Eine Frau hält das Ultraschallbild eines ungeborenen Kindes in den Händen. 3 min
Audio: Sie hat sich für einen besseren Schutz für Menschen eingesetzt, die eine Fehlgeburt erleiden mussten – das sagt die Initiatorin zum neuen Mutterschutzgesetz. Bildrechte: picture alliance / photothek | Thomas Trutschel

Krankschreibung nach Fehlgeburt "Das war ein harter Kampf" – Initiatorin über das neue Mutterschutzgesetz

01. Februar 2025, 16:09 Uhr

Natascha Sagorski hat selbst eine Fehlgeburt erlitten. Ihre Ärztin schrieb sie daraufhin jedoch nicht krank, obwohl Sagorski nicht arbeiten konnte. Seitdem setzt sie sich für einen besseren Schutz für Betroffene ein. Nun hat der Bundestag eine Änderung des Mutterschutzgesetzes beschlossen – die auch durch ihre Mitwirkung zustande kam.

MDR AKTUELL: Frau Sagorski, wie ging es Ihnen Donnerstag am späten Abend, als der Bundestag über das Gesetz abgestimmt hat? Sie saßen ja als Zuschauerin mit im Bundestag.

Das war ein wahnsinniges Gefühl. Es war surreal. Ich habe gesehen, wie unten auf einmal alle Hände hoch gingen. Dann kam der Satz: "Und damit ist das angenommen". Dann sind alle Abgeordneten aufgestanden, haben geklatscht, haben sich zur Tribüne umgedreht. Ich saß da, habe geweint. Es war, wenn man drei Jahre lang so intensiv für etwas kämpft, mit so vielen Aufs und Abs, alles andere als selbstverständlich, dass das jetzt in dieser Legislatur noch verabschiedet wurde. Dann ist es im Moment da sprudeln die Gefühle einfach über.

Wenn wir nochmal auf ihren eigenen Fall gucken: Ihr Kind ist ja schon in der zehnten Schwangerschaftswoche gestorben. Das hätte dann keine Krankschreibung nach der Fehlgeburt bedeutet. Reicht Ihnen denn das neue Gesetz?

Genau, ich hätte in der zehnten Woche keinen Anspruch auf Mutterschutz. Ich fordere ja einen Mutterschutz, einen gestaffelten freiwilligen ab der sechsten Woche. Aber ich mache das jetzt seit drei Jahren. Vor drei Jahren habe ich die Petition gestartet, und man muss auch, ja, realistische Verhältnisse anerkennen.

Es war leider sehr schnell klar, dass es keine demokratische Mehrheit fürs erste Trimester gibt. Und deswegen habe ich die letzten drei Jahre mit Mitstreitern dafür gekämpft, dass es nicht die 20. Woche, die 18. Woche und nicht die 15. Woche wird – es war nämlich alles im Gespräch. Sondern es wurde die 13. Woche. Und damit haben wir den allerbesten Fall erreicht. Deswegen bin ich sehr, sehr froh, bin ich sehr, sehr stolz. Das war ein harter Kampf.

Können wir noch mal auf die Anfänge blicken? Wie sind Sie denn aktiv geworden?

Ich hatte selbst eine Fehlgeburt und ich wurde nicht krankgeschrieben. Die Ärztin im Krankenhaus, wo ich meine Ausschabung hatte, meinte: "sie brauchen keine Krankschreibung. Sie können morgen wieder arbeiten". Das konnte ich aber nicht. Ich dachte ganz lange, ich hätte einfach Pech gehabt. Unsensible Ärztin, dumm gelaufen.

Dann habe ich aber für mein Buch "Jede 3. Frau" ganz viele betroffene Frauen interviewt und nach Mutmachgeschichten gefragt. Aber immer wieder haben Frauen erzählt, dass sie nicht krankgeschrieben wurden. Und dann hat es Klick gemacht, dass ich kein Einzelfall bin, sondern dass wir ein strukturelles Problem haben. Ich habe recherchiert, bin auf den gestapelten Mutterschutz gestoßen. Und dann habe ich die Petition gestartet und damit ein Lauffeuer angestoßen.

Hatten Sie dann auf ihrem Weg Unterstützung? Wer oder auch was hat Ihnen konkret geholfen?

Ich hatte sehr, sehr viel Unterstützung – vom Sternenkind Verein über Versicherungen wie der IKK, aber auch Prominente wie Marie Nasemann, Collien Fernandes und Jessica Weiß; Politiker*Innen wie Lars Klingbeil (SPD) sowie aus allen möglichen Parteien, von von der Union, den Grünen, der SPD, der Linken und der FDP.

Es waren sich eigentlich alle einig, dass das sinnvoll ist und dass wir das machen müssen. Nur manchmal dauert es in der Politik ein bisschen länger, wobei mir jetzt schon viele gesagt haben: eigentlich sind drei Jahre gar nicht lang. Aber es hat sich natürlich trotzdem so angefühlt.

Sie haben ja jetzt einen kompletten demokratischen Prozess durchlaufen. Welche Erkenntnisse haben Sie denn dabei gewonnen?

Dass es sehr schwierig ist, politische Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn es Menschen betrifft, die keine Lobby haben – also Familien, besonders Frauen wie jetzt beim Mutterschutz. Und dass dieses Vorurteil, Familienpolitik ist Gedöns, echt noch sehr verbreitet ist. Was mich teilweise wirklich erschreckt hat. Deswegen habe ich mir auch vorgenommen, mich weiterhin dafür einzusetzen, dass familienpolitische Themen und vor allem auch Themen, die Mütter betreffen, die wirklich gar keine Lobby und meistens auch keine Zeit haben, sich irgendwie ehrenamtlich oder in Parteien zu engagieren.

Und das machen sie, indem sie selbst in eine Partei eingetreten sind.

Ich bin tatsächlich im Rahmen eines Engagements selbst in die SPD eingetreten. Und das ist auch mein Appell. Also egal, welche demokratische Partei: Es ist wichtig, dass wir Mütter, Eltern, junge Menschen in die Parteien gehen. Denn wir leben in einer Demokratie, die auf einem Parteiensystem fußt. Parteien machen die Politik, die die Menschen formulieren, die in den Parteien Mitglieder sind. Und deswegen müssen wir alle in die Parteien gehen und dafür sorgen, dass unsere Demokratie stark und stabil und eine Demokratie der Mitte bleibt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 01. Februar 2025 | 07:00 Uhr

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