Ein Mann passiert das Gebäude der Agentur für Arbeit in Berlin Charlottenburg
Forscher erwarten trotz Wirtschaftskrise keinen signifikanten Anstieg der Massenarbeitslosigkeit. Bildrechte: picture alliance / Bildagentur-online/Schöning

Arbeitslosenzahlen in Deutschland Droht dem Osten die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit?

30. Oktober 2024, 06:50 Uhr

Heute werden die neue Zahlen vom Arbeitsmarkt veröffentlicht. Und diese dürften gerade in Ostdeutschland die Menschen interessieren. Denn zuletzt stiegen die Arbeitslosenzahlen an. Die Wirtschaftskrise macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Das weckt vor allem bei Älteren ungute Erinnerungen. In den 1990er-Jahren hatten bis zu 25 Prozent der erwerbsfähigen Ostdeutschen keinen regulären Job. Drohen solche Verhältnisse erneut?

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Ein Gespenst geht um in Ostdeutschland, das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Viele glaubten sie fast besiegt. Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote im Osten nur noch bei 6,4 Prozent. Doch nun, in der Wirtschaftskrise, steigt sie wieder. Im Jahresdurchschnitt liegt die Quote bislang bei 7,5 Prozent. Und Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle rechnet im Osten mit weiteren Arbeitslosen.

In diesem und auch im nächsten Jahr bleibe die Konjunktur "mau" meint Müller: "Und wir werden möglicherweise noch weiterhin einen leichten Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den nächsten Monaten sehen." Eine so hohe Arbeitslosigkeit wie in den späten 1990er Jahren, erwartet Müller aber nicht wieder. Es seien einfach andere Zeiten.

Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter sinkt

Und die Debatte um eine Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit ist eben doch nur eine Gespensterdebatte. Die Ostdeutschen sind im Durchschnitt heute älter als damals. Jahr für Jahr sinkt die Zahl derer, die überhaupt arbeiten können. Dieser demographische Wandel verhindere trotz Krise einen stärken Anstieg der Arbeitslosenzahlen, sagt Müller:

"Da haben wir in ländlichen Regionen, zum Beispiel im südwestlichen Sachsen, Prognosen, dass die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in den nächsten fünfzehn Jahren um dreißig Prozent sinken wird. Das ist also ein massiver Rückgang. Und so ein massiver Rückgang lässt eigentlich überhaupt keine Massenarbeitslosigkeit für die nächsten Jahre erwarten. Ich denke, stattdessen wird gerade bei uns in der Region jede Arbeitskraft gebraucht werden."

Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird in den nächsten fünfzehn Jahren um dreißig Prozent sinken.

Steffen Müller, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle

Fachkräftemangel vor allem in ostdeutschen Bundesländern

Einige Gruppen haben es auf dem Arbeitsmarkt dennoch schwer. Vor allem Ungelernte und solche, deren Qualifikationen aktuell nicht gefragt sind, finden in der Krise schlecht etwas Neues. Gleichwohl bleibe der Fachkräftemangel vor allem in Ostdeutschland ein Problem, unterstreicht Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft:

"Grundsätzlich ist das nicht ausgeschlossen, dass es beides gibt: Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit. Einfach weil ein Missmatch besteht, auch auf dem Arbeitsmarkt - die offenen Stellen, die passen nicht zu den Arbeitslosen. Aber im Großen und Ganzen ist bei so einer Arbeitskräftemangellage, die sich in den nächsten Jahren deutlich verschärfen wird, nicht damit zu rechnen, dass wir einen sehr deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehen werden."

Es gibt ein Missmatch auf dem Arbeitsmarkt. Die offenen Stellen, die passen nicht zu den Arbeitslosen.

Holger Schäfer, Institut der deutschen Wirtschaft

Alte Jobs fallen weg, Neue entstehen

Und das gilt nach Einschätzung der Forscher selbst unter der Annahme, dass Digitalisierung, Roboter und künstliche Intelligenz weitere Tätigkeiten überflüssig machen. Schäfer sagt: "Jobs verschwinden, andere entstehen neu. Also wir brauchen vielleicht nicht mehr die Sekretärin, die vom Band einen Text abtippt. Aber dafür haben wir ganz viele Programmierer, die Apps für Handys programmieren, was es früher gar nicht gab." Schäfer fügt hinzu: "Also technischer Fortschritt, auch wenn der Arbeit erspart, führt nicht immer dazu, dass tatsächlich die Nachfrage nach Arbeit weniger wird."

Wie sich die Nachfrage nach Arbeit und die Arbeitslosigkeit im Oktober entwickelt haben, steht am Vormittag fest. Dann veröffentlicht die Bundesagentur ihre neuesten Statistiken. Erfreulich werden die Zahlen wahrscheinlich nicht sein, aber eben auch nicht zum völligen Gruseln.

Menschen im Arbeitsamt, 1990 2 min
Bildrechte: DFF

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 30. Oktober 2024 | 06:04 Uhr

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