
Finanzierung Sexualforscher und Aidshilfe warnen vor Kürzungen bei der Aufklärung
Hauptinhalt
15. April 2025, 10:31 Uhr
Bei der sexuellen Aufklärung von Jugendlichen soll gekürzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung sieht das kritisch. Auch die Aidshilfe Leipzig warnt vor den Folgen. Sie befürchtet massive Einschnitte beim Beratungsangebot. Der Nachfolger der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kann nach eigenen Angaben noch keine Aussagen über mögliche Auswirkungen machen.
- Thema Sexualität im neuen Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit kein Schwerpunkt mehr
- 400 Beratungsmöglichkeiten in der Aidshilfe Leipzig könnten wegfallen
- WHO fordert Investitionen in umfassende Sexualaufklärung
Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung sieht die aktuellen Ausgabenkürzungen bei der Sexualaufklärung mit Sorge. Geschäftsführer Richard Lemke sagte MDR AKTUELL, die wichtigste Maßnahme für die Sexualaufklärung von Jugendlichen sei, das Thema Sexualität nicht aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu verdrängen.
Zuletzt wurde beim Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) – ehemals Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – das Budget für Medien und Maßnahmen zur Sexualaufklärung und Familienplanung von fast 5,5 Millionen Euro um fünf Prozent gekürzt. Das sind knapp 273.000 Euro. Der Haushalt 2025 ist noch nicht beschlossen. Ob es weitere Kürzungen geben wird, ist noch unklar. Eine Pressesprecherin des BIÖG sagte auf Nachfrage, es könnten noch keine belastbaren Aussagen über mögliche Auswirkungen gemacht werden. Wörtlich sagte sie: "Dies erfordert eine strategische und situativ angepasste Planung der Mittelbewirtschaftung."
Wissenschaftler Richard Lemke sagte MDR AKTUELL, er sei gespannt, wie sich die Abwicklung der BzGA, die Sexualität als eines ihrer Kernthemen gehabt habe, hin zum Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit entwickeln werde, da das Thema Sexualität im neuen Bundesinstitut kein Schwerpunkt mehr sei. "Wenn diese Themen weniger sichtbar sind und der unkontrollierten Orientierungssuche im Internet weichen, dann geht das immer zu Lasten einer kompetenten Auseinandersetzung mit Themen", erklärte der Sexualwissenschaftler. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatte demzufolge die Aufgabe, die öffentliche Kommunikation über Sexualität und Verhütung zu führen.
400 Beratungsmöglichkeiten in der Aidshilfe Leipzig könnten wegfallen
Auch in Sachsen sollen offenbar die Mittel in diesem Bereich gekürzt werden. Ein Mitarbeiter der Aidshilfe Leipzig wies bei MDR AKTUELL darauf hin, dass im Entwurf für den neuen sächsischen Haushalt für 2026 eine Halbierung der Mittel im Vergleich zu 2024 vorgesehen ist. Für das Gesamtbudget der Aidshilfe Leipzig bedeute das ein Minus von 25 Prozent. Damit könne der Verein durchschnittlich 400 Schülerinnen und Schüler im Jahr weniger erreichen. Außerdem würden rund 400 Beratungen wegfallen. Es werde auch weniger Gelegenheiten geben, sich auf Geschlechtskrankheiten testen zu lassen.
Der Verein habe schon 2024 eine Überlastungsanzeige gestellt, sagte der Mitarbeiter, weil der Bedarf angesichts der steigenden Einwohnerzahl Leipzigs bei gleichen Personalschlüsse nicht mehr gedeckt werden könne. "Und jetzt bekommen wir Kürzungen."
Wie das Gesundheitsministerium Sachsen MDR AKTUELL mitteilte, läuft das derzeitige Haushaltsverfahren noch. Erst wenn der Landtag als oberster Haushaltsgesetzgeber den Doppelhaushalt 2025 und 2026 verabschiedet habe, würden die genauen Förderhöhen für das laufende und das nächste Jahr feststehen. Die Abstimmung werde voraussichtlich Ende Juni sein.
WHO fordert Investitionen in Sexualaufklärung
Im August letzten Jahres hatte die WHO einen Bericht vorgelegt, wonach immer weniger 15-Jährige in Europa verhüten. Die WHO hat infolge des Berichts Investitionen in eine umfassende altersgerechte Sexualaufklärung gefordert. Die Zahlen in Deutschland sehen anders auch. Hier verhüten laut einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Jahr 2024 neun von zehn Jugendlichen.
Richard Lemke von der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung glaubt, dass unter anderem bessere HIV-Behandlungsmethoden zu einer sinkenden Verhütungsbereitschaft in Europa geführt haben. In Deutschland sei diese Entwicklung bisher nicht zu beobachten, da die Aufmerksamkeit gegenüber sexuell übertragbaren Krankheiten eher zugenommen habe. Lemke hofft, dass durch die Kürzungen der Stellenwert der sexuellen Aufklärung in der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht zunehmend an Bedeutung verliert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 15. April 2025 | 07:45 Uhr