Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Fünfte Flucht
Hauptinhalt
31. März 2019, 05:00 Uhr
Die Reise geht mit dem Auto ins saudi-arabische Tabuk, dann weiter per Flugzeug nach Dschidda. Dort verschwindet "Manfred Kaiser". "Und genau diesen", so Wischnewski, "der uns so viele Geschichten erzählt hatte, wollten die Sicherheitsbehörden bei meiner Ankunft in München verhaften." Es war Udo Albrecht.
Im Rückblick, ein halbes Jahr später, stellt Albrecht den Vorgang in einem Schreiben an österreichische Behörden anders dar. Ihm geht es darum, sich als Opfer angeblicher bundesdeutscher Machenschaften darzustellen. Sein Kamerad und er hätten sich in Amman als Kaufleute ausgegeben. Das Sicherheitspersonal an der bundesdeutschen Botschaft habe aber festgestellt, dass ihre Pässe gefälscht seien. Dem Sicherheitspersonal sei es auch gelungen, sie zu identifizieren. "Wir wurden einige Tage in der Botschaft gefangen gehalten", so Albrecht. Dann sei er zu einem Auto geführt und aufgefordert worden einzusteigen. Er sollte nach Deutschland gebracht werden. "Ich weigerte mich und verlangte, weggehen zu können." Daraufhin sei ihm vom Geschäftsträger der Botschaft gesagt worden, dass er dann an die königlichen jordanischen Soldaten mit dem Hinweis ausgeliefert werde, dass er gegen sie als Freischärler gekämpft habe. "Ich erwiderte, dass er doch wisse, dass ich dann wahrscheinlich erschossen würde." Daraufhin habe der Diplomat geschrien: "Das liege an mir, seine Geduld sei zu Ende, entweder ich steige sofort ein oder er rufe die jordanische Polizei herbei." Ihm, Albrecht, sei nichts weiter übrig geblieben, als einzusteigen. Wischnewski habe zwei Meter daneben gestanden und so getan, als ginge ihn alles nichts an. Als weiteren Augenzeugen für diesen Vorgang benennt Albrecht den "Stern"-Journalisten Heidemann.
Flucht in letzer Minute
Dann sei er nach Dschidda "verschleppt" worden. "Für den Grenzübergang etc. wurde ein falscher Pass gestellt, den ich leider nicht in die Hände bekam." Während der Fahrt durch die Wüste sei ihm auch gedroht worden, "dass man immerhin auch die Möglichkeit habe, mich ‘auf der Flucht’ zu erschießen!!!" Kurz vor dem Betreten einer "Lufthansa"-Maschine sei es ihm gelungen, davonzurennen und sich "in den Schutz der dortigen Behörden" zu flüchten. Nachdem seine Angaben zur PLO geprüft worden seien, sei er nach Beirut ausgeflogen worden. Später finden die Ermittler ein Flugticket für "Manfred Kaiser" vom 26. September 1970 von Dschidda über Beirut und Rom nach Köln. Nach seiner Flucht, so Albrecht, hätten die bundesdeutschen Behörden versucht, Albrecht von der saudi-arabischen Polizei zurückzubekommen. Er werde in der Bundesrepublik wegen Kapitalverbrechen gesucht, so die Begründung.
Albrecht widerspricht auch der öffentlichen Darstellung Wischnewskis, er habe die Identität Albrechts nicht gekannt: "Das ist eine glatte Lüge. Gegenüber arabischen Vertretern verdächtigte er mich des Verrats und behauptete, ich hätte in der Botschaft in Amman über Geheimdokumente aus einem Sonderbüro der Befreiungsbewegung ausgesagt." Aufgrund dieser Behauptung habe er sich in Beirut vor einem "Revolutionskomitee" verantworten müssen. Man habe ihm aber schließlich geglaubt. "Immerhin hätte mich dieser heimtückische Anschlag leicht den Kopf kosten können, was offensichtlich auch beabsichtigt war."
Anruf bei Heidemann
Anfang Oktober ruft Albrecht aus Beirut bei "Stern"-Reporter Gerd Heidemann an. Er erzählt ihm, dass es ihm gelungen sei, nach Beirut zurückzukehren und er wieder für die Fatah arbeite. Mit seinem Kampfeinsatz hat sich Albrecht die Achtung und das Vertrauen der Fatah erworben. Albrecht fragt, ob es Heidemann gelungen sei, sein Dokumenten- und Geld-Depot zu sichern. Heidemann verneint. Das von Albrecht bezeichnete Versteck sei von jordanischen Soldaten bewacht worden. Albrecht hinterlässt bei dem Journalisten seine Kontaktdaten in Beirut.
In Beirut erledigt Albrecht nach eigenen Angaben Büroarbeiten. Albrecht sagt später aus, dass er im Auftrag der Fatah zwei Waffen- und Sprengmitteltransporte in die Schweiz organisiert habe. Die Waffen seien für Anschläge der Terrorgruppe "Schwarzen September" von Ali Hassan Salameh auf israelische Vertretungen bestimmt gewesen. Konkret sei es um auf einen Aufschlag auf die Israelische Botschaft in Bern gegangen. Laut Willi Pohl, Albrechts Knast-Bekanntschaft, vereinbarten die PLO und Albrecht eine intensivere Zusammenarbeit. Deutsche Neonazis dürfen im Libanon einen Stützpunkt errichten, im Gegenzug unterstützen sie die Palästinenser beim Kampf. Denn sie haben ein gemeinsames Ziel: die Zerstörung Israels. Doch Albrecht soll nicht nur Kämpfer in der rechten Szene rekrutieren, sondern auch die Szene aufklären und Informationen liefern.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr