Cannabisblüten liegen auf einem Tisch neben einem Autoschlüssel. 5 min
Audio: Toxikologe: Cannabis-Grenzwert für Straßenverkehr zu niedrig Bildrechte: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Toxikologe im Interview Fragen und Antworten zum Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr

07. Juni 2024, 20:28 Uhr

Nach der teilweisen Cannabis-Legalisierung hat der Bundestag nun auch einen Grenzwert für den Wirkstoff THC am Steuer festgelegt – ähnlich der 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol. Wer mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr unterwegs ist, riskiert saftige Geldbußen und Fahrverbote. MDR AKTUELL hat den Toxikologen Dr. Fabian Pitter Steinmetz zum neuen Grenzwert, zu Test-Möglichkeiten und Verhaltenstipps befragt.

Was halten Sie von dem beschlossenen Grenzwert?

Pitter Steinmetz: Also ich halte den Grenzwert für ein bisschen konservativ. Bei einem Cannabis-Rausch und bei einer dadurch entstehenden Beeinträchtigung hat man meistens dreistellige Werte. Also irgendwie so um die 100, 150 oder auch mal 200 Nanogramm pro Milliliter. Bei einstelligen Werten, wie jetzt der aktuelle vorgeschlagene Wert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter, ist man auf jeden Fall im sicheren Bereich. Aber man könnte auch einen höheren Grenzwert, beispielsweise 10 Nanogramm pro Milliliter nutzen, um zu differenzieren zwischen Menschen, die quasi beeinträchtigt sind oder nicht. Auch da würde es wahrscheinlich regelmäßig Konsumenten treffen, die nicht beeinträchtigt sind. Ein fairer Grenzwert ist schwierig zu finden. Aber der Wert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter ist ein bisschen konservativ.

Was meinen Sie mit dem Wort "konservativ"?

Das bedeutet, dass Menschen, die nicht beeinträchtigt sind, beispielsweise mit einem Wert von 5 Nanogramm pro Milliliter, in Zukunft bestraft werden, obwohl sie nüchtern Auto fahren.

Wie kann man bei Cannabis feststellen, ob man über dem Grenzwert liegt?

Grundsätzlich sollte man eigentlich nur Menschen diesbezüglich untersuchen, wenn sie auch beeinträchtigt wirken. Und dann muss man dazu sagen, es gibt zig Substanzen, die zu einer Beeinträchtigung führen können. Da hilft im Prinzip nur eine Blutanalyse. Was man jetzt vorhat, ist, Speicheltests so zu kalibrieren, dass sie halbwegs mit diesem Wert sprechen. Das heißt, dass man quasi anhand von einer Speichelprobe im Straßenverkehr bei einer Kontrolle eine grobe Einschätzung bekommen kann.

Bei Alkohol weiß man, ein Glas Bier oder Wein geht, um unter 0,5 Promille zu bleiben. Wie ist das bei Cannabis? Ein oder zwei Züge?

Zwischen Zügen zu differenzieren ist immer schwierig. Also es gibt ja Joints mit richtig potentem Material. Und dann gibt es welche, die nutzen schwächeres Material. Oder auch Joints, die mit Tabak sind. Der wichtigste Parameter ist die Zeit, das heißt der Abstand zwischen Konsum und Fahrt. Der sollte schon acht Stunden – und wenn man auf Nummer sicher gehen will auch mal zwölf Stunden – betragen. Und wenn man einen sehr intensiven Konsum davor hatte, beispielsweise ein verlängertes Wochenende in Amsterdam oder sowas, dann kann es auch mal vonnöten sein, ein, zwei Tage das Auto stehen zu lassen, wenn man unterhalb dieses Wertes sein möchte. Aber ich möchte trotzdem betonen, dass man am nächsten Tag, auch wenn man einen höheren Wert hat, eigentlich nicht beeinträchtigt ist.

Kann man selbst testen, ob man beeinträchtigt ist?

Noch nicht. Ich hoffe, dass die Speicheltests, die jetzt quasi kalibriert werden und von der Polizei in Zukunft genutzt werden sollen, dass die auch für Konsumenten zur Verfügung stehen. Sodass Sie sich selbst testen können, um dafür mal einen Eindruck zu bekommen.

Menschen bauen Drogen unterschiedlich schnell ab. Wie kann man das für sich feststellen? Warten bis es Speicheltests gibt?

Das ist die beste Methode. Und ansonsten mal entsprechend lange warten. Also grundsätzlich baut sich Cannabis beziehungsweise der Wirkstoff THC schneller ab als Alkohol. Es ist eine logarithmische Funktion. Das heißt dort, wo wir bei diesen Werten sind, die zu einer Beeinträchtigung führen, das heißt hohe zweistellige Werte oder niedrige dreistellige Werte, die bauen sich relativ zügig ab, innerhalb von wenigen Stunden. Aber dieser einstellige Bereich, das zieht sich sehr lange. Und dadurch kommt es immer wieder zu "falsch-positiv". Auch jetzt mit diesem neuen Grenzwert wird wahrscheinlich auch Menschen, die definitiv nicht beeinträchtigt sind, eine Rauschfahrt unterstellt werden.

MDR(dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. Juni 2024 | 12:47 Uhr

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