Das in den Jahren 1922/23 erbaute Schloss in Bärwalde diente zu DDR-Zeiten als Lungenklinik. Heute ist das denkmalgeschützte Gebäude in Privatbesitz und dient zu Wohnzwecken.
Das in den Jahren 1922/23 erbaute Schloss in Bärwalde diente zu DDR-Zeiten als Lungenklinik. Heute ist das denkmalgeschützte Gebäude in Privatbesitz und wird bewohnt. Bildrechte: MDR/Martin Kliemank

Verfassungsschutz warnt Reichsbürger planen Siedlung auf Bärwalder Schlossgelände

07. Mai 2022, 07:00 Uhr

Im Boxberger Ortsteil Bärwalde haben Arbeitseinsätze von Reichsbürgern große Besorgnis ausgelöst. Anwohner fürchten, dass sich eine sektenähnliche Gruppierung am Schloss niederlässt. Der Verfassungsschutz warnt vor den Auswirkungen.

Vom Schlossgelände kräht lauthals ein Hahn. Ein Pferd grast dort unter hochgewachsenen Eichen. Hinter den Baumwipfeln ist der Turm des 1923 errichteten Schlosses zu erkennen. Es ist still in Bärwalde. Nur ein paar Radfahrer im Sportdress rollen über die Dorfstraße. In den vergangenen Wochen aber hatten immer wieder Menschenansammlungen auf dem Schlossgelände im Dorf für Unruhe gesorgt.

Jahrelang tat sich wenig um das von einem älteren Ehepaar bewohnte Schloss. Dann parkten zig Fahrzeuge mit Kennzeichen aus dem ganzen Bundesgebiet davor. Bis zu 100 Menschen kamen für Arbeitseinsätze auf das Gelände. Sie rechten Laub zusammen, stutzten Bäume zurecht und schnitten ein altes Gewächshaus frei, berichtet eine Anwohnerin. Sie sprach die Leute an, wollte wissen, wer sie sind und was sie auf dem Schlossgelände vorhaben. Die hätten frei heraus geantwortet: "Wir sind vom Königreich Deutschland." Ein Mann habe ihr erklärt, dass die Leute eine autarke Siedlung aufbauen wollen.

Aussteigerseminare in Bärwalde?

Den Bärwaldern bereitet das Sorgen. Denn sie wissen, dass die Anhänger des "Königreichs" den Reichsbürgern zuzuordnen sind. "Die benutzen unsere Straßen, wollen aber nicht dafür bezahlen", erklärt die Schlossanwohnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Die Reichsbürger erkennen den deutschen Staat nicht an. Gebühren und Steuern an deutsche Behörden wollen sie nicht entrichten. "Wer weiß, was die hier noch alles herbringen", sagt die Bärwalderin am Gartenzaun.

Auf der Internetseite des so genannten "Königreichs Deutschland" ist ein professionell produziertes Video des Arbeitseinsatzes in Bärwalde zu sehen. Ein Mann mit Vollbart und Wollmütze sagt darin: "Die einzige Möglichkeit für einen friedvollen Übergang ist, dass man parallel etwas Neues schafft." Der selbst ernannte "König" Peter Fitzek sagt vor seinen Anhängern in dem Video aus Bärwalde: "Ab Mai will ich gerne auch Systemausstiegsseminare hier machen."

Sektenartige Abschottung

Das "Königreich Deutschland" - ein Zusammenschluss von Reichsbürgern - wolle in Bärwalde ein sogenanntes "Gemeinwohldorf" errichten, informiert das Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage. Ziel sei es, dort "pseudo-legale Parallelstrukturen" zu den real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen aufzubauen. Die Aktivitäten seien darauf ausgerichtet, Interessenten und potenzielle "Bewohner der Gemeinwohldörfer" mit reichsbürgertypischen, extremistischen Ideologien zu indoktrinieren.

Es sollen gezielt Zweifel an der Legitimität staatlichen Handels geweckt oder verstärkt und extremistisches Gedankengut verbreitet werden. Dieses Agieren stellen wir auch in Bärwalde fest.

Karin Keck Sprecherin des Landesamtes für Verfassungsschutz

Eine Gefahr sieht das Landesamt für Verfassungsschutz vor allem darin, dass die "Gemeinwohldörfer" dazu instrumentalisiert werden könnten, dass sich deren Bewohner sektenartig von der Außenwelt abschotten. "Wer sich auf diese Gruppierung einlässt und dieser seine Ersparnisse blind anvertraut, gerät nicht nur in eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit des 'Königreichs' bzw. des selbsternannten 'Diktators', sondern auch in den Strudel extremistischer Ideologien und Verschwörungstheorien", warnen die Verfassungsschützer.

Gemeindeverwaltung sieht keine Handhabe gegen die Reichsbürger

In Bärwalde haben die Reichsbürger bereits drei, vier Arbeitseinsätze auf dem Schlossgelände veranstaltet, berichtet Boxbergs Hauptamtsleiter Arian Leffs. Danach hätten sich immer wieder besorgte Dorfbewohner auf dem Amt gemeldet. Die Gemeindeverwaltung sah sich deshalb veranlasst, eine Einwohnerversammlung einzuberufen. "Wir wollten darüber informieren, was wir wissen", sagt Leffs.

Viel sagen kann er den Bürgern aber nicht. Die Arbeitseinsätze finden auf Privatgrund statt. Die Eigentümer müssen die Gemeinde nicht darüber informieren, was auf ihrem Grund und Boden vor sich geht. Bekannt ist, dass sie das Schloss verkaufen möchten. Seit Jahren bemühen sie sich um einen Käufer – ohne Erfolg. Und auch jetzt da im Dorf gemutmaßt wird, die Reichsbürger hätten das Schloss gekauft, wird die Immobilie weiter auf Internetportalen zum Kauf angeboten – für mehr als 1,3 Millionen Euro.

Maklerin: Schloss steht noch zum Verkauf

Die Immobilienmaklerin bestätigt, dass das Schloss noch zu haben ist. Es sei noch nicht verkauft. Zwar habe es schon Interessenten gegeben. Zur Unterzeichnung eines Kaufvertrags sei es allerdings noch nicht gekommen. Die Eigentümer selbst konnte MDR SACHSEN nicht erreichen. Auch der Gemeindeverwaltung ist nichts über einen Verkauf bekannt. Ein notariell beglaubigter Kaufvertrag liege Boxberg nicht vor, sagt Hauptamtsleiter Arian Leffs. "Wir warten ab und hoffen, dass der Interessent nicht kaufen kann", kommentiert Leffs die Aktivitäten des Reichsbürgers Peter Fitzek in Bärwalde. "Machen können wir da relativ wenig."

Die Gemeindeverwaltung hat prüfen lassen, ob sie das kommunale Vorkaufsrecht für das Schloss geltend machen könnte. Dem seien aber enge Grenzen gesetzt. Fazit: Dass Boxberg das Schloss kauft, sei nicht genehmigungsfähig, erklärt Leffs. Die Gemeinde habe dazu auch nicht das Geld. Deshalb bat Boxberg das sächsische Finanzministerium um Hilfe. Denn ein Gesetz zum Erhalt von Kulturdenkmälern sieht vor, dass das Land bei Verkäufen von Denkmälern unter Privatleuten einschreiten und die Objekte selbst erwerben kann. Dazu müssen die Immobilien aber von "überörtlicher Bedeutung" sein.

Landesregierung hat kein Interesse am Schutz des Schlosses

Diese Bedeutung sieht das Finanzministerium beim Schloss in Bärwalde nicht, erklärt Jörg Herold, Sprecher der Landesbehörde, auf Nachfrage. Das Ministerium halte das Schloss nicht für so wertvoll, um es schützen zu müssen. Außerdem fehle ein Konzept, was im Falle eines Kaufs mit dem Schloss passieren soll. "Wir können es nicht verwerten", gesteht Herold. "Nur wegen der Gesinnung eines Käufers können wir kein Vorkaufsrecht ausüben."

Verfassungsschutz befürchtet Auswirkungen auf Dorfgemeinschaft

Weil Reichsbürger ihre extremistische Ideologie typischerweise offensiv verbreiten würden, befürchtet das Landesamt für Verfassungsschutz durch die Aktivitäten der Reichsbürger in Bärwalde "erhebliche Auswirkungen" auf die Gemeinschaft im Dorf. "Soweit die Reichsbürger offensiv die Auffassung vertreten, man brauche keine Steuern oder Abgaben bezahlen und solle hoheitliche Bescheide ignorieren, bringen sie Unruhe und Verunsicherung in die Bevölkerung", erklärt Karin Keck vom Verfassungsschutz. Dass die Reichsbürger in Bärwalde öffentlich agieren, zeige, mit welchem Selbstbewusstsein diese Gruppierung die Demokratie ablehne.

Das "Gemeinwohldorf" in Bärwalde sieht Sachsens Verfassungsschutz aber noch im Aufbau. Die Verfassungsschützer gehen davon aus, dass die Arbeitseinsätze der Reichsbürger in Bärwalde in den kommenden Wochen weitergehen. Konkrete Ankündigungen neuer Einsätze lassen sich auf der Internetseite des Königreichs Deutschland aber nicht finden.

MDR (mk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 06. Mai 2022 | 16:30 Uhr

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