Paragraf 218 Bundestag debattiert emotional über Legalisierung von Abtreibungen
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06. Dezember 2024, 16:10 Uhr
In einer emotionalen Debatte hat der Bundestag über eine Neuregelung des Abtreibungssrechts debattiert. SPD, Grüne und Linke fordern mehrheitlich eine Reform des Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche zur Straftat erklärt. Union und AfD lehnen das ab. Die FDP warnt vor einer Debatte in Eile. BSW-Abgeordnete signalisierten Unterstützung für den Antrag.
- SPD und Grüne beklagen durch den Paragrafen 2018 eine Stigmatisierung von Frauen und Ärzten, die Abtreibungen vornehmen.
- Union und AfD sind gegen eine Reform des Abtreibungsrechts, FDP warnt vor Eile.
- Mehrheit und Abstimmung über Gesetz ungewiss.
In einer erregten Debatte hat der Bundestag am Donnerstag über eine Reform des Abtreibungsrechts debattiert. Kern des von Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken eingebrachten Gesetzentwurfs ist die Legalisierung von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche und mithin die Reform des umstrittenen Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch. Diesem zufolge ist Schwangerschaftsabbruch eine Straftat. Er wird aber nicht bestraft, wenn er innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor beraten lässt.
Dem Reformvorschlag zufolge soll die Pflicht zu einer Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch zwar bestehen bleiben. Jedoch soll die Wartepflicht von drei Tagen zwischen der Beratung und Abtreibung gestrichen werden. Außerdem sollen die Kosten des Abbruchs vollständig von den Krankenkassen übernommen werden, was bislang nicht der Fall ist.
Was gilt bisher bei Schwangerschaftsabbrüchen?
In Paragraf 218 des Strafgesetzbuches steht aktuell quasi ein Kompromiss: Eine Abtreibung ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, weil laut Grundgesetz das ungeborene Leben geschützt werden muss. Sie ist aber nicht strafbar, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch auch, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird.
SPD und Grüne beklagen Stigmatisierung
Eine der Initiatorinnen des Antrags, die SPD-Politikerin Carmen Wegge, begründete den Reformantrag unter anderem damit, dass das Strafrecht zu einer "Stigmatisierung von Frauen und Ärztinnen" führe. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte seien bereit, Abbrüche vorzunehmen.
Die Grünen-Politikerin und Mitinitiatorin Ulle Schauws betonte, mit Schuldgefühlen für Frauen müsse endlich Schluss sein. Der Paragraf 218 sei "zutiefst patriarchal". Er symbolisiere, "dass eine Frau nicht das Recht hat, selbst über ihre Schwangerschaft und somit ihr Leben und ihren Körper zu bestimmen".
Union und AfD gegen Reform, FDP warnt vor Eile
Die Union sieht keinen Handlungsbedarf und kritisierte, dass die Reform im Schnelldurchgang durchgepeitscht werden soll. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), sagte, den Abbruch im ersten Drittel der Schwangerschaft als rechtmäßig zu erklären, sei "unvereinbar mit der Menschenwürde und dem Lebensrecht des Kindes". Zudem könnten Frauen bereits frei entscheiden, ob sie ihre Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen wollten.
Ähnlich argumentierte Beatrix von Storch von der AfD. "Frauen können ja jetzt schon straffrei das Leben ihres ungeborenen Kindes beenden – ich persönlich finde das furchtbar", sagte sie. Die AfD lehnt den Antrag geschlossen ab.
Die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen sagte, die Debatte dürfe nicht in Eile geführt werden. Sie selbst sei in der nächsten Legislaturperiode bereit, einen ähnlichen Gruppenantrag zu unterstützen. Bei anderen Abgeordneten sei die Meinungsbildung hingegen noch nicht abgeschlossen.
Mehrheit und Abstimmung über Gesetz ungewiss
Mehr als 320 Abgeordnete der 733 Mitglieder des Bundestags unterstützen den Entwurf, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne). Auch Abgeordnete des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) signalisierten, den Antrag unterstützen zu wollen.
Die Antragsteller von SPD, Grünen und Linke bräuchten aber noch Stimmen aus FDP oder Union. Es ist allerdings ungewiss, wann und ob überhaupt über das Gesetz abgestimmt wird. Das Vorhaben soll zunächst an den Rechtsausschuss überwiesen werden.
Eine in dieser Legislaturperiode berufende Expertenkommission sprach sich bereits im Sommer für eine Liberalisierung bei Schwangerschaftsabbrüchen aus.
106.000 Schwangerschaftsabbrüche 2023 Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2023 rund 106.000 gemeldete Schwangerschaftsabbrüche – rund 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Oft sind junge Frauen betroffen, die meisten im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. 96 Prozent der Abtreibungen wurden nach der Beratungsregelung vorgenommen. Medizinische Gründe und Sexualdelikte waren nur in vier Prozent der Fälle Grund für den Abbruch.
dpa/KNA/epd/MDR (ala/dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 05. Dezember 2024 | 09:11 Uhr