Großkreuz in besonderer Ausführung Bundesverdienstkreuz: Gysi kritisiert hohe Auszeichnung für Merkel
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17. April 2023, 05:00 Uhr
Das Großkreuz in besonderer Ausführung ist die höchste Auszeichnung, die in der Bundesrepublik vergeben werden kann. Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel wird den Orden heute erhalten. Wie verdient ist die Auszeichnung für Merkel? Wir haben bei politischen Wegbegleitern wie Gregor Gysi nachgefragt.
- Früherer Innenminister von Merkel, Thomas de Maizière, hält den Orden für Merkel für berechtigt.
- Linken-Politiker Gregor Gysi findet dagegen, das Merkel in ihrer Kanzlerschaft im Wesentlich nur verwaltet hat.
- Denkfabrik "R21" hält Auszeichnung ganz und gar für einen Fehler.
Angela Merkel ist nach den Bundeskanzlern Konrad Adenauer und Helmut Kohl erst die dritte Person, die den Verdienstorden "Großkreuz in besonderer Ausführung" erhält. Merkel erhält gut anderthalb Jahre nach Ende ihrer Kanzlerinnenschaft damit eine besondere Auszeichnung. Fragt man Passanten in der Leipziger Innenstadt, zeigt sich ein unterschiedliches Stimmungbild. Die einen fragen sich, warum ein Ex-Kanzler noch einen Orden bekommen muss, andere wiederum halten die Auszeichnung für durchaus gerechtfertigt.
Das Bundesverdienstkreuz kriegt ja jemand, der sich verdient gemacht hat. Von einem Bundeskanzler erwarte ich das sowieso. Wieso soll derjenige oder diejenige das Bundesverdienstkreuz bekommen?
Was Wegbegleiter von der Auszeichnung halten
Bei der Verleihung in Schloss Bellevue werden zahlreiche Wegbegleiter Merkels zugegen sein, darunter Merkel ehemalige Kanzleramtschefs Helge Braun, Peter Altmaier und Thomas de Maizière.
De Maizière teilt MDR AKTUELL schriftlich mit, er fühle sich geehrt, teilnehmen zu dürfen. Die Auszeichnung sei gerechtfertigt. Mit dem Orden werde die herausragende Lebensleistung Merkels gewürdigt.
Gysi hält Auszeichnung für überzogen
Einer, der neben Merkel lange Jahre das politische Berlin gestaltet hat, ist der Linken-Politiker Gregor Gysi. Er hält das "Großkreuz in besonderer Ausführung" für Merkel überzogen. Vielmehr ärgere es ihn, dass der frühere SPD-Kanzler Willy Brandt den Orden nicht bekommen habe, der wie einst Konrad Adenauer und Helmut Kohl wirklich politische Ziele verfolgte. Alle anderen Kanzlerinnen und Kanzler hätten die Bundesrepublik im Wesentlichen nur verwaltet.
Orden für Adenauer, für Kohl und jetzt für Merkel
Der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger pflichtet Gysi in diesem Punkt bei. Wenn es darum ginge, Verdienste zu würdigen, dann gebe es zwischen Adenauer, Kohl und Merkel eine große Distanz, sagt Jäger auf Anfrage. So sei Adenauer der Kanzler der Westintegration gewesen, Kohl der Kanzler der Einheit. Dagegen sieht Jäger vergleichbare Verdienste bei Merkel nicht.
Adenauer war der Kanzler, der die Bundesrepublik in die Westintegration geführt hat. Kohl war der Kanzler, der die Einheit des Landes bewerkstelligt hat. Und vergleichbare Verdienste sind bei Merkel nicht zu sehen.
Gysi: Merkel war erste weibliche und erste ostdeutsche Kanzlerin
Merkels politische Leistungen seien immer aus der Situation heraus entstanden, meint Gregor Gysi. Beim Atomausstieg und in der Flüchtlingskrise 2015 habe sie Mut bewiesen. Doch werde man Kanzler oder Kanzlerin, "muss man ein politisches Ziel haben, zum Beispiel die Angleichung Ost-West", sagt der Linken-Politiker. Diese Agenda habe bei Merkel gefehlt, dennoch habe sie ihre Verdienste und er wolle ihre Leistungen nicht bestreiten.
Erstens, sie ist die erste Frau, die es geschafft hat Kanzlerin zu werden und das bei der Union. Das ist schon eine spezielle Leitung. Und zweitens, sie ist die erste und wahrscheinlich auf lange Zeit letzte Ostdeutsche, die es geschafft hat.
Denkfabrik: Merkel-Ära implodiert gerade
Aus den eigenen konservativen Reihen Merkels kommt aber auch Kritik an der hohen Auszeichnung. Die Denkfabrik "R21", in der unter anderem die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder engagiert ist, bezeichnet das Großkreuz für Merkel als "Fehler, mit dem der Bundespräsident der Demokratie und ihrer Glaubwürdigkeit schadet".
Die Ära Merkel implodiere gerade vor unser aller Augen – egal, ob es um Energiepolitik, Russlandpolitik oder Migrationspolitik gehe. Mit der Ordensverleihung belobige der Bundespräsident nicht nur seine frühere Chefin, sondern auch das problematische Erbe der vergangenen Jahre.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. April 2023 | 06:00 Uhr