Faktencheck Wurden Kriege nie auf dem Schlachtfeld entschieden?
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08. März 2023, 17:27 Uhr
Seit Längerem wird darüber debattiert, wie der Krieg in der Ukraine zu einem Ende kommen kann. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner sagte Saskia Esken dazu: "Kein Krieg ist jemals auf dem Schlachtfeld entschieden worden." Militärexperten sind da anderer Ansicht und vermuten, dass die SPD-Politikerin die Aussage anders gemeint haben könnte.
- Militärexperte Sven Lange ist der Ansicht, dass die allermeisten Kriege auf dem Schlachtfeld entschieden worden sind.
- Der Experte nennt die Schlacht von Waterloo als Gegenbeispiel.
- Die Aussage der SPD-Vorsitzenden betrifft vor allem Atommächte.
Zugegeben, die Parteivorsitzende der SPD hat den Satz eher inmitten einer sich aufheizenden Debatte fallen lassen. Dennoch: "Kein Krieg ist jemals auf dem Schlachtfeld entschieden worden", ist eine sehr eindeutige Aussage von Saskia Esken. Und sie sorgt für Verwunderung.
Sven Lange, Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, sagte MDR AKTUELL: "Also in der Diktion, glaube ich, hat Frau Esken nicht recht. Ich glaube tatsächlich, dass die allermeisten Kriege auf dem Schlachtfeld entschieden worden sind."
Schlacht von Waterloo als Gegenbeispiel
Ein klassisches Beispiel sei 1815 die Schlacht von Waterloo. Sie stelle eine Entscheidungsschlacht dar, erklärt der Militärexperte. "Mit dieser Niederlage ist der Krieg beendet. Davon erholt sich Napoleon nicht mehr und er muss erneut abdanken."
Und auch der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands so gesehen 'auf dem Schlachtfeld'. Als Faustregel nennt der Militärhistoriker Lange: "Ich glaube, man kann immer dann sagen, wenn Kriege entweder besonders ideologisch oder religiös aufgeladen sind, neigen beide Konfliktparteien dazu, den Krieg wirklich bis zum Letzten zu führen und um jeden Preis gewinnen zu wollen."
Vernichtungs- und Ermattungskrieg
Der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz unterscheidet sogar zwischen zwei extremen Strategien: dem sogenannten Vernichtungs- und Ermattungskrieg. "Da geht es nicht darum, den anderen besiegen zu wollen, sondern nur solange durchzuhalten, bis die Kosten-Nutzen-Rechnung so schlecht für den Gegner wird, dass auch er zu einem Frieden einwilligt." Oder zumindest an den Verhandlungstisch zurückkehrt.
Gilt vor allem für Atommächte
Darum sei es der SPD-Vorsitzenden in ihrer Aussage wohl eigentlich gegangen, vermutet Sven Lange vom Zentrum für Militärgeschichte. Also, dass die meisten Kriege irgendwo diplomatisch beendet werden und nicht militärisch. In einem Positionspapier der SPD vom Januar heißt es nämlich: Kriege werden in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld beendet. Das gilt jedoch vor allem für Atommächte. Denn, erklärt Sven Lange: "Es liegt nahe zu erwarten, dass Atommächte immer, wenn sie mit einer anderen Atommacht konfrontiert sind, eine diplomatische Verhandlungslösung am Ende dann doch bevorzugen, als den Krieg bis zum Letzten zu treiben."
Für Russland und die Ukraine bedeute das allerdings, dass sich beide Kriegsparteien erst an den Verhandlungstisch setzen, wenn sie keine Hoffnung mehr haben, militärisch für sich ein besseres Ergebnis einzufahren.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. März 2023 | 06:00 Uhr