Arbeitsmarkt Warum Arbeitslose allein den Fachkräftemangel nicht ausgleichen können

22. Juli 2022, 05:00 Uhr

Der Fachkräftemangel ist in Deutschland deutlich zu spüren. Restaurants und Kantinen machen eher zu, weil es nicht genügend Personal gibt. S-Bahnen und Züge fallen aus, Lieferungen verzögern sich, Schulstunden werden ersatzlos gestrichen. Gleichzeitig gab es in ganz Deutschland im Juni knapp 2,4 Millionen Arbeitslose. Experten erklären, warum Personallücken trotzdem nicht so einfach zu füllen sind.

Carolin Voigt, Reporterin, Redakteurin und Sprecherin
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Die Menschen, die derzeit arbeitslos gemeldet sind, haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Da gibt es zum Beispiel die sogenannten Wechsler, die gerade zwischen Studium und Job oder zwischen zwei Jobs stehen. Sie kommen in der Regel rasch wieder in Beschäftigung.

Bei vier von fünf arbeitslos Gemeldeten liegen laut Bundesagentur für Arbeit (BA) jedoch "Merkmale vor, die die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren". Dazu zählt die Behörde eine geringe Qualifikation, ein Alter von 55 Jahren oder mehr, Schwerbehinderung, Langzeitarbeitslosigkeit oder auch die Rückkehr in einen Beruf.

Logo MDR 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min

Thomas Postleb, Leiter der Migrationsagentur Burgenlandkreis, spricht über Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarkt-Integration von Geflüchteten.

01:27 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/burgenland/audio-thomas-postleb-migrationsagentur-arbeitsmarkt-integration-gefluechtete-migranten-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Zukünftige Rentner hinterlassen Loch von halber Million pro Jahr

Dass trotzdem mehr Arbeitslose in Lohn und Brot gebracht werden könnten, davon ist Hagen Wolfstetter, Leiter der Kommission Arbeit und Soziales beim Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW), überzeugt: "Ich denke, wir könnten sicherlich einen Teil aus den 2,4 Millionen Arbeitslosen aktivieren. Aber da brauchen wir uns nichts vormachen, da sind auch Menschen dabei, bei denen wird es nicht mehr gelingen."

Bei einem Großteil sollte es möglich sein, wenn man die Menschen entsprechend qualifiziere, sagt der Kommissionsleiter. Diejenigen, die demnächst in Rente gehen, würden jedoch zusätzlich ein großes Loch hinterlassen.

Ein Loch von mindestens 400.000 bis 500.000 Personen pro Jahr, die auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Ein strukturelles Problem, das nach Einschätzung des DIW-Forschungsdirektors und Vorstandsmitglied Alexander Kritikos nicht allein über die Arbeitslosen abgedeckt werden kann: "Mit der Reduzierung von Arbeitslosen allein werden wir den Fachkräftemangel nicht ausgleichen können. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt mit Arbeitskräften, die die bestimmten Qualifikationen, die zu jeder Stelle gesucht werden, mitbringen müssen."

Natürlich gebe es eine Reihe von Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, die alle durchaus helfen würden, um fehlende Qualifikationen bei Arbeitslosen auszugleichen, sagt Kritikos. An den kontinuierlich sinkenden Zahlen der Arbeitslosen in den vergangenen Jahren sei das gut erkennbar. "Das heißt aber auch, dass man bei denen, die trotz eines guten Arbeitsmarktes immer noch keine Arbeit gefunden haben, substanzieller rangehen muss", erklärt der Wissenschaftler.

Analyse: Qualifikationen unterscheiden sich von Anforderungen

Die Einschätzung von Alexander Kritikos bestätigt die Bundesagentur für Arbeit. Sie analysiert, welchen Hintergrund gemeldete Arbeitslose haben, und die Arbeitskräftenachfrage der Arbeitgeber. Schriftlich teilte die Agentur mit: "Die Strukturanalysen haben gezeigt, wie sich die tatsächlichen Qualifikationen der Bewerber von den geforderten Anforderungen der Arbeitgeber unterscheiden. Während auf Ebene der Helfer rein rechnerisch rund sechs Arbeitslose für eine Stelle in Frage kommen, liegt die Relation bei qualifizierten Fachkräften bei nur noch etwas über eins zu eins."

Nachrichten

Logo der Bundesagentur für Arbeit mit Menschenmenge 23 min
Bildrechte: imago images / Ralph Peters

Der Blick nach Sachsen zeigt derzeit 116.000 Menschen, die arbeitslos gemeldet sind, und 47.000 freie Stellen, erklärt Frank Vollgold von der BA-Regionaldirektion Sachsen in Chemnitz.

Viele Schwerbehinderte unter Arbeitslosen – mit Potenzial

Jeder dritte Arbeitslose gilt im Freistaat als langzeitarbeitslos – sucht also schon länger als ein Jahr nach einem Job. Aber: "Die Menschen, die arbeitslos gemeldet sind, können und wollen arbeiten und haben in der Regel eine gute Qualifikation. Dennoch gibt es beispielsweise in Sachsen 8.200 Menschen, die schwerbehindert sind. Da ist die Leistungsfähigkeit unter Umständen eingeschränkt. Aber auf der anderen Seite gibt es möglicherweise natürlich auch Vorurteile", erklärt Vollgold.

Schwerbehinderte sind laut Vollgold häufig besser qualifiziert als der Durchschnitt der Arbeitslosen. Sie können mit der richtigen Unterstützung 100 Prozent Leistung bringen. Ein Pool, aus dem offenbar noch stärker geschöpft werden kann.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. Juli 2022 | 06:00 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/8544b154-2671-47fd-9463-08b282a9a215 was not found on this server.

Mehr aus Wirtschaft

Vorschaubild Witznitz 1 min
Bildrechte: MDR / Moveon Energy
1 min 03.07.2024 | 04:59 Uhr

Südlich von Leipzig ist Deutschlands größtes Solarfeld eingeweiht worden. Es ist ein Projekt der Superlative: Allein 1,1 Millionen Solarmodule wurden verbaut.

Di 02.07.2024 16:49Uhr 00:33 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/video-reel-witznitz-fakten-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Eine Rentnerin hält 2017 ihren Rentenbescheid in der Hand. 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Felix Kästle
1 min 04.07.2024 | 20:54 Uhr

Bundesweit steigen die Renten erstmals gleich, Cannabis darf in Social-Clubs angebaut werden und die Krebsvorsorge wird verbessert.

So 30.06.2024 18:38Uhr 01:20 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/video-neu-juli-renten-krebsvorsorge-cannabis100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Nachrichten

Festival Bühne mit Crowd in der Nacht. 1 min
Zum 26. Mal findet das Hip-Hop-Festival Splash statt. (Archivbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 04.07.2024 | 18:16 Uhr

25.000 Menschen sind gekommen, um in Ferropolis besten Hip-Hop zu hören. Zum 26. Mal findet das Hip-Hop-Festival Splash statt. In diesem Jahr sind aktuelle Größen wie Ikkimel, Sharin David und Joost Kleinm mit dabei.

Do 04.07.2024 18:08Uhr 00:59 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/video-sachsen-anhalt-ferropolis-graefenhainichen-splash-festival-hip-hop-rap100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video