Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Festnahme
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31. März 2019, 05:00 Uhr
Im Sommer 1980 ist Albrecht in Europa und dem Nahen Osten unterwegs. Vom 16. bis 19. Juli 1980 reist er über Spanien nach Lissabon um dort Waffengeschäft für die PLO zu erledigen. Ende Juli / Anfang August 1980 fliegt er erneut nach Beirut. Am 25. August kommt er über Zürich zurück nach Deutschland. Er meldet sich nicht wie sonst bei "Jung". Am 27. August 1980 stellt das Amtsgericht Mannheim einen Haftbefehl gegen Albrecht aus. Ihm werden Banküberfälle in Bochum, Mannheim (22.2.1979), Bensheim (10.12.1979) und Weinheim (31.1.1980) zur Last gelegt.
Am nächsten Tag wird er in der Wohnung einer Bekannten in Dortmund durch das SEK festgenommen. Die Beamten sind als Telefontechniker getarnt. Albrecht kommt nach Mannheim in Haft. Für ihn sind die Vorwürfe eine Fälschung. Zum fraglichen Tatzeitpunkt sei er in Beirut gewesen. Er ist verunsichert. Wer steckt hinter den Vorwürfen? Die Israelis? Albrecht will "Jung" als Zeugen haben. Doch angeblich stellen sich Verteidiger, Staatsanwalt und Ermittlungsbeamte stur.
Grundlage für den Haftbefehl sind auch Aussagen eines Mittäters und Häftlings, der Albrecht als "Haupttäter" bezichtigt. Auch Zeugen hätten ihn auf Fotos erkennt. Laut Albrecht wurde er von Buttgereit angeschwärzt. Tatsächlich packt Buttgereit aus, als die zuständige Oberstaatsanwaltschaft ihm Straffreiheit zusagt, falls er sich selbst belaste. Albrecht gibt nach eigenen Angaben nur den Banküberfall in Bochum zu.
Wer ist "Jung"?
In Mannheim kommt Albrecht sofort in "Sonderhaft". Grund sind seine bisherigen Fluchtversuche und Ausbrüche. Gemeinschaftsveranstaltungen und ein Fernseher sind für ihn tabu. Der österreichische Rechtsextremist Kienesberger schickt Albrecht 3.000 Mark. Jetzt sind die beiden wieder quitt. Die Haftbedingungen setzen Albrecht offenbar zu. Sein psychischer Zustand sei inzwischen "höchst bedenklich", so sein Anwalt. Albrecht wittere ein großes Komplott von "Jung" gegen ihn. Albrecht fühlt sich von "Jung" verraten und hereingelegt, obwohl er mit ihm kooperiert hatte. Der Anwalt schreibt in seiner Beschwerde an das Amtsgericht: "Es wäre gut, wenn diese Beschuldigungen sich als bloße Hirngespinste meines Mandanten erweisen würden." Allerdings wäre es auch nach vier Monaten Untersuchungshaft noch nicht möglich gewesen, Akteneinsicht zu erhalten.
Im November 1980 berichten Zeitungen über den Fall. Albrecht wird darin als "General" tituliert. Er sei nach Ansicht der Bundesanwaltschaft "eine der schillerndsten Figuren in der kriminellen Szene". Nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Klaas, so die Zeitung, floss die Millionenbeute aus den Banküberfällen in den Untergrundkampf einer rechtsradikalen "kriminellen Vereinigung". Allerdings schweige Albrecht. Ein Geständnis gebe es nicht.
Am 23. Dezember 1980 beantragt Albrechts Anwalt Bock beim Mannheimer Amtsgericht, "die verschärften Haftbedingungen" zu beenden. Außerdem gibt Bock mehrere Aussagen Albrechts wieder, die sich auf die Rolle von "Jung" beziehen. Sein Mandant sei überzeugt, dass er "vorsätzlich" als falscher Weinheimer Bankräuber aufgebaut werde. Albrecht werfe den Behörden Beweisunterdrückung, falsche Zeugen und Erpressung von Falschaussagen vor. Anwalt Bock bittet das Gericht darum, Albrechts Aussagen zu prüfen. Außerdem werde ihm als Verteidiger seit vier Monaten die Akteneinsicht verweigert.
Im Februar 1981 legt der Bundesnachrichtendienst ein Gutachten zu Albrechts Reisepass E 7548237 vor. Ziel ist es, anhand der Grenzkontrollstempel und Visa seine Reisewege zu klären. Den Ermittlern gelingt es so, die Reisewege Albrechts zwischen Januar 1980 und August 1980 nachzuvollziehen.
Im Gefängnis berichtet Albrecht LKA-Beamten, dass er seit Ende 1979 Kontakt zu einem "Sicherheitsbeamten namens Jung" gehabt habe. Gegenüber "Jung" habe er ausführlich über seine Waffen-Schieberein gesprochen. Mit "Jung" sei er in Belgien gewesen und es gebe einen heimlichen Tonbandmitschnitt eines Gespräches zwischen Albrecht und dem geheimnisvollen Mann. "Jung" habe ihm eine "Legalisierung" seiner LKW-Geschäfte angeboten, wenn er an "Jung" Informationen liefere. Darauf habe er sich eingelassen. Der Mann habe verlangt, dass Albrecht zuvor eine "Lebensbeichte" ablege. Offiziell will Albrecht nichts weiter sagen. "Möglicherweise werde ich weiter aussagen, wenn dieser Jung in die Ermittlungsmaßnahmen mit einbezogen worden ist." Dem Landeskriminalamt ist die Identität von "Jung" offenbar klar. Er wird vorgeladen. Gleichzeitig versuchen die Beamten, den heimlichen Tonbandmitschnitt auszuwerten. Doch sie hören nur ein Rauschen, Gesprächsfetzen und offenbar einen Flug in einem Flugzeug. Sie bitten die Herstellerfirma und den Süddeutschen Rundfunk, um eine Auswertung. Es werden keine verwertbaren Informationen gefunden. Am 5. Februar treffen die Ermittler "Rolf Jung" nicht auf einer Polizeiwache, sondern im Flughafenhotel Stuttgart. "Jung" stellt zunächst klar, dass dies sein "Arbeitsname" sei. Er recherchiere für "verschiedene Stellen". Sein Ziel bei Albrecht sei es gewesen, ihn "informationsmäßig passiv abzuschöpfen". Dann berichtet "Jung" über seine ersten Treffen mit Albrecht in Frankfurt und Köln. Und was ihm Albrecht über den Ablauf seiner Libanon-Reise im Februar 1980 berichtet habe. Aus der Gesprächsnotiz geht nicht hervor, in wessen Auftrag "Jung" versucht hat, an Albrecht heranzukommen. Geht es ihm tatsächlich nur um Informationsabschöpfung?
Im Februar 1981 erstattet Albrecht aus der Mannheimer Untersuchungshaft heraus mehrere Strafanzeigen. Sie richten sich gegen LKA-Beamte, einen Mannheimer Oberstaatsanwalt und einen Richter am Mannheimer Amtsgericht. Sie richtet sich aber auch gegen den "Terroristenfahnder JUNG". Ihnen allen wirft Albrecht Nötigung, Erpressung, vorsätzliche Verfolgung Unschuldiger und Freiheitsberaubung im Amt vor. Ziel der Beschuldigten sei es, ihn zu brechen und in den Selbstmord zu treiben.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr