Unter der Lupe | Die politische Kolumne Ready to go? Wie die FDP neuen Schwung ins Wahljahr bringen will
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28. April 2024, 05:00 Uhr
Die Umfragen sind im Keller. Der Ampel-Frustpegel ist hoch. Wo ist die liberale Idee, der große Wurf, mit dem man in diesem Jahr die Wähler erreichen kann? Ein 12-Punkte-Plan soll helfen, die Liberalen wieder auf die Erfolgsspur zu bringen.
Der Bundesadler steht in den Startlöchern. Das Bühnenbild passt zum Parteitag. Botschaften senden, das können sie, wie kaum eine andere Partei. Doch in der Ampel bleiben die liberalen Höhenflüge aus. Die Freien Demokraten haben das Gaspedal mit der Bremse getauscht. Die Grünen preschen vor, die FDP hält das Stoppschild hoch. Streit lässt da nicht lange auf sich warten. Der Bundesvorsitzende trifft den Nerv der Delegierten, wenn er ihnen zuruft, "dass wir nichts aufgegeben haben, von unseren Überzeugungen".
Denn genau mit diesem Gefühl sind nicht wenige nach Berlin gereist, eingepfercht zwischen Grünen und Sozialdemokraten. Christian Lindner weiß, er muss den Adler fliegen lassen. In diesem Jahr geht es nicht um irgendwelche Wahlen in der ostdeutschen Provinz.
Es geht mal wieder ums Ganze. Es geht auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg um die Bundestagswahl. Es geht um die Fünf-Prozent-Hürde. Ein Trauma reicht. Außerparlamentarische Opposition war für die FDP gefühlte Höchststrafe. Der Weg zurück war steinig. Zu verdanken haben sie das auch ihrem Chef. Wohl auch deswegen wird man ihn nicht angreifen, zumindest nicht öffentlich. Und doch muss Lindner in diesem Wahljahr auch für sich kämpfen.
Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft
Die Freien Demokraten wollen für den Wirtschaftsstandort Deutschland mehr Made in Germany. Für die FDP selbst heißt das – zurück zu den Wurzeln. Keine Zauberei, einfache Botschaften, FDP pur. Die Freien Demokraten wollen ihren Markenkern wieder herausschälen. Lindner arbeitet sich am 12-Punkte-Plan für eine liberale Wirtschaftswende ab. Bürokratie abbauen, Baukosten senken, den Soli ganz abschaffen und das Herzensprojekt der SPD, die Rente mit 63, abschaffen. Wieviel davon auch in der Regierungsarbeit umgesetzt wird, ist fraglich. Aber darum geht es auch nicht. Es geht um das Signal, keine weiteren Sozialversprechen, stattdessen mehr Wirtschaft. Das liberale Mantra wird wiederbelebt. "Leistung muss sich lohnen." Wer gerne viel arbeitet, soll die ausgezahlten Überstunden nicht noch zusätzlich versteuern müssen. Im Gegenzug soll es ein Moratorium für weitere Sozialausgaben geben.
Der Genscher-Bonus ist aufgebraucht
Das ist eine Gratwanderung. Vor allem in Ostdeutschland zählt Sozialkompetenz besonders. Das Gefühl, ins Ungewisse zu fallen, ist fast schon eine kollektive Erfahrung. Die Menschen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und anderswo sehnen sich nach einem Macher und einem Kümmerer. Lindner glaubt, wer Arbeit schafft, schafft auch sozialen Frieden. "Wachstums- und Wirtschaftspolitik ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit." Wann immer die Liberalen das Ohr am Bürger hatten, waren sie auch erfolgreich. "Die Menschen wollen wissen, wo es langgeht." Das hat mal ein großer Liberaler gesagt.
Linder beschwört ihn auf der Bühne: "Wir sind die Partei von Hans-Dietrich Genscher. Und deshalb ist es selbstverständlich unser Anspruch, in den ostdeutschen Parlamenten vertreten zu sein." Getan hat Christian Lindner dafür wenig. Fast alle Landesverbände in Ostdeutschland kämpfen gegen die Bedeutungslosigkeit. Sie wünschen sich oftmals eine andere Handschrift. Der Genscher-Bonus ist längst aufgebraucht. Die Liberalen brauchen neue Impulse. Von der Wirtschaftswende versprechen sie sich viel für die Wahlen im Sommer. Doch das allein dürfte nicht reichen. Einen Händeschüttler, einen Brückenbauer wie Genscher könnten sie jetzt gut gebrauchen. "Ich verstehe nicht, wie der Bundesverband die Parteifreunde in Thüringen so wenig unterstützt", ruft ein Delegierter in den Saal. Da ist etwas zu Bruch gegangen, zwischen Lindner und Kemmerich.
Kein Geld für Kemmerich
Thomas Kemmerich, der Ministerpräsident a.D. wurde er von der Parteispitze fallen gelassen. Weil er sich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Sein Landesverband hat ihn wieder aufgestellt. Die Strafe: keine Wahlkampfgelder von Lindner für Kemmerich. Wie umgehen mit dem Abtrünnigen? Kemmerich tigert durch den Saal, gibt ein Interview nach dem anderen. Ignorieren kann man ihn auch nicht. Also wünscht ihm Lindner auf der Bühne auch Glück für die Landtagswahlen – "dem Robert und dem Thomas ...". Rätselraten bei den Thüringer Delegierten, hat Christian Lindner wirklich Kemmerich gemeint? Das Verhältnis ist zerrüttet. Lindner ist im Thüringer Wahlkampf unerwünscht. Das Geld für die Kampagne hat sich Kemmerich über Spenden organisiert. Aber ganz fallen lassen sie ihn auch nicht. Andere Landesverbände wollen den Thüringern helfen, zumindest beim Wahlkämpfen.
"Guckst Du Scheiße, fährst Du Scheiße."
Ein Scheitern bei den Landtagswahlen im Osten kann sich auch Christian Lindner nicht leisten. Der 12-Punkte-Plan ist der Versuch, wieder sichtbar zu werden. Mut zu machen für die anstehenden Wahlen. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl bringt es auf ihre unnachahmliche Art auf den Punkt. Es geht auch um Ausstrahlung, Selbstbewusstsein. Einfach machen, ist die Methode von Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie zitiert ihren Motorradtrainer. Der würde immer zu ihr sagen: "Guckst Du Scheiße, fährst Du Scheiße." Der Applaus ist ihr sicher. Auch so erreicht man die Masse.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 27. April 2024 | 19:30 Uhr
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