Senioren Warum immer mehr Rentner arbeiten wollen – oder müssen
Hauptinhalt
24. Juli 2024, 11:55 Uhr
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeiten immer mehr Menschen auch im Rentenalter noch weiter. Die Gründe dafür sind vielfältig: Viele wollen sich etwas dazuverdienen, andere wollen Kontakt zu anderen Menschen aufrechterhalten. Viele Rentner arbeiten im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Gesundheitsbereich.
- Immer mehr Menschen arbeiten auch noch im Alter.
- Viele Unternehmen schätzen die Erfahrung, die ältere Menschen mitbringen.
- Viele arbeiten im Alter, um Kontakt zu Menschen zu haben oder sich etwas dazuzuverdienen.
Jutta Hilpert lässt den Motor eines Kleinbusses an und fährt los. Die sechs Plätze hinten sind frei. Sie ist 68, braungebrannt, hat kurze blonde Haare und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Zum zweiten Mal an diesem Tag fährt sie von ihrer Wohnung zu einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Diese holt sie jeden Tag morgens ab, fährt sie zur Arbeit in die Werkstatt und holt sie am frühen Nachmittag wieder ab.
Ein Drittel der Aufgabe ist ehrenamtlich, der Rest wird als Minijob bezahlt. "Man kann nicht nur zu Hause herumsitzen, auch wenn man einen Garten hat. Irgendwann ist man fertig. Dann ist das eine sinnvolle Ergänzung", findet Hilpert.
Ihr gefällt die Kombination: Zwei Stunden am Tag lassen Zeit für anderes. Sie kommt unter Menschen und ist in Bewegung, aber es ist keine harte körperliche Arbeit.
Viele ältere Minijobber
In Mitteldeutschland steigen Jahr für Jahr die Zahlen derjenigen, die im Alter noch tätig sind. Laut Arbeitsagentur arbeiten aktuell rund 120.300 Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über der Regelaltersgrenze. Der Großteil sind Minijobber.
Mit Blick auf mehr als zwei Millionen Rentenempfänger arbeitet aber nur ein kleiner Teil. Von den 65- bis 69-Jährigen in Deutschland arbeitet laut Statistischem Bundesamt 2022 fast jeder Fünfte.
Unternehmen schätzen Erfahrung der Senioren
So wie Jutta Hilpert. Sie hat Spaß und profitiert: "Ich verdiene mir das zur Rente dazu, dass ich mir schöne Urlaube ermöglichen kann." Nach knapp einer Stunde hat sie sechs Menschen mit Behinderung nach Hause gebracht und fährt selbst heim.
Ihr Chef, der Fahrdienstleiter des Malteser-Hilfsdienstes in Leipzig, sagt, er schätze die Zuverlässigkeit und Lebenserfahrung der Senioren.
Ähnlich geht es Autohaus-Geschäftsführer Michael Franz. Schon frühzeitig kommt er mit seinen Mitarbeitern bei Auto Saxe am Leipziger Stadtrand ins Gespräch, ob sie weiterarbeiten wollen.
Wenn sie nicht wie gerade im Urlaub sind, unterstützten ein 70- und ein 72-Jähriger sein Werkstatt- und Fahr-Team, erzählt Franz am Telefon: "Das ist auch der aktuellen Situation des Fachkräftemangels geschuldet, dass wir damit zwei wichtige Positionen in unserem operativen Kundengeschäft professionell besetzen können. Was uns ebenso wichtig ist: Nicht nur die fachlichen Erfahrungen, sondern eine Kultur in einem Unternehmen zu entwickeln, die Erfahrung, die Stimmung."
Verschiedene Gründe für Arbeit in der Rente
Beliebte Arbeitsbereiche der Senioren seien Transport- und Lieferdienste, der Einzelhandel, die Gastronomie oder auch Gesundheitsberufe, sagt der Vizedirektor vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Ulrich Walwei, der zum Thema ältere Arbeitskräfte forscht.
Die Motive sind sehr unterschiedlich: "Wir sehen in unseren Untersuchungen, dass der größte Teil angibt, dass sie oder er Spaß an der Arbeit hat, dass man damit Kontakte zu anderen Menschen aufrechterhalten oder schließen kann und sie sich weitere Aufgaben auch wünschen. Aber es gibt auch einen nicht kleinen Teil der Befragten, der finanzielle Gründe angibt", sagt Walwei. Das gelte vor allem für Frauen mit relativ niedrigem Rentenanspruch.
Befragungen zeigten, sagt Walwei, dass noch mehr ältere Menschen gern arbeiten würden. Damit das klappt, sieht er Verbesserungsbedarf unter anderem in der Gesundheitsvorsorge durch Unternehmen genauso wie bei flexibleren Arbeitsmöglichkeiten. Am Ende können beide Seiten profitieren, wenn mehr Menschen im Rentenalter weiterarbeiten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Juli 2024 | 06:06 Uhr