Kommentar Scholz' Zögern hat einen hohen Preis
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25. Januar 2023, 21:14 Uhr
Die Entscheidung der Bundesregierung, Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern, kam erst nach langem Zögern. Das ist angesichts der deutschen Vergangenheit gut so. Doch will Kanzler Scholz das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands nicht gefährden, muss er künftig besser kommunizieren, meint Alexander Budweg.
- Die Entscheidung für Leopard-2-Panzerlieferungen hat sich Kanzler Scholz zurecht nicht leicht gemacht.
- Scholz' Kommunikation war aber ein Problem – er sprach nur mit seinem engsten Kreis.
- Deutschlands Rolle als verlässlicher Partner steht auf dem Spiel.
Panzer in ein Kriegsgebiet zu schicken, sollte schon grundsätzlich keine Entscheidung sein, die mal eben im Vorbeigehen getroffen wird. Wenn dann auch noch deutsche Panzer gegen russische Soldaten eingesetzt werden sollen, muss auch Deutschlands historische Verantwortung Gewicht bekommen.
Schließlich brachte deutsches Kriegsgerät unsägliches Leid und Zerstörung in die Region und es brauchte lange für eine Aussöhnung. Und obwohl das Völkerrecht es anders sieht: Mit jeder Waffenlieferung droht Deutschland auch immer mehr selbst zur Kriegspartei zu werden.
Scholz lässt sich nicht von denen treiben, die am lautesten schreien
Es beruhigt mich daher, dass im Kanzleramt mit Olaf Scholz ein Mann sitzt, der nicht dem ersten Impuls nachgibt, immer sofort das vermeintlich Richtige tun zu wollen. Stattdessen hält Scholz auch härteste Kritik aus und lässt sich nicht von jenen treiben, die am lautesten schreien.
Sollte es zudem tatsächlich der Plan des Kanzlers gewesen sein, mit seiner Zurückhaltung auch Amerikaner, Briten und andere im Bündnis zu einer Beteiligung in Sachen Kampfpanzern zu bewegen, dann wäre ihm damit zudem auch noch ein großer Coup gelungen, der den Ukrainern nützt und ihm eher geschadet hat.
Deutschlands Ruf in der Welt steht auf dem Spiel
Schließlich wird Scholz' Zurückhaltung oft als Zögern oder Zaudern interpretiert. Zum Teil mag das an der Ungeduld jener liegen, die nur von außen zuschauen können. Zum Teil liegt es aber auch an Olaf Scholz selbst. Von der Panzerhaubitze 2000 über den Schützenpanzer Marder bis hin zum Kampfpanzer Leopard – all diese Entscheidungen hat der Kanzler nur im engsten Kreis diskutiert. Die Öffentlichkeit und auch seine politischen Partner blieben stets auf der Strecke.
Das sorgt nicht nur für einen Vertrauensverlust im Inland. Auch Deutschlands internationalen Partner fragen sich zunehmend, wie verlässlich der Kanzler ist. Dem auch von ihm selbst formulierten Führungsanspruch Deutschlands in Europa wird Scholz dabei kaum gerecht.
Und selbst wenn unterm Strich alles genauso so kommen mag, wie es der Kanzler geplant haben könnte: Scholz sollte auch den Preis bedenken, den nicht nur er dafür zahlt. Auf dem Spiel steht neben seinem Ruf auch das Vertrauen in politische Prozesse, das Klima in der Koalition und das Ansehen Deutschlands in der Welt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. Januar 2023 | 16:00 Uhr