Chronik Aufstieg, Fall und Konsolidierung der deutschen Solarindustrie

24. September 2023, 05:00 Uhr

Deutsche Unternehmen, die mit Photovoltaik-Modulen Geld verdienen wollen, kennen das schon: Ihr Absatz bricht ein, weil die chinesische Konkurrenz den Markt mit Modulen zum Dumping-Preis flutet. Vor zehn Jahren steckte die Branche deshalb in ihrer größten Krise, nach dem zu Beginn des Jahrtausends alles so verheißungsvoll begann.

Der erste nennenswerte Sonnenstrahl für die deutsche Solarindustrie dringt im Jahr der Wiedervereinigung durch: Bund und Länder legen 1990 das 1.000-Dächer-Programm auf. Subventioniert werden damit erstmals private Photovoltaik-Anlagen. In Ostdeutschland kommt die Förderung ab dem Jahr 1991 an. Das "1.000-Dächer"-Programm dient vor allem als großer Feldtest. Man will wissen, wie praxistauglich die Anlagen sind.

Der Boom der 2000er-Jahre

Es dauert fast ein ganzes Jahrzehnt, bis der Bund 1999 mit dem "100.000-Dächer"-Programm noch eins drauflegt. Ein Jahr später tritt ein Gesetz in Kraft, das auch der Solarenergie Schritt für Schritt zur vollen Geltung verhelfen soll: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, fördert gezielt den Ausbau von Anlagen, die Strom aus Biomasse, Solar, Wasser und Wind gewinnen. Ein zentrales Instrument ist die Einspeisevergütung. Sie garantiert ein staatlich festgelegtes Entgelt für Strom aus Erneuerbaren, der ins öffentliche Netz eingespeist wird.

Bis etwa 2010 liegen die Vergütungssätze auf einem hohen Niveau um etwa 50 Cent je Kilowattstunde (für Photovoltaik-Anlagen mit bis zu maximal zehn Kilowatt Leistung). Die deutsche Solarindustrie hat einen frühen Zenit erreicht. Firmen wie Q-Cells, Sovello oder Aleo Solar wachsen rapide. Einzelne Unternehmer wie Solarworld-Gründer Frank Asbeck werden steinreich. Wegen seines opulenten Lebensstils nennt man ihn auch den Sonnenkönig – finanziert von den Stromkunden, die die sogenannte EEG-Umlage zahlen. Denn Strom aus erneuerbaren Quellen ist in dieser Zeit noch vergleichsweise teuer. Erst die EEG-Umlage macht ihn wettbewerbsfähig.

Der tiefe Fall

Doch es geht so nicht lange weiter: Die schwarz-gelbe Koalition lässt graue Wolken am Himmel der reichlich geförderten Solarbranche aufziehen – und senkt die Einspeisevergütung drastisch ab. Die Branche rutscht in die Krise. Unternehmen für Unternehmen geht pleite. Die Produktion wandert schrittweise nach China ab. Auch Schutzzölle gegen Billig-Solarmodule aus Fernost, 2013 durch die EU eingeführt, können dem nicht entgegenwirken. Die Produktion deutscher Module kommt nahezu zum Erliegen. Es folgen dunkle Jahre.

Erst der Ukrainekrieg verändert ab Februar 2022 die Situation für die Solarzellen-Hersteller. Der Import billigen Gases aus Russland hat ein Ende, der Krieg und seine Folgen führen Deutschland die krasse Abhängigkeit von Putins Gas vor Augen. Die Absicht, klimaneutral zu werden, tut ihr übriges, damit die deutsche Solarindustrie wieder Licht sieht. Einen Platz gibt es allerdings nur für innovative und hochspezialisierte Unternehmen – wie die in Mitteldeutschland ansässigen Firmen Heckert Solar, Meyer Burger oder Solarwatt.

Branche wieder im Aufwind, aber ...

Doch schnell ziehen neue Wolken auf: Im Sommer 2022 bringt US-Präsident Joe Biden den "Inflation Reduction Act" auf den Weg. Milliardenschwere Subventionen sollen der US-Wirtschaft zur Klimaneutralität verhelfen. Biden schließt auch den Markt für bestimmte chinesische Solaranlagen. Mit ihnen wird nun der europäische Markt überschwemmt. Die Preise der Module liegen zum Teil unter Produktionskosten.

2023 werden vermehrt Stimmen – etwa aus der sächsischen Landesregierung – laut, die fordern, die Billigmodule aufzukaufen und der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Außerdem wird über finanzielle Hilfen für die Solarbranche verhandelt. Das sorgt für freundliche Aussichten: Der Ausbau der heimischen Solarproduktion – er ist politisch gewollt.     

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 13. September 2023 | 19:30 Uhr

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