Energiewende Neue Technologien in der Windenergie: Drachen und Höhenwindräder
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02. August 2023, 05:00 Uhr
Mehr Strom mit Wind erzeugen – das ist ein Klimaziel. Möglich ist das durchaus. Allerdings sind dafür die bisher üblichen Windräder nicht mehr hoch genug. Je höher sich die Anlage befindet, desto mehr Energie kann erzeugt werden. Denn dort weht der Wind beständiger und kräftiger. Material, Kosten und Transportwege setzen jedoch ein Limit für die bisherige Technologie. Es bedarf also neuer Ideen. Wir stellen vier Entwicklungen im Bereich der Höhenwindkraft vor.
Je höher das Windrad, desto mehr Wind kann eingefangen und somit Strom erzeugt werden. Deshalb werden Windräder sowohl auf dem Wasser als auch auf dem Land immer höher und deren Rotoren immer länger.
Jedoch bringt das auch Probleme mit sich: Denn immer längere Rotoren und größere Anlagen können kaum noch transportiert werden. Alternativen zum bisher üblichen Windrad werden benötigt.
Höhenwindrad aus Dresden
Im Mai 2024 soll das erste Höhenwindrad der Dresdner Firma Gicon in Betrieb gehen. In bis zu 300 Metern Höhe wird dann im brandenburgischen Klettwitz zunächst mit Prototypen Strom produziert. Diese sollen mindestens das Doppelte an Energie herkömmlicher Windräder produzieren. In solchen Höhen weht der Wind kräftiger und stetiger. Zum Vergleich: Herkömmliche Windräder sind bisher in der Regel zwischen 90 und 130 Meter hoch.
Außerdem können bereits existierende Windparks um eine zweite, höhere Ebene erweitert werden. Eine zusätzliche Kombination mit Solarenergie unterhalb der Windkraftanlagen ist ebenfalls denkbar. "Der große Vorteil ist, dass ich verdichten kann. Ich kann praktisch auf der gleichen Fläche wesentlich mehr Energie erzeugen und brauche damit auch insgesamt weniger Fläche", sagt Professor Jochen Großmann, der Geschäftsführer der Gicon-Gruppe.
Neue Entwicklung: Höhenwind mittels Drachen nutzen
Es gibt weitere Technologien, mit denen Höhenwindkraft effektiv genutzt werden soll: Drachen. Neben dem Einsparen von Material soll auch eine höhere Leistung erreicht werden. Außerdem stören Drachensysteme das Landschaftsbild nur wenig. Denn trotz Höhe sind sie kaum zu sehen. Mittels Erkennungssoftware könnten solche Systeme sogar recht flexibel gegenüber Vögeln reagieren und bei Gegenverkehr entsprechend ausweichen. In Deutschland versuchen bereits mehrere Firmen das umzusetzen.
Textildrachen "Skysails" aus Hamburg
Die Textildrachen der Firma Skysails fliegen auf einer Höhe zwischen 200 und 400 Metern. Sie steigen automatisch auf. "Das kann man sich vorstellen wie so eine zusammengezogene Gardine. Dann strömt die Luft ein und bläst den Drachen auf zu einem Flügel. Er wird von dem Mast, an dem er hängt, losgelassen und steigt in die Höhe. Dort erzeugt er Strom", erklärt Stephan Wrage, der Geschäftsführer von Skysails. Sobald der Drache die optimale Flughöhe erreicht hat, beginnt er Achten zu fliegen. Die Energieleistung des Drachens gelangt über das Seil nach unten zu einem Generator, der am Boden Strom erzeugt. Im Vergleich zu einem Windrad ist die Energieausbeute bei gleicher Höhe doppelt so groß.
Ein weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichen Windrädern: Die Material- und Logistikkosten sind gering. Wie einfach der Drachen zu transportieren ist, beschreibt Stephan Wrage: "Unser System kommt in einem Container. Es kann ganz einfach mit dem Schiff, mit einem Lastwagen irgendwohin gebracht werden. Keine großen komplizierten Aufstellmethoden, keine großen Kräne, keine riesigen Straßen, verstärkte Brücken: All das braucht man nicht."
Zur Zeit sind bereits zwei der Anlagen in Betrieb. Das momentane Ziel: Die Stückzahl erhöhen und die Leistung des Systems sowie die Stabilität verbessern. Denn bisher müssen die Drachen dreimal im Jahr ausgetauscht werden.
Aluminium-Drachen "Kitekraft" aus München
Auch im Süden Deutschlands wird auf Drachen gesetzt. Die Firma Kitekraft entwickelt seit 2018 einen Aluminium-Drachen mit Rotoren. Letztere helfen zunächst beim Starten und Landen – wie bei einer Drohne. In der Luft erzeugen die Rotoren dann den Strom.
Maximilian Isensee, der Geschäftsführer der Kitekraft GmbH, erklärt, wie der Strom entsteht: "Wir wandeln die Energie des Windes in Bewegungsenergie des Kites um. Wenn man den Kite fliegen lässt und Wind weht, will er ja immer schneller und schneller werden. Was wir dann mit den Rotoren machen ist, wenn wir Energie produzieren, wir bremsen ihn im Endeffekt ab und nehmen damit Energie aus diesem Flug raus." Der Drache ist auch bei wenig Wind einsetzbar.
Für eine optimale Stromerzeugung in der Luft muss der Drache allerdings erst einmal die perfekte Flugbahn finden. Das funktioniert nur durch eine geeignete Fluggeschwindigkeit. Das ist anders als bei herkömmlichen Windrädern. Diese arbeiten mit Umgebungsgeschwindigkeiten.
Der erzeugte Strom wird über ein Seil, an dem der Drachen befestigt ist, zur Bodenstation geschickt und dort eingespeist oder gespeichert. Auf gleicher Fläche wie heutige Windkraftanlagen möchte Kitekraft später das Dreifache an Leistung herausholen – und vergleichsweise deutlich weniger Material verbauen.
Carbon-Drachen "Enerkite" aus Eberswalde
Ebenfalls auf Drachen setzt die Firma Enerkite. Allerdings handelt es sich um einen starren Flügel mit einer Spannweite von acht Metern. Er besteht aus Carbon und Luftfahrtgewebe. Nach gut 13 Jahren Forschung wird derzeit an einem Prototyp gearbeitet.
Wie auch bei den anderen Drachen entsteht der Strom beim Fliegen von Achten in der Luft. Dabei zieht er Seile aus Trommeln am Boden. Die Drehung von diesen wird von einem Generator in Strom umgewandelt. Sind die Seile komplett ausgerollt, fliegt der Drachen auf die ursprüngliche Höhe zurück. Mit Hilfe von etwas Energie werden sie wieder eingerollt, bevor der Ablauf von vorn beginnt.
Mittels eines rotierenden Mastes wird der Drachen gestartet und auch wieder gelandet. Das geschieht per Knopfdruck. "Das muss man sich vorstellen wie so ein Kind, was losläuft, um den Drachen in die Höhe zu bringen. Nur dass wir es im Kreis machen und durch dieses Prinzip können wir den Drachen starten, auch wenn gar kein Wind am Boden ist. Aber wir können ihn in die Höhe bringen, wo wir diesen schwachen Wind haben. Und das führt dazu, dass wir dann ein extrem leistungsfähiges System haben, weil der Drachen wirklich nur Drachen ist. Er hat keine Steuerflächen, keine Landeeinrichtungen irgendwelcher Art, keine Hydraulik, es ist nur ein Drachen", führt Florian Breipohl, der Geschäftsführer der Enerkite GmbH, aus.
Sämtliches Gewicht am Boden führt demnach zu maximaler Ausbeute in der Luft. Dadurch kann der Drachen rund 60 Prozent seiner Betriebszeit Strom produzieren. Noch ist er in der Testphase.
MDR (jvo)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 25. Juli 2023 | 20:15 Uhr