit einem roten Opel Manta in Österreich unterwegs. Die Bundesrepublik habe ein Auslieferungsersuchen gestellt, jetzt sei Albrecht in Österreich zur Fahndung ausgeschrieben.
Das Geheimnis des Schweizer Schließfaches
Im November 1988 wird bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich ein verwaistes Schließfach gewaltsam geöffnet. Als Inhaber gilt ein Dr. Hartmann Adolf Siegfried. Tatsächlich hat Albrecht das Fach angemietet. In zwei Aktenkoffern werden nicht nur gestohlene Schecks, die vom Raubüberfall 1976 in Heek stammen, gefunden, sondern auch falsche Reisepässe, Blanko-Pässe, Setzkästen für Stempel, Fälscherwerkzeug, 200 Schuss Munition, polizeiliche und gerichtliche Dokumente, Zeitungsausschnitte, Briefe, Fotos. Die Kantonspolizei übernimmt die Ermittlungen. Später stellt sich heraus: Im April 1980 wurde das Fach nachgewiesenermaßen letztmalig geöffnet.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr