Ein Mann wird von uniformierten Polizisten abgeführt
Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde im Dezember 2022 festgenommen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Boris Roessler

Reichsbürger-Putschversuch Die möglichen Russland-Verbindungen der Gruppe Reuß

19. Juli 2023, 05:00 Uhr

Hat die mutmaßliche Putschistengruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß Kontakt zur russischen Regierung gesucht? Offensichtlich indirekt und verdeckt. Das legen interne Mails zwischen mutmaßlichen Verschwörern und dem russischen Generalkonsulat in Leipzig nahe.

Am 7. Dezember vergangenen Jahres startet die größte Polizeiaktion in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Rund 3.200 Polizisten durchkämmen an diesem frühen Morgen deutschlandweit dutzende Häuser. Sie nehmen knapp zwei Dutzend Männer und Frauen fest, die alle beschuldigt werden, eine Terrorgruppe gegründet oder unterstützt zu haben - mit dem Ziel, einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland herbeizuführen.

Im Zentrum der Ermittlungen steht Heinrich XIII. Prinz Reuß. Ein Adelsspross mit Wohnsitz in Frankfurt am Main und dem ostthüringischen Bad Lobenstein. Doch neben ihm und weiteren mutmaßlichen Verschwörern, vor allem in Süddeutschland, werden auch Wohn- und Geschäftsräume im sächsischen Olbernhau durchsucht.

In dem kleinen Ort, der besonders für seine erzgebirgische Drechselkunst bekannt ist, werden an diesem Morgen zwei Männer festgenommen: Christian W. und Frank R.. Dem einen wird die Mitgründung der Terrorgruppe um Reuß vorgeworfen, dem anderen die Unterstützung derselben. Zudem rückt ein weiterer Unterstützer ins Visier der Bundesanwaltschaft, der aber nicht festgenommen worden sein soll.

Ermittler finden Mails an russisches Konsulat

Bei der Razzia machen die Fahnder bei Frank R. einen brisanten Fund. Sie stoßen auf vier Seiten eines ausgedruckten Mailverkehrs zwischen den drei Beschuldigten und dem russischen Generalkonsulat in Leipzig. Nach Recherchen des MDR soll dieser am 28. November 2022 beginnen. Zu diesem Zeitpunkt laufen die Ermittlungen gegen Reuß und seine Gruppe bereits auf Hochtouren. Die mutmaßlichen Verschwörer aus Olbernhau verfassen offenbar eine Mail, die sie an diesem Tag über die Firmenadresse von Frank R. an das russische Konsulat verschicken.

Russisches Generalkonsulat in Leipzig
Das russische Generalkonsulat in Leipzig. Bildrechte: xcitepress/justin vogel

Kontaktsuche zu russischer Regierung

In der Mail geben sie sich klar pro-russisch. Sie seien eine Gruppe von mittelständischen Unternehmern, die der einseitigen Berichterstattung mit viel Zweifeln begegnen. Dabei verweisen sie auf die Medien, die aus ihrer Sicht einseitig über den Russland-Ukraine-Krieg berichten und damit der Russischen Föderation schadeten.

Sie klagen darüber, dass die Russische Föderation in einem falschen Licht dargestellt werde. Das, so soll es in der Mail heißen, wollten sie der russischen Regierung mitteilen und wollten sich bei einem persönlichen Treffen im Generalkonsulat vorstellen, um über diese Themen mit der russischen Seite zu sprechen.

Russisches Konsulat lädt zu Treffen ein

Das russische Generalkonsulat, das eine offizielle diplomatische Vertretung der russischen Regierung ist, scheint den Wunsch nach einem Treffen der drei Olbernhauer nicht als sinnlose Spinnerei abzutun. Im Gegenteil: Nur zwei Tage später schreibt ein offenbar hochrangiger Diplomat an die mutmaßlichen Reuß-Gruppenmitglieder zurück.

Er bedankt sich für die Mail und schlägt ein kurzfristiges persönliches Treffen in Leipzig im Konsulat am 8. Dezember vor. Doch dazu kommt es nicht mehr. Am 7. Dezember schlagen die Terrorfahnder zu. Was also wollten die Männer genau in Leipzig? Wieso bekommen drei unbekannte sächsische Geschäftsleute aufgrund einer Mail voller Floskeln einen kurzfristigen persönlichen Termin in einer offiziellen diplomatischen Vertretung Russlands?

Fragen bleiben unbeantwortet

Der MDR hat die Anwälte der Männer kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten. Einige lehnten diese ab, andere reagierten nicht auf die Anfrage. Auch das russische Generalkonsulat in Leipzig antwortete nicht auf eine entsprechende MDR-Anfrage. Dabei taucht das Konsulat als Treffpunkt in den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft mehrmals auf.

So soll der Chef der mutmaßlichen Verschwörer, Heinrich XIII., mit seiner angeblichen russischen Lebensgefährtin Vitalia B. in Leipzig gewesen sein. Welche Rolle B. spielt, die bei der Razzia im Reußen-Schloss in Bad Lobenstein festgenommen worden sein soll, ist offensichtlich auch nicht genau geklärt. Ihr wird die Unterstützung einer Terrorgruppe vorgeworfen.

Wer ist Vitalia B.?

Vitalia B. - dunkle lange Haare, blasser Teint, spitze Nase, schmales Gesicht, konzentrierter Blick. Auf Fotos, die dem MDR vorliegen, wirkt sie in weißer Bluse und dunklem Blazer wie eine Managerin eines Wirtschaftsunternehmens. In zahlreichen Medienveröffentlichungen wird sie als "Lebensgefährtin" oder "Assistentin" von Reuß bezeichnet.

Was davon tatsächlich zutrifft, ist unklar. Fragen will ihre Anwältin nicht beantworten. Vitalia B., 1983 in Kaliningrad geboren, reiste erstmals am 1. Oktober 2002 nach Deutschland ein. Da war sie 19 Jahre alt. Bis zu ihrer Verhaftung in Bad Lobenstein, wo sie zuletzt eine Wohnung gesucht haben soll, war sie in Heidelberg gemeldet. Dort hatte sie erfolgreich Kunstgeschichte studiert.

Zwischen 2012 und 2019 schrieb sie an der Universität Heidelberg ihre Doktorarbeit. Darin geht es um zwei russische Adlige aus dem 16. und 19. Jahrhundert, die Gemälde sammelten. In europäischen und russischen Museen machte sich die Doktorandin auf die Suche nach diesen Werken. Bei ihrer Abschlussfeier 2019 erhielt sie dafür den Doktortitel "cum laude", also "mit einem akademischen Lob". Nach Informationen des MDR soll sie während der Feier bekanntgeben haben, Deutschland verlassen zu wollen, um nach Russland zurückzukehren. Dass das offenbar nicht stimmte, zeigt auch ihre Verhaftung in Thüringen im vergangenen Dezember.

Besuch in russischem Konsulat

Der MDR hat mit Menschen gesprochen, die mit Vitalia B. während ihrer Zeit in Heidelberg in Kontakt standen. In diesen Gesprächen wurde sie als "höflich", "korrekt" und "professionell" beschrieben. Einer, der sie näher kannte, sagte: "Mich erinnerte sie an gut erzogene Mädchen aus den wohlhabenden Pariser Stadt-Vierteln." Zu politischen Themen habe sie sich nie geäußert.

So wie die drei Männer um den Olbernhauer Christian W. soll auch Vitalia B. Kontakte zum russischen Generalkonsulat in Leipzig gehabt haben. Laut Medienberichten soll sie vor drei Jahren die Teilnahme von Prinz Reuß an der dortigen Feier zum russischen Nationalfeiertag vermittelt haben. Sie selbst soll das Konsulat nach Informationen des MDR 2022 dann nochmal alleine besucht haben.

Zu welchem Zweck und mit welchen Zielen, ist unklar. Auch zu diesen Fragen reagierte das Generalkonsulat nicht. Welche Rolle spielt Vitalia B. in dem ganzen Komplex? Ist sie eine russische Agentin und wurde sie auf die Gruppe angesetzt? Wenn ja, mit welchem Ziel? Oder ist sie eine Kunsthistorikerin mit einer Affinität zum Adel und nur unschuldig in diesen Fall gerutscht? Fragen dazu wollten weder Ihre Verteidigerin in Rücksprache mit Vitalia B. noch die Bundesanwaltschaft beantworten.

Vorfall in Untersuchungshaft

Aufhorchen lässt aber eine Begebenheit, die sich kurz nach B.s Festnahme in der Untersuchungshaft abgespielt haben soll. Nach Informationen des MDR soll sie während einer medizinischen Untersuchung gegenüber Mitarbeiterinnen der Justizvollzugsanstalt behauptet haben, nicht die zu sein, für die sie gehalten wird.

Ihr Name laute vielmehr "Maria Romanov", soll sie behauptet haben. Im Gefängnis sitze sie darüber hinaus als Unschuldige zu Unrecht. Einer ihrer ehemaligen Heidelberger Kontakte bestätigte dem MDR allerdings, dass die Frau auf dem Foto mit den dunklen Haaren, dem schmalen Gesicht und dem konzentrierten Blick sich selbst während der gesamten Studienzeit Vitalia B. genannt habe.

Hoffen auf russische Unterstützung

Russland und Kontakte zu russischen Regierungsstellen waren offenbar ein zentraler strategischer Bestandteil der Gruppe Reuß gewesen. So wurde immer wieder von eine "Allianz" gesprochen, bei der die mutmaßlichen Putschisten auf eine Hilfe aus Moskau warteten. Offenbar, so war ihre Hoffnung, könne es von dort ein Signal geben, dass man einen gewaltsamen Aufstand und eine Destabilisierung der Bundesrepublik befürworte.

Das jedenfalls scheinen die Anführer der Gruppe ihren Mitgliedern immer wieder gesagt zu haben. Doch die merken offenbar schnell, dass es wohl bei leeren Worten bleibt. Bei einem Treffen in einem Landhotel, nur fünf Kilometer vom Ostthüringer Schloss von Heinrich XIII. entfernt, soll es zum Streit gekommen sein.

Offenbar Streit um fehlende Hilfe aus Moskau

Am 17. September vergangenen Jahres, also drei Monate bevor die Gruppe auffliegt, sollen sich in dem Hotel Mitglieder der Gruppe Reuß getroffen haben - besonders die des militärischen Arms. Einer will von den Führungsleuten wissen, wie es denn mit der russischen Unterstützung aussehe.

Die Ermittler, die diese Treffen überwachen, notieren, dass es wohl keine befriedigende Antwort gab und es zum Streit kam. Offenbar hatten die mutmaßlichen Verschwörer zu sehr auf die Moskauer Hilfe vertraut. Die Bundesanwaltschaft reagierte auf eine MDR-Anfrage zu diesen ganzen Informationen nicht.

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MDR (lke/baw/mm)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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