Konjunktur Deutsche Wirtschaft wächst überraschend – Stagnation im Osten
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30. Oktober 2024, 14:12 Uhr
Nach einem Rückgang im zweiten Quartal ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal überraschend gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg preis-, saison- und kalenderbereinigt verglichen mit dem Vorquartal um 0,2 Prozent. Die Stimmung in der ostdeutschen Wirtschaft dagegen veränderte sich kaum. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland blieb im Oktober nahezu unverändert.
- Bruttoinlandsprodukt wächst leicht
- Habeck hält deutsche Wirtschaft für robust
- Ifo-Institut: Geschäftsklima im Osten stagniert
- Zahl der Arbeitslosen im Oktober nahezu unverändert
Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal entgegen den Erwartungen gewachsen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, legte das Bruttoinlandsprodukt von Juli bis September um 0,2 Prozent zu. Verantwortlich dafür seien vor allem staatliche und private Konsumausgaben. Die deutsche Wirtschaft steckt eigentlich in einer Konjunkturflaute. Noch im Frühjahr war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent geschrumpft. Ökonomen hatten deshalb im Sommer mit einem weiteren leichten Rückgang gerechnet.
Deutschland entgeht technischer Rezession
Nach dem überraschenden Wachstum im dritten Quartal entgeht Deutschland einer sogenannten technischen Rezession, die allgemein erwartet worden war. Das Statistikamt korrigierte allerdings das Minus vom zweiten Quartal deutlich nach unten. Eine technische Rezession ist gegeben, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft. Im zweiten Quartal betrug das Minus nach aktualisierten Angaben des Statistikamts nun 0,3 Prozent statt 0,1 Prozent. Für das dritte Quartal war ein weiterer Rückgang erwartet worden – allerdings legten dem Statistikamt zufolge vor allem die staatlichen und die privaten Konsumausgaben zu.
Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ergibt sich für das BIP im dritten Quartal preisbereinigt ebenfalls ein Plus von 0,2 Prozent. Preis- und kalenderbereinigt war es hingegen um 0,2 Prozent niedriger, da ein Arbeitstag mehr zur Verfügung stand als im vergangenen Jahr. Details zu den Konjunkturzahlen sollen am 22. November veröffentlicht werden.
Irland verzeichnet zuletzt größtes Wirtschaftswachstum
Im Schnitt aller 27 EU-Länder stieg das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland Eurostat zufolge im dritten Quartal um 0,3 Prozent an. Besonders deutliche Zuwächse gab es in Irland (plus 2,0 Prozent), Litauen (plus 1,1 Prozent) und Spanien (plus 0,8 Prozent). Schlusslichter waren Ungarn (minus 0,7 Prozent), Lettland (minus 0,4 Prozent) und Schweden (minus 0,1 Prozent). Verglichen mit dem dritten Quartal 2023 wuchs das BIP in den 20 Ländern mit dem Euro wie auch in der gesamten EU um 0,9 Prozent, wie Eurostat weiter mitteilte.
Institute: Bruttoinlandsprodukt kommt nicht vom Fleck
Experten sind sich weitgehend einig darin, dass das Wachstum überraschend kommt und eine gute Nachricht ist – allerdings wenig an der generellen Lage ändert. KfW-Konjunkturexperte Philipp Scheuermeyer erklärte, seit gut zwei Jahren sei die deutsche Wirtschaft in einer "Wellblechkonjunktur gefangen". Negative und positive Wachstumsraten wechselten sich ab und unterm Strich komme das Bruttoinlandsprodukt nicht vom Fleck. Er verwies auf strukturelle Probleme, eine gesunkene internationale Wettbewerbsfähigkeit und eine schwache Binnennachfrage.
Nils Jannsen vom IfW Kiel betonte, das BIP sei derzeit kaum höher als im Jahr 2019 und somit "in den vergangenen fünf Jahren praktisch nicht gestiegen". Auch im europäischen und internationalen Vergleich hinke Deutschland hinterher.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärte, Deutschland bleibe trotz des "leichten Hoffnungsschimmers" im dritten Quartal das "Sorgenkind der EU". Auf Jahressicht rechnet das Institut immer noch mit einer Rezession.
Das Münchner Ifo-Institut hält die Erholung des privaten Konsums im dritten Quartal für zögerlich und prognostizierte, dass sich an der Zurückhaltung in den kommenden Monaten nur wenig ändern werde. Im vierten Quartal sei aber insgesamt mit einer "geringen Belebung" der Wirtschaft zu rechnen.
Habeck: Deutsche Wirtschaft robuster als erwartet
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht das überraschende Wachstum der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal als Hoffnungszeichen. Das sei bei Weitem noch nicht das, was man brauche, aber immerhin ein Lichtblick, teilte der Grünen-Politiker mit. Die Wirtschaft zeige sich robuster als bislang prognostiziert, die von vielen erwartete technische Rezession bleibe aus. Gleichzeitig zeige sich deutlich, dass "wir weitere Maßnahmen brauchen, das ist bei allen angekommen", sagte Habeck. "Investitionsanreize, Innovationsförderung und Entbürokratisierung – wir sollten hier gemeinsam agieren und den Standort Deutschland stärken."
Ifo-Institut: Geschäftsklima im Osten stagniert
Die Stimmung in der ostdeutschen Wirtschaft bleibt im Herbst unverändert auf niedrigem Niveau. Wie das Ifo-Institut in Dresden mitteilte, stagnierte der Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland im Oktober bei 88,3 Punkten. Im Vorjahr hatte der Index zur gleichen Zeit bei 89,9 Punkten gelegen. Die befragten Unternehmen beurteilten ihre Geschäftslage etwas besser als im Vormonat, die Geschäftserwartungen waren hingegen geringfügig ungünstiger als im September.
Im ostdeutschen Handel trübte sich das Geschäftsklima demnach im Oktober überaus deutlich ein. Während der Einzelhandel von geringfügig schlechteren Geschäften berichtet, sind diese beim Großhandel deutlich schlechter geworden. Auch im ostdeutschen Dienstleistungssektor sank der Geschäftsklimaindex etwas.
Dagegen stieg die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe leicht an. Die befragten Industrieunternehmen schätzten ihre aktuelle Geschäftslage deutlich besser ein als im Vormonat. Die Geschäftserwartungen fielen geringfügig schlechter aus. Auch im ostdeutschen Bauhauptgewerbe verbesserte sich das Geschäftsklima im Oktober leicht. Die befragten Bauunternehmen gaben an, dass ihre Geschäftslage geringfügig schlechter war als im September. Ihre Erwartungen an den zukünftigen Geschäftsverlauf hoben sie gleichzeitig etwas an.
Zahl der Arbeitslosen im Oktober nahezu unverändert
Die konjunkturelle Lage macht sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg mitteilte, sank die Zahl der Arbeitslosen im Oktober nominal zwar um 16.000 auf 2,79 Millionen, saisonbereinigt bedeutet dies jedoch einen Anstieg um 27.000 im Vergleich zum Vormonat. Verglichen mit dem Oktober des vorigen Jahres liegt die Arbeitslosenzahl damit um 183.000 höher. Die Arbeitslosenquote liegt unverändert bei sechs Prozent. Nach Angaben der Regionaldirektionen haben sich die Arbeitslosenzahlen auch in Mitteldeutschland kaum verändert.
Agenturchefin Andrea Nahles sagte, die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt falle in diesem Jahr weitgehend aus. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung hatten im Laufe des Sommers zugenommen. Ab September setzt üblicherweise eine Erholung ein, die nun den zweiten Monat jedoch sehr gering ausfiel. Eine Besserung sei erst im nächsten Jahr zu erwarten, kommentierte der KfW-Arbeitsmarktexperte Martin Müller die Zahlen. Zugleich bleibe der Fachkräftemangel hoch, besonders in Engpassberufen wie der IT, der Pflege und dem Bau. Eine Ausweitung von Erwerbsbeteiligung und qualifizierter Zuwanderung sowie eine Stärkung des Wachstums der Arbeitsproduktivität seien daher weiterhin dringend geboten, forderte der Experte.
dpa, AFP (das)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. Oktober 2024 | 10:30 Uhr