Inflation Reallöhne sinken im Rekordtempo
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07. Februar 2023, 22:41 Uhr
Die Reallöhne der Deutschen sind im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent geschrumpft – der höchste Wert seit 2008. Eine Trendwende hin zu Lohnsteigerungen sehen Forscher für das kommende Jahr. Eine entscheidende Rolle dabei dürften die derzeitigen Tarifverhandlungen in vielen Branchen spielen.
- 2020 gingen die Reallöhne hauptsächlich aufgrund vielfacher Kurzarbeit zurück, aktuell aufgrund der hohen Inflation.
- Die Reallöhne Tarifbeschäftigter sanken stärker als im Durchschnitt.
- 2024 könnte wieder ein Anstieg der Reallöhne anstehen.
Die Reallöhne in Deutschland sind 2021 im Rekordtempo gefallen. Die Monatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen wuchsen zwar mit 3,4 Prozent so stark wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe 2008, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Die Verbraucherpreise erhöhten sich aber parallel dazu mit 7,9 Prozent mehr als doppelt so stark. Dadurch sanken die Reallöhne um durchschnittlich 4,1 Prozent – ebenfalls der höchste Wert seit 2008.
Inflation Hauptgrund für Reallohnentwicklung
Bereits in den beiden vorangegangenen Corona-Krisenjahren hatte es jeweils ein Minus von 0,1 und 1,1 Prozent gegeben. Im Jahr 2020 hatte zunächst der flächendeckende Einsatz von Kurzarbeit zu einer negativen Lohnentwicklung geführt. In den vergangenen zwei Jahren war dann der Anstieg der Verbraucherpreise der wichtigste Grund für den Schwund bei den Reallöhnen. In den 2010er-Jahren hatte es dagegen fast ausschließlich Zuwächse gegeben.
Die Veränderung des Reallohns wird berechnet, indem man vom durchschnittlichen Zuwachs des nominalen Bruttolohns den Anstieg der Verbraucherpreise abzieht. Konsumenten können sich derzeit inflationsbedingt für einen Euro immer weniger leisten, was zum Jahresende 2022 bereits deutlich auf den privaten Konsum drückte. "Die Konsumenten sind nicht immun gegen eine Erosion ihrer Kaufkraft durch die rekordhohe Inflation", erläuterte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Geringverdiener profitieren von höherem Mindestlohn
Für die Tarifbeschäftigten hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung sogar einen Reallohnverlust von 4,8 Prozent berechnet, weil 2022 nur für wenige Beschäftigte neue Tarifabschlüsse wirksam wurden. Am unteren Ende der Lohnskala gab es 2022 übrigens keine Reallohnverluste, denn der gesetzliche Mindeststundenlohn stieg von 9,82 Euro zu Jahresbeginn auf 12,00 Euro, also mehr als 20 Prozent.
Ob im laufenden Jahr eine Kehrtwende eintritt, dürfte auch von den laufenden Tarifverhandlungen abhängen. Angesichts zweistelliger Tarifforderungen etwa im öffentlichen Dienst oder bei der Post rechnet Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs der Böckler-Stiftung, mit höheren Abschlüssen. In mehreren Branchen wurden bereits deutliche Lohnerhöhungen vereinbart. Die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie etwa bekommen in zwei Schritten 8,5 Prozent mehr Geld sowie eine Einmalzahlung von 3.000 Euro netto.
Reallöhne könnten 2024 wieder steigen
Alle führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in diesem Jahr mit einem Rückgang der Inflation. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt beispielsweise eine Teuerungsrate von 5,4 Prozent voraus, die 2024 auf 2,2 Prozent fallen soll. "2024 ist dann für das Gesamtjahr mit einem spürbaren Plus bei den Reallöhnen zu rechnen", sagte Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
dpa/Reuters (jan)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 07. Februar 2023 | 09:00 Uhr