Solarindustrie in Europa Interview: Welche Folgen eine Schließung des Meyer Burger-Werks in Freiberg hätte
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18. Januar 2024, 10:06 Uhr
Der Solarhersteller Meyer Burger hat am Mittwoch angekündigt, bis Mitte Februar über die Zukunft des Standortes im sächsischen Freiberg zu entscheiden. Wenn die Bedingungen am europäischen Markt nicht besser werden, will das Unternehmen das Werk Anfang April schließen. MDR-Wirtschaftsredakteur Ralf Geißler erklärt im Interview, welche Folgen eine Schließung hätte und was es bräuchte, um die Solarbranche in Europa zu stärken.
MDR AKTUELL: Meyer Burger ist der größte Solarhersteller Europas. Beim Vorhaben, Europa unabhängiger von China zu machen, galt die Firma vielen als Hoffnungsträger. Doch am Mittwoch hat sie bekannt gegeben, dass sie vergangenes Jahr weit mehr als 100 Millionen Euro Verlust gemacht hat. Meyer Burger droht nun, seine Modulproduktion im sächsischen Freiberg zu schließen. Stattdessen soll in den USA investiert werden. Warum hat Meyer Burger in Deutschland solche Probleme?
MDR-Wirtschaftsredakteur Ralf Geißler: Meyer Burger kann mit den Preisen, die chinesische Hersteller für Solarmodule verlangen, einfach nicht mithalten. Das Kernproblem ist, dass China seine Solarproduktion massiv ausgebaut hat, um seine Module in die gesamte Welt zu exportieren. Nun haben die USA und Indien Einfuhrbeschränkungen verhängt, um ihre eigene Solarindustrie zu schützen.
Damit fehlen Abnehmer auf der Welt und so fahren die Schiffe mit den chinesischen Modulen europäische Häfen an und fluten buchstäblich den Markt. Ein 400-Watt-Modul kostet heute nur noch halb so viel wie vor zwei Jahren. Da kann kein deutscher Hersteller mithalten.
Dabei hieß es doch immer, das Freiberger Werk von Meyer Burger mache besonders hochwertige, besonders effiziente Module. Wird es sicher schließen?
Sicher ist das noch nicht. Aber das Unternehmen droht damit, das Werk mit seinen 500 Mitarbeitern Ende April dicht zu machen, wenn die Politik nicht gegensteuert. Meyer Burger empfindet den internationalen Wettbewerb als unfair: China verkauft zu Dumpingpreisen, die USA fördern ihre Solarindustrie mit Milliarden. Aber in Europa wartet die Firma immer noch darauf, dass es ein großes Förderprogramm für den Aufbau einer Solarindustrie gibt.
Denn so effizient, dass es auch ohne Förderung geht, sind die Solarmodule von Meyer Burger dann offenbar doch nicht. Geschäftsführer Gunter Erfurt stellt der Politik nun ein Ultimatum. Er sagt, bis Ende Februar verlange er Unterstützung, ansonsten sei in Freiberg Schluss.
Was würde das denn für die anderen Standorte bedeuten, wenn Meyer Burger in Freiberg schließt? Das Unternehmen hat ja auch eine Fabrik in Bitterfeld-Wolfen.
Die Fabrik in Bitterfeld-Wolfen steht ausdrücklich nicht zur Disposition. Sie ist die einzige in ganz Europa, die noch in ernstzunehmender Größe Solarzellen fertigt. Diese Solarzellen würde Meyer Burger dort weiterhin herstellen, sie aber nicht mehr im sächsischen Freiberg zu Modulen verbauen, sondern in die USA schicken. Dort errichtet das Unternehmen zwei große Werke.
In den USA bekommt Meyer Burger auch eine riesige Förderung, weil das Land in dem Aufbau einer Solarindustrie einen strategischen Vorteil sieht.
Was könnte jetzt helfen?
Ein großes europäisches Solar-Förderprogramm würde sicher helfen. Es würde auch helfen, chinesische Module mit Einfuhrzöllen zu belegen. Damit würden sie teurer und Meyer Burger wäre wieder wettbewerbsfähig. All diese Maßnahmen sind unter Ökonomen allerdings umstritten. Wir erleben gerade, wie überall auf der Welt Förderprogramme für die Solarindustrie entstehen.
Wir stecken in einem Subventionswettbewerb. Es gibt zu viele Solarmodule auf dem Markt. Die Firmen fertigen nur noch dort, wo der Staat ihnen dafür Geld gibt. Sie können ohne staatliche Unterstützung derzeit auch gar nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren. Fast nirgendwo auf der Welt.
Das heißt, die Politik in Europa muss eine Entscheidung treffen?
Die Politik muss entscheiden: Wollen wir eine europäische Solarindustrie oder nicht? Wenn man eine eigenständige Solarindustrie will, muss man bereit sein, diese mit allen Konsequenzen aufzubauen. Da reicht die Förderung einer Fabrik nicht aus. Da braucht es dann auch Rohstoffe, die bislang überwiegend aus China kommen. Da braucht es Vorprodukte wie sogenannte Ingots aus hochreinem Silizium, die bislang fast ausschließlich aus China kommen.
Wenn Europa bereit ist, diesen Weg zu gehen, hat auch Meyer Burger in Freiberg eine Chance. Wenn nicht, können wir in Zukunft billige Module aus China kaufen, damit auch schnell und günstig unsere Energieversorgung umrüsten. Aber wir blieben eben abhängig von anderen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. Januar 2024 | 14:07 Uhr
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