Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Der geheimnisvolle "Rolf Jung"
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31. März 2019, 05:00 Uhr
Zurück in Westdeutschland trifft sich Albrecht erneut mit "Jung". Albrecht gibt einen positiven Bericht über die Situation im Libanon. Doch statt ein konkretes Geschäftsangebot zu unterbreiten, fragt "Jung" Albrecht weiter nach der politischen Situation aus. Bei diesem Gespräch, so Albrecht später, sei er stutzig geworden. Auch hätte "Jung" recht genaue Informationen über sein Leben und vor allem über die Vorstrafen gehabt. Irgendwann fragt Albrecht "Jung", für welche deutsche Sicherheitsbehörde er arbeite. "Jung" wiegelt ab. Er arbeite für eine geheime europäische Kommission. Die Namen Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt fallen. Es gehe darum, den wirtschaftlich wichtigen Ölraum zu stabilisieren. Deshalb seien diskrete geheime Kontakte zu den maßgeblichen PLO-Führern notwendig. Nach Aussage von Albrecht versucht "Jung", Informationen über die PLO zu bekommen und Albrecht zur Spionage gegen die PLO anzuwerben.
"Jung" will RAF-Terroristin haben
Albrecht, der "Jung" für einen bundesdeutschen Geheimdienstmitarbeiter hält, lehnt nach eigener Aussage ab und informiert den Sicherheitsdienst der PLO über "diesen komischen Kontakt". Gleichzeitig bereitet er ein Treffen zwischen PLO-Sicherheitschef Atef Bseiso und "Jung" vor. Angeblich gibt "Jung" auch Geheimdienstinformationen über die PLO-Botschaft in Bonn preis. Dort würden zwei Mossad-Agenten arbeiten. Außerdem sei das Gebäude total verwanzt. Bevor Unterlagen auf dem Tisch des Repräsentanten landen würden, seien diese Papiere bereits beim israelischen Geheimdienst. Albrecht gibt diese Informationen an die Palästinenser weiter. "Jung" will von Albrecht wissen, ob er im Nahen Osten einem deutschen Linksterroristen begegnet sei. Die deutschen Sicherheitsbehörden bräuchten einen Fahndungserfolg. Albrecht lehnt ab: "Erstens habe ich kein Interesse gerade diesem Staat", so sagt er später seinen Stasi-Vernehmern in der DDR, "der mich ewig mit eingesperrt hat und mich in Gefängnissen krank und kaputt gemacht hat, den da evtl. noch zu helfen, ich habe im Grunde meine Freude daran, wenn da irgendwie, ganz egal, wer da was macht, Hauptsache sie reißen den da drüben den Arsch auf, mal so ausgedrückt."
"Jung" lässt nicht locker. Eine Million Dollar soll Albrecht den Palästinensern bieten, wenn sie einen Terroristen, wie zum Beispiel das RAF-Mitglied Susanne Albrecht, ausliefern würden. Albrecht lehnt ab. Später erzählt Albrecht den Palästinensern, dass er die Idee gehabt habe, "Jung" in eine Falle zu locken und zu kidnappen. Ziel sei es gewesen, "Jungs" Hintergründe herauszufinden. Er habe auch den Gedanken gehabt, auf "Jungs" Angebot nach der Auslieferung eines Linksterroristen zum Schein einzugehen und ihn zusammen mit der einen Million Mark Belohnung festzusetzen. "Jung" wäre ein "wunderbares Faustpfand" gewesen.
Auch sonst versucht "Jung" Albrecht unter Druck zu setzen. Als Druckmittel dienen angebliche kriminelle Taten, die Albrecht angelastet werden bzw. in die er verwickelt sein soll. Angeblich bietet er Unterstützung bei dem Nahost-Geschäft an, wenn Albrecht im Gegenzug politische und wirtschaftliche Informationen aus dem Libanon bzw. Syrien liefere. Und es gibt noch ein zweites Angebot: Sollte Albrecht über alle begangenen Straftaten auspacken, ein "Lebensgeständnis" ablegen und sein gesamtes Wissen über die rechtsradikale Szene offenbaren, gebe eine Legalisierung für alle begangenen Straftaten. Angeblich redet Albrecht.
Am 8. März 1980 reist Albrecht zusammen mit seiner griechischstämmigen Geliebten nach Ostberlin. Das Paar steigt im Palasthotel ab. Am nächsten Tag kommt das Paar nochmals: Wieder geht es mit dem Auto von West-Berlin zum Palasthotel. Dort ist ein Treffen mit Amin und Atef geplant. Albrecht will den hochrangigen PLO-Geheimdienstmännern Unterlagen übergeben. "Dabei handelte es sich einmal um Adressenmaterial und Angaben über Geschäftsbeziehungen, die im Zusammenhang mit dem Kauf und dem Transport von Waffen für die PLO bestanden." Er übergibt auch Unterlagen zur "Wehrsportgruppe Hoffmann". Außerdem soll er sich mit Abu Daud getroffen haben, der sich auch gerade im Ost-Berliner Palasthotel aufhält. Beim Grenzübergang gibt es für Albrecht Probleme. Albrecht ist verunsichert. "Ich glaube nun doch, dass man etwas gegen mich hat."
Am 18. März 1980 landet Albrecht in Beirut. Am nächsten Tag geht es weiter nach Jugoslawien. Bereits am 20. März reist er nach Österreich weiter. In den kommenden Monaten landet Albrecht immer wieder im Nahen Osten. Laut den Stempeln in seinem Reisepass kommt er bereits am 24. März erneut nach Beirut. Er bleibt bis Anfang April.
Ende März 1980 bricht der erste Gebrauchtwagen-Konvoi Richtung Süden auf. Doch die Lieferung für die PLO scheitert. Die Unimogs und VW-Kübel bleiben im syrischen Hafen Tartus stehen. Der Grund sind wohl zollrechtliche Probleme. Die Begleiter sind verschwunden.
Hoffmann und die PLO
Ende März geht Albrecht zusammen mit Hoffmann in den Libanon. Albrecht führt Hoffmann bei der PLO ein. Sie treffen dort auf führende Köpfe der palästinensischen Widerstandsbewegung. Doch die Palästinenser sind sich uneins, wie sie mit Hoffmann und seiner Wehrsportgruppe umgehen sollen. Die einen wollen die Gruppe zu "nachrichtendienstlichen Zwecken" in Westeuropa verwenden, andere hören auf die ostdeutsche Staatssicherheit, die von der Wehrsportgruppe als Partner abrät. Nach späteren Aussagen von Gröning ist Albrecht "sozusagen Hoffmanns Vorgesetzter und Hintermann in der PLO". Während die Presse immer wieder über Hoffmanns Wehrsportgruppe berichtet habe, "konnte Albrecht seine eigentliche Führungsrolle immer geschickt verdecken."
Am 8. April kehrt Albrecht erneut nach Beirut zurück und bleibt bis Anfang Mai. Mitte Mai ist er dann für einige Tage in Syrien. Zwischen beiden Ländern pendelt er in den nächsten Tagen mehrmals hin und her.
Grund könnte ein zweiter Gebrauchtwagen-Konvoi sein. Der ist am 1. Mai von Deutschland Richtung Süden gestartet. Nach ihrer Ankunft im Libanon ziehen die Deutschen in ein Palästinenser-Lager bei Beirut ein. Sofort bekommen sie Waffen ausgehändigt. Sport- und Schießausbildungen folgen. Gleichzeitig kommt es zwischen Albrecht und Hoffmann zu Spannungen. Die Chemie zwischen den beiden stimmt nicht. Offenbar will Albrecht den WSG-Chef beim Gebrauchtwagen-Geschäft ausbooten. Nach Albrechts Angaben gibt es Streit um die Geschäfte: "Daraus ergaben sich aus kleinen Anlässen heftige Streitereien, die schließlich in einem Fall fast zu einer Schießerei führten." Die beiden trennen sich. Albrecht geht im August zurück nach Deutschland. Nach eigenen Angaben werden in der ersten Jahreshälfte 1980 insgesamt sieben geländegängige Militärfahrzeuge von Hoffmann und Albrecht nach Beirut geliefert.
Nicht nur mit Hoffmann gibt es Stress, auch mit "Jung". Albrecht fühlt sich von dem geheimnisvollen Mann erpresst. Immer wieder soll er sich mit ihm treffen - wenn nicht, so droht angeblich "Jung", werde ein Haftbefehl gegen Albrecht ausgestellt.
Tipp von "Jung"
Am 13. Mai 1980 werden bei einer Routine-Kontrolle an holländischer Grenze bei Niederdorf Gröning und Kohnert festgenommen. Sie haben Waffen, eine Maschinenpistole, eine Ceska und eine Handgranate sowie Munition, in ihrem Opel Rekord versteckt. Das Brisante: Der Handgranaten-Typ soll auch von "Carlos", dem Terroristen, der für zahlreiche internationale Anschläge verantwortlich ist, und beim Münchner Olympia Attentat verwendet worden sein. Der Haftbefehl wird noch am 13. Mai erlassen. Beide werden im Sommer 1981 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Prozess belastet Gröning Albrecht als "einen der Ideenproduzenten".
Während Gröning und Kohnert festgenommen werden, ist Albrecht im Libanon. Dort erreicht ihn ein Fax: "Deine beiden Brüder sind für längere Zeit in Schweden, verlängere auch Du Deinen Urlaub im Libanon". Abgeschickt haben es seine Vermieterin und seine Geliebte. Den Tipp haben die beiden Frauen von dem geheimnisvollen Mann namens "Jung" erhalten. Später wird gegen "Jung" wegen versuchter Strafvereitlung ermittelt. Das Verfahren wird allerdings eingestellt.
Im Frühjahr führt Albrecht "Jung" zu einem Waffenversteck an der belgischen Grenze. Dabei wird er nach eigenen Angaben von LKA Düsseldorf observiert. Die Chemie zwischen Albrecht und "Jung" stimmt nicht. Immer wieder kommt es Konflikten. Albrecht vertraut nach eigenen Angaben "Jung" nicht.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr