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Eine Frau läuft vor einer Esprit Filiale entlang 4 min
Audio: Die Modekette Esprit musste dieses Jahr verkünden, alle Filialen in Deutschland zu schließen. Bildrechte: picture alliance/dpa/Alicia Windzio

Insolvente Unternehmen "Schlechte wirtschaftliche Zeiten sind gute Zeiten für Insolvenzverwalter"

01. November 2024, 10:30 Uhr

Es traf den Reisekonzern FTI, den Buchhändler Weltbild und den Modekonzern Esprit. Seit Monaten machen Firmenpleiten Schlagzeilen. Wenn eine Firma insolvent ist, kommen Insolvenzverwalter zum Zug. Sie sollen retten, was zu retten ist. Und sie verdienen an dem, was vom insolventen Unternehmen übrigbleibt.

Der Weg zu Lucas Flöther führt über einen roten Teppich. Der schwere Läufer liegt im Flur eines sanierten Altbaus in Halle. Hinter der Tür sitzt in einem hohen Raum mit sakraler Ruhe Ostdeutschlands bekanntester Insolvenzverwalter. Flöther hat die Insolvenzen von Esprit, Condor und Air Berlin begleitet. Von einer Pleite-Welle will er aber trotz Wirtschaftskrise nicht sprechen.

Firmeninsolvenzen auf Normalniveau

"Wir kommen aus der Corona-Zeit mit historischen Niedrigst-Insolvenzzahlen", erklärt Flöther. Seitdem hätte es eine starke Zunahme gegeben. Aber: "Verglichen mit historischen Höchstständen in Deutschland, die Jahre 2003, 2004, später dann die Finanzkrise, sind wir immer noch in einem sehr vernünftigen Niveau unterwegs."

Lucas Flöther, 2017
Lucas Flöther hat unter anderem die Insolvenzen von Esprit, Condor und Air Berlin begleitet. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

In diesem Jahr, sagt Flöther, erwarte seine Branche rund 22.000 Firmeninsolvenzen. Vor zwanzig Jahren waren es mal 39.000. Laut Statistischem Bundesamt lagen in allen Jahren zwischen 1996 und 2015 die Insolvenzzahlen höher als heute. Trotzdem beschere die aktuelle Wirtschaftskrise den Kanzleien Neuaufträge, sagt auch Christoph Niering vom Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands.

"Schlechte wirtschaftliche Zeiten sind gute Zeiten für Insolvenzverwalter." Wenn sich die wirtschaftliche Situation aber zu schlecht entwickele, sei es auch für Insolvenzverwalter schwer, ein Unternehmen zu erhalten und zu veräußern. "Wenn ich keinen Markt finde, um ein Hotel, um eine Gaststätte, um einen Industriebetrieb zu verkaufen, dann hat er zwar ein neues Verfahren, aber keine Einnahmen und kriegt auch keine adäquate Vergütung", so Niering.

Keine Zugangsbeschränkung für Beruf des Insolvenzverwalters

Ein Insolvenzverwalter verdient an dem, was vom insolventen Unternehmen übrigbleibt. Das können bis zu 40 Prozent der Insolvenzmasse sein. Eine Zugangsbeschränkung zu dem Beruf gibt es nicht. Formal könne jeder Insolvenzverwalter werden, sagt Hans Haarmeyer vom Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht.

"In dem Moment, wo ein Gericht sie bestellt, sind sie Insolvenzverwalter." Anders als in anderen Ländern müsse dafür kein bestimmtes Studium nachgewiesen werden, keine bestimmten Qualifikationen. "Wir haben einen sehr einfachen Zugang zu diesem Amt, was dazu führt, dass man sagt: Die Schleimspuren in den Insolvenzgerichten haben sich tief auf den Fluren eingerichtet."

Haarmeyer kritisiert schon lange fehlende Standards für den Zugang zum Beruf. Und der emeritierte Professor fragt, warum in Insolvenzverfahren meistens Juristen tätig werden, obwohl die betroffenen Betriebe doch wirtschaftliche Probleme hätten.

Für Lucas Flöther liegt es vor allem daran, dass die Verfahren stark juristisch geprägt sind. Es müssten Forderungen eingezogen und Sicherheiten geprüft werden. Mitunter müsse man Geld auch zurückholen. "Deswegen beschäftigen wir auch in unserem Büro überwiegend Juristen, aber haben eben auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Betriebswirte, die dann auch diese betriebswirtschaftliche Seite abdecken."

Flöther: Zahl an Insolvenzen wird weiter steigen

r Flöther arbeiten mehr als 100 Leute. Bei großen Insolvenzen, sagt er, gelinge es fast immer, einen Teil des Unternehmens zu retten. Und ansonsten gehöre es in einer Marktwirtschaft dazu, dass ein Geschäftsmodell, das sich nicht trägt, wieder vom Markt verschwindet.

In der aktuellen Wirtschaftskrise werde das vermutlich noch zunehmen. "Es wird jetzt keine Welle, es wird erst recht kein Tsunami werden. Aber wir werden schon eine weiter steigende Zahl von Insolvenzen sehen."

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. November 2024 | 06:05 Uhr

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