Terrorismus Reichsbürger-Gruppe Reuß: Weitere Russland-Kontakte
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09. Februar 2024, 11:40 Uhr
Die mutmaßlichen Verschwörer um Heinrich XIII. haben offenbar häufiger Kontakte zu offiziellen russischen Stellen gesucht als bisher bekannt. Es geht um einen Brief an den Kreml, die Russin Vitalia B. und Treffen in Baden-Baden.
Der Brief soll für Kreml-Sprecher Dimitri Peskow bestimmt gewesen sein. Heinrich XIII. Prinz Reuß sollte das Schreiben im November 2022 zu einem Treffen in Koblenz mit Nikolai U. mitbringen. Laut Anklage soll Reuß darin nach einer Kooperation mit der russischen Föderation gefragt haben. Wenige Tage später wurde Reuß bei der größten Anti-Terror-Razzia in der bundesdeutschen Geschichte, einer deutschlandweiten Großrazzia im Reichsbürger-Milieu verhaftet. Nikolai U. sollte den Brief an Peskow weitergeben. Ob Peskow den Brief erhalten hat, ist unklar.
Laut Generalbundesanwalt soll der in Thüringen bekannte Frankfurter Immobilienunternehmer Reuß einen Staatsstreich geplant haben. Dafür sollte der Bundestag gestürmt sowie mittels paramilitärischer so genannter "Heimatschutzkompanien" die Macht in Deutschland übernommen werden. Deshalb sind er und 26 weitere Personen an den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main, München und Stuttgart angeklagt. Gegen rund 40 weitere mutmaßliche Terroristen laufen Ermittlungen. Der erste Prozess beginnt voraussichtlich im Mai 2024. Reuß ist als Rädelsführer angeklagt. So wie andere Reichsbürger soll er die Existenz der Bundesrepublik bestreiten und die freiheitliche-demokratische Grundordnung fundamental ablehnen.
Von Russland erhofften sich die mutmaßlichen Verschwörer Unterstützung für ihre Umsturzpläne. Das Treffen mit dem angeblichen Briefboten Nikolai U. ist ein weiteres Beispiel für die Bemühungen der Gruppe, in Kontakt mit offiziellen russischen Stellen zu treten. Laut Recherchen von MDR THÜRINGEN waren diese Bemühungen intensiver als bisher bekannt.
Nikolai U. ist 37 Jahre alt und lebte zwischenzeitlich in Hamburg. Ukrainische Behörden werfen ihm u.a. die "Zusammenarbeit mit prorussischen Terrororganisationen" sowie die "Teilnahme an Propagandaaktivitäten Russlands gegen die Ukraine" vor. Auf eine Anfrage hat er nicht reagiert.
Treffen in Bratislava
Immobilienhändler Reuß soll sich außerdem in Bratislava mit russischen Kontaktleuten getroffen haben. Gemeinsam mit Rüdiger v. P. soll er dafür im Februar 2022 in die slowakische Hauptstadt geflogen und im Hotel Falkensteiner abgestiegen sein. Rüdiger v. P. ist von der Bundesanwaltschaft ebenfalls als Rädelsführer angeklagt. In einem Chat mit seiner Schwester soll der ehemalige Bundeswehr-Offizier das Treffen in Bratislava als "Geheimgespräche" bezeichnet haben.
Von dem Treffen in der Slowakei zeugen auch Dateien mit Tabellen, die bei der Großrazzia am 7. Dezember 2022 gefunden wurden. Eine Spalte war mit "Kooperation Deutsches Reich/ Slowakei/ Russische Föderation" überschrieben. Zudem wurde eine Datei mit der Kennung "Bratislava22.docx" sichergestellt. Die Anwälte des Immobilienhändlers nahmen zu einem ausführlichen Fragenkatalog des MDR keine Stellung.
Rüdiger v. P. soll laut Bundesanwaltschaft den militärischen Arm der Gruppe geleitet haben. Seine Wohnung soll der ehemalige Kommandeur eines Fallschirmjäger-Bataillons in Baden-Württemberg wie eine Art Kommandozentrale genutzt und wahlweise "Gefechtsstand" oder "Adlerhorst" genannt haben. Geplant war, insgesamt 286 so genannte "Heimatschutzkompanien" unter sein Kommando zu stellen - verteilt über ganz Deutschland und nach eigenen Angaben zuständig für "Aufräumarbeiten" und "Säuberungen". Seine Anwälte haben auf eine MDR-Anfrage nicht reagiert.
Russische "Schläfer"
Auch der angeblichen Lebensgefährtin von Reuß, Vitalia B., wirft die Bundesanwaltschaft die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Unter anderem soll die russische Staatsbürgerin an der Beschaffung von 14 Satellitentelefonen beteiligt gewesen sein. Verhaftet wurde sie in Bad Lobenstein, wo Reuß ein kleines Jagdschloss besitzt. Auch die 40-Jährige soll versucht haben, Verbindungen mit russischen Stellen zu knüpfen.
Nach MDR THÜRINGEN-Informationen soll aus der Anklage gegen sie hervorgehen, dass sie in Kontakt mit zwei russischen "Schläfern" gestanden haben soll. Mit einem von beiden soll sie sich am 3. Juni 2022 im russischen Generalkonsulat in Leipzig getroffen haben. Reuß soll seine Teilnahme an der kurzfristig anberaumten Fahrt dorthin abgelehnt haben. Daraufhin soll B. in einer Chatnachricht die Wichtigkeit des Treffens ("keine Zeit mehr rumzusitzen") betont haben und alleine nach Leipzig gefahren sein.
Russland-"Ministerin"
Vitalia B. kam als 19-Jährige nach Deutschland und studierte in Heidelberg Kunstgeschichte. Nach MDR-Recherchen soll sie gegenüber den Ermittlern behauptet haben, von Reuß vor etlichen Jahren als Kunst-Expertin angestellt worden zu sein. Allerdings besteht der Verdacht, dass sie in der Gruppe nach dem geplanten Umsturz eine wesentliche Rolle spielen sollte. In einer Chatnachricht vom Februar 2022 soll Reuß ihr mitgeteilt haben, dass sie künftig die "Abteilung RUS" führen soll. Auf die Nachricht des Prinzen soll sie mit einem Herz-Emoji reagiert haben.
Im russischen Generalkonsulat in Leipzig indes waren die beiden nach MDR Informationen in den vergangenen Jahren mehrfach. So sollen Reuß und Vitalia B. auch am 13. Juni 2022 dort gewesen sein. Offizieller Grund: eine Porzellan-Ausstellung. Diese Behauptung hält der Generalbundesanwalt inzwischen für widerlegt.
Nach MDR-Recherchen soll in der Anklage gegen Vitalia B. ein Vermerk des Bundesnachrichtendienstes zu finden sein. Nach diesem sollen BND-Informationen zum damaligen Leipziger Generalkonsul Dronov sowie zu Vitalia B. nahelegen, dass es bei dem Gespräch in Leipzig und den die Gruppe Reuß betreffenden Inhalten insbesondere um die Unterstützung durch die russische Föderation gegangen sein müsse.
Der BND teilte auf MDR-Anfrage mit: "Der Bundesnachrichtendienst nimmt zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht." Die russische Botschaft in Berlin teilte mit: "Der Botschaft liegen hierzu keine Informationen vor." Die Anwältin von Vitalia B. hat auf Fragen nicht reagiert.
Treffen in Baden-Baden
Und auch die Anwälte der Beschuldigten Johanna F.-J. aus dem Bodenseekreis ignorierten MDR-Anfragen. Die ehemalige Bundestagskandidatin der Corona-Leugner-Partei "Die Basis" soll unter Reuß als "Familienministerin" vorgesehen gewesen sein. Einem Bericht des Südkuriers zufolge soll sie der Gruppe 150.000 Euro zur Verfügung gestellt haben. Johanna F.-J. wurde im Mai des vergangen Jahres verhaftet.
Auch sie soll russische Regierungsstellen kontaktiert haben. So soll sie auf das inzwischen geschlossene russische Generalkonsulat in Frankfurt am Main zugegangen sein. Ein entsprechendes Treffen mit dem damaligen Generalkonsul Ivan Khotulev soll dort Mitte November 2022 stattgefunden haben. Daraufhin soll sie sich Anfang Dezember, also wenige Tage vor der Razzia, noch zweimal mit Khoutlev getroffen haben - an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, in zwei unterschiedlichen Hotels in Baden-Baden, einem bei Menschen aus Russland beliebtem Ort.
Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN teilte die russische Botschaft in Berlin mit: "Die diplomatischen Vertreter Russlands mischen sich nicht in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten ein und beteiligen sich auch nicht an illegalen Aktionen, die auf eine Destabilisierung der Lage im Aufenthaltsstaat abzielen."
MDR (lke/baw/cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 08. Februar 2024 | 18:00 Uhr