Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Albrecht unter Druck
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Anfang März 1981 wird in Heidelberg eine Bank überfallen. Die Beute: drei Millionen D-Mark. Es ist das gleiche Muster wie bei den Überfällen in Mannheim und Weinheim. Damit ist klar: Die Vorwürfe gegen Albrecht können so nicht stimmen. Zwar gebe es noch immer Verdachtsgründe, so die Staatsanwaltschaft, dass Albrecht an den Banküberfällen in Mannheim, Bensheim und Weinheim beteiligt war, aber Albrecht könne eine Täterschaft nicht nachgewiesen werden. Allerdings spreche viel dafür, dass dieselben Täter Anfang März eine Sparkasse in Heidelberg überfallen haben, zu diesem Zeitpunkt habe Albrecht allerdings in Untersuchungshaft gesessen. Der Haftbefehl wegen der genannten Banküberfälle wird aufgehoben. Albrecht bleibt aber in Haft, da die Vorwürfe zu den drei anderen Banküberfällen noch im Raum stehen. Außerdem wird ihm noch Waffenschmuggel vorgeworfen. Nach eigenen Angaben macht er keine Aussagen. Albrechts verzweifelt offenbar hinter Gittern. Ende Mai schreibt er einen langen Brief an Bundesinnenminister Baum. Er berichtet, wie er sich von "Jung" hintergangen fühlt. Er habe Kontakt zwischen "Jung" und der PLO hergestellt und sei trotzdem immer mehr unter Druck gesetzt worden.
Im Mai 1981 unternimmt Albrecht einen Ausbruchsversuch. Die Polizei geht davon aus, dass an den Fluchtvorbereitungen mehrere Personen beteiligt waren. Die Spezialschlüssel für seine Handschellen hat ein Sozialarbeiter eingeschleust, der das Vorhaben allerding verrät. Albrecht wird in das Hochsicherheitsgefängnis Bielefeld-Brackwede in Nordrhein-Westfalen überstellt. Später sagt Albrecht: "Mich hat ja in allen Haftanstalten immer nur eine Frage interessiert, wie komm ich aus dem Ding so schnell wie möglich wieder raus oder nicht. Danach habe ich immer die Anstalten beurteilt."
Verfassungsschutz: außergewöhnlich intelligenter Berufsverbrecher
Im April 1981 legt das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Analyse zu Albrecht vor. Die Beamten stellen die politische Motivation Albrechts infrage. Er wird als "außergewöhnlich intelligenter Berufsverbrecher" bezeichnet, "dessen Motivation für sein kriminelles Verhalten viel zu sehr im politischen Bereich gesehen werde."
Die Haft belastet Albrecht offenbar so sehr, dass er Ende Mai einen Selbstmordversuch unternimmt. Dann beginnt er offenbar zu plaudern: Er gesteht den Bochumer Bankraub und will einige seiner Depots verraten. Es ist ein ähnliches Angebot wie 1973 an die österreichischen Ermittler. In dem Depot sollen sich Waffen und Falschgeld befinden. Albrecht verrät nicht nur seine Depots, sondern spricht mit den Ermittlern auch über Waffen- und Sprengstofflieferungen für Terroristen. So will er unter anderem die palästinensischen Terroristen, die 1972 in München das Olympia-Attentat verübten, unterstützt haben. Ebenso will er den Sprengstoffanschlag auf eine israelische El-Al-Maschine im April 1980 in Zürich unterstützt haben. Intern zweifeln die Ermittler an seinen Aussagen. Das BKA spricht von "Zeitungswissen".
Wie gefährlich ist Albrecht für die PLO?
In der Zwischenzeit informiert die PLO die DDR über Udo Albrecht. Die Inhaftierung sei weder für die PLO noch für die DDR gefährlich, schätzen die Palästinenser ein. Albrecht sei schon in "viel schlimmeren Situationen" gewesen. In der Vergangenheit habe er nie über die PLO gesprochen. Es sei davon auszugehen, dass er "auch unter den zivilisierten Bedingungen der BRD nichts verraten" werde. Die PLO schicke ihm deshalb auch laufend Geld, "damit er im Gefängnis ein entsprechendes Leben führen kann". Auch später berichtet die PLO der Staatssicherheit immer wieder über Albrecht. Die Palästinenser schätzen ihn als Nationalisten und Antisemiten ein. Durch seine Teilnahme an verschiedenen Kämpfen genieße er eine hohe Wertschätzung.
Der DDR-Staatssicherheit sind die intensiven Kontakte zwischen dem Neonazi Albrecht und den Palästinensern nicht entgangen. Die Staatssicherheit sieht sie offenbar nicht gerne. Nach eigenen Angaben wurde die "Problematik" mehrfach bei Gesprächen der Staatssicherheit mit der PLO-Sicherheit angesprochen. Im Mai 1981 erklären die Palästinenser, dass nach der Inhaftierung Albrechts sowohl für die PLO als auch für die DDR "mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Gefahren ausgehen". Dafür gebe es zwei Gründe: Zum einen habe Albrecht in "komplizierten Situationen" niemals Aussagen gemacht und auch jetzt rechne man "fest mit seiner Standhaftigkeit". ´Zum anderen seien die Kontakte zu Albrecht vor allem geschäftlicher Natur. Er sei von den Palästinensern für seine Verdienste unterstützt worden. Deshalb habe er auch während seiner Haft finanzielle Hilfe erhalten.
Im Juni machen sich die Ermittler nach Dortmund und München auf, um die Erddepots von Albrecht zu öffnen. Im Garten eines ahnungslosen Hausbesitzers in der Berghofer Straße in Dortmund entdecken sie Waffen. Sie finden eine Maschinenpistole Schmeisser, Albrechts Lieblingswaffe, weil sie "Symbolwert" habe. Und sie entdecken eine Pistole Czeska, 580 Schuss, eine Pistole mit Schalldämpfer sowie Blanko-Fahrzeugpapiere. In München öffnen die Ermittler ein zweites Depot. Bei dem Termin ist Albrecht mit dabei. Mit Staatsanwalt und Polizeibeamten wird er im Hubschrauber nach München gebracht. Auf dem Gelände der Firma Fimex entdecken die Fahnder 12.000 Dollar Falschgeld in 50-Dollar-Blüten. Angeblich stammen die Blüten von Wehrsportgruppen-Führer Hoffmann. Albrecht will noch ein drittes Depot preisgeben. Dort soll eine Panzerfaust lagern. Am 24. Juli gibt es deshalb einen Ortstermin bei Eschwege an der innerdeutschen Grenze. Das Lager soll sich in der Nähe einer Treppe befinden. Es wird nicht entdeckt. Dort gibt es auch wohl nichts zu entdecken. Albrecht, so sagt er es später, will vielmehr in die DDR flüchten. Dies sei aber auf Grund der örtlichen Begebenheiten nicht möglich gewesen. Den Plan gibt er aber nicht auf.
Stasi und PLO beraten
Am 9. Juli treffen sich Vertreter der DDR-Staatssicherheit mit Mohamed Hejazi von der PLO-Sicherheit. Ziel ist es, laut Aktenvermerk, Informationen über die Wehrsportgruppe Hoffmann abzuschöpfen. Der PLO-Mann berichtet auch über Albrecht. Dieser habe einst die Verbindung zwischen Hoffmann und der PLO hergestellt. Er schildert Albrecht als einen "Nationalist und Antisemit". Seit 1969 sei er für die PLO aktiv gewesen. "Seine Beteiligung an den Kämpfen in Jordanien und bei anderen Einsätzen brachten ihm eine hohe Wertschätzung bei der PLO ein." Die MfS-Mitarbeiten raten dem Palästinenser, dass sich die PLO von allen verbliebenen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann trennen sollte. Die Leute sollten in andere Länder, nicht aber in sozialistische, gebracht werden. Gleichzeitig bitten die DDR-Geheimdienstler die PLO um alle Unterlagen über die Hoffmann-Leute.
Seit Anfang Juli 1981 stehen Joachim Gröning und Walter-Franz Kohnert von der "Wehrsportgruppe Ruhrgebiet" vor Gericht. Es geht um Banküberfälle, Kraftfahrzeugdiebstähle, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und illegalen Waffenbesitz. Beide Angeklagte legen im Laufe des Verfahrens umfangreiche Geständnisse ab. Trotzdem verhängt die Große Strafkammer des Landgerichts Kleve gegen die beiden Mitglieder der Gruppe hohe Haftstrafen: Sechs Jahre und sechs Monate für Gröning und zwei Jahre und sechs Monate für Kohnert. Mit dem Urteil geht das Gericht sogar über die Strafanträge der Staatsanwaltschaft hinaus. In dem Prozess hatte Gröning Hitler als sein Vorbild bezeichnet und aus seiner "Abneigung gegen Juden und Heger" keinen Hehl gemacht. Gleichzeitig teilt die Staatsanwaltschaft Münster, die das Verfahren beobachtet, mit, dass sie gegen Albrecht und seine Bande wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung neu ermittle.
Die Presse interessiert sich für Albrecht
Jahrelang macht Albrecht keine Schlagzeilen in der Presse. Er sitzt schließlich im Gefängnis. Erst im Sommer 1981 wird sein Name wieder in den Zeitungen erwähnt - allerdings nur am Rande. Es geht um die Verbindung deutscher Rechtsextremisten in den Nahen Osten. Rechte Deutsche und linke palästinensische Terroristen eint der gemeinsame Hass auf Juden und Israel. Albrecht, so wird unter Berufung auf Geheimdienstberichte und deutsche Sicherheitsstellen berichtet, habe "zusammen mit mehreren Gesinnungsfreunden ein Terroristen-Training in einem Camp in Libanon absolviert". Im Mittelpunkt der Berichterstattung über Verbindungen zwischen Rechtsextremisten und palästinensischen Terroristen steht immer wieder Karl-Heinz Hoffmann, der "Führer" der inzwischen verbotenen neonazistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann". So auch in einem ausführlichen "Spiegel"-Artikel. Albrecht wird auch hier nur am Rande erwähnt, allerdings als "eine besonders schillernde Figur im rechten Nahost-Business". Bereits seit Mitte der 1960er-Jahre habe sich Albrecht "auf seine Weise um die deutsch-arabische Freundschaft verdient" gemacht. Für ägyptische Verbindungsleute habe er in Deutschland ein "Hilfscorps Arabien" angeworben. 1975 seien in seinem Auftrag vier Jugendliche in Richtung Naher Osten aufgebrochen, um ausgediente Militärfahrzeuge zu überführen. In Sicherheitskreisen gelte Albrecht vor allem als Geschäftsmann. Die Sicherheitsbehörden seien sich sicher, dass Albrecht Karl-Heinz Hoffmann bei der Fatah eingeführt habe. Einen Monat nach der "Spiegel"-Veröffentlichung macht Albrecht noch mehr Schlagzeilen.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr