Ein Mann liest an einem Kiosk eine Zeitung
Die großen überregionalen Zeitungen schrieben sehr unterschiedlich über die Treuhand. Bildrechte: picture alliance/dpa

Datenanalyse Schlechter Ruf der Treuhand – Ist die Presse schuld?

28. Februar 2021, 12:58 Uhr

Skandalbehörde, Plattmacher, Totengräber der Ostbetriebe – das Bild von der Treuhandanstalt ist von negativen Schlagworten geprägt. Das Negativ-Image wurde stark von Zeitungsüberschriften bestimmt, wie eine Datenanalyse von 31.000 Presseartikeln zur Treuhandanstalt von 1990 bis heute zeigt. Dabei fällt auf, dass die westdeutsche Presse sogar noch negativer berichtete als die ostdeutsche.

Die meisten Artikel über die Treuhand erschienen 1991. Dabei wurde vor allem dort berichtet, wo die konkreten Folgen der Treuhand am stärksten sichtbar und spürbar waren - im Osten. In den 1990er Jahren wurde hier teilweise drei Mal so oft über die Treuhand berichtet wie im Westen. Es sind vor allem die großen Abwicklungsfälle, die das Bild von der Treuhand bis heute prägten und immer wieder in den Medien aufgegriffen wurden.

Das beginnt mit der Schließung des Kameraherstellers Pentacon im Oktober 1990. Viele weitere sollten folgen, ob Motorradhersteller MZ aus Zschopau ("Motorradwerk Zschopau erreicht die Ziellinie nicht"), Robotron ("Vom Moloch Robotron bleibt nichts als ein Museum") oder Interflug ("Ostdeutsche Bruchlandung"). Der Tiefpunkt der medialen Kritik war mit dem Hungerstreik im Kaliwerk Bischofferode erreicht ("Die Bischofferoder Kalikumpel fühlen sich betrogen").

30. Jahrestag des Mauerfalls: Treuhand wieder Thema

Danach flaute das Thema ab und tauchte vor allem in großen überregionalen Zeitungen auf, weniger in Regionalzeitungen. Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls wurde das Thema jedoch wieder relevanter und vermehrt aufgegriffen, im zweiten Halbjahr 2019 so oft wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr.

Die Haltung wird negativer

Es war nicht immer die Treuhandanstalt selbst, die für die Skandale sorgte. Oft waren es dubiose Investoren, regionale Niederlassungen der Treuhand wie in Halle (Saale) oder politische Entscheidungen. Mit jedem Skandal schlugen die Zeitungsredaktionen zunehmend kritischere Töne an und das im Westen sogar noch häufiger als im Osten. Das zeigt ein Vergleich zwischen Zeitungsüberschriften im Sommer 1991 und im Sommer 1993.

In Ostdeutschland, wo die Bevölkerung besonders stark von den Treuhandfolgen betroffen war, waren 1991 21 Prozent der Überschriften negativ, zwei Jahre später waren es 41 Prozent. In den westdeutschen Regionalzeitungen wurde das Thema um ein Drittel seltener aufgegriffen. Doch hier sahen 1993 65 Prozent der Artikel die Treuhand kritisch und nur neun Prozent wohlwollend.

Die großen überregionalen Zeitungen schrieben sehr unterschiedlich über die Treuhand, wobei im Vergleich zur Regionalpresse häufiger eine neutrale oder sogar positive Haltung gegenüber der Treuhand eingenommen wurde.

Vorgehensweise Für die Datenauswertung wurde die Pressedatenbank des Unternehmens GBI-Genios ausgewertet. Die Datenbank verfügt im Bereich der Tages- und Wochenpresse über 180 Millionen deutschsprachige Titel. Dabei wurde die Nennung des Schlagwortes Treuhandanstalt in allen Presseartikeln seit 1990 untersucht. Hinzu kam eine inhaltliche Auswertung von über 800 Überschriften in zwei stichprobenartig ausgewählten Monaten Juli 1991 und Juli 1993. Als eher negativ galten Schlagzeilen, die Kritik an oder Protest gegen die Treuhand formulierten. Als eher positiv galten Schlagzeilen, die die Arbeit der Treuhand als funktionierend oder sinnvoll darstellten, erfolgreiche Übernahmen und angekündigte Investitionen thematisierten oder herausstellten, dass die ostdeutsche Wirtschaft in Schwung kommen würde.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 01. März 2020 | 20:15 Uhr

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