Grüne Energie Bund setzt auf massiven Ausbau des Wasserstoffsektors
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26. Juli 2023, 18:28 Uhr
Die Bundesregierung will das Tempo bei der Erzeugung, dem Import und der Nutzung von Wasserstoff als klimafreundlichem Energieträger erhöhen. Dazu verdoppelt sie ihr bis zum Jahr 2030 gesetztes Ziel, in Deutschland Erzeugungsmöglichkeiten von fünf Gigawatt zu schaffen, auf mindestens zehn Gigawatt.
- Förderung vor allem für "grünen" Wasserstoff.
- Kritik an Nutzung von blauem Wasserstoff.
- Minister wollen Energiewende und Planungssicherheit schaffen.
- Die erste Wasserstroffstrategie wurde 2020 vorgelegt.
Die Bundesregierung verdoppelt ihr Ziel für die heimische Wasserstoff-Produktion. Das Kabinett beschloss am Mittwoch, dass bis 2030 Erzeugungskapazitäten von mindestens zehn Gigawatt entstehen sollen. Der restliche Bedarf solle durch Einfuhren gedeckt werden. Dazu solle eine eigenen Importstrategie entstehen.
Förderung später nur für "grünen" Wasserstoff
Deutschland solle bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden, heißt es. Eine direkte staatliche Förderung für die Erzeugung des Energieträgers solle es aber nur für "grünen" Wasserstoff geben, also Wasserstoff, der aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Der Strategie zufolge sollen zumindest am Anfang und um einen schnellen Aufbau und Hochlauf des Wasserstoffmarktes sicherzustellen sowie den Bedarf zu decken, auch andere Farben von Wasserstoff genutzt und gefördert werden.
Konkret heißt es: "Die Nutzung von grünem und, soweit in der Markthochlaufphase notwendig, kohlenstoffarmem blauem, türkisem und orangem Wasserstoff wollen wir auf der Anwendungsseite in begrenztem Umfang unter Berücksichtigung von ambitionierten THG-Grenzwerten, einschließlich der Emissionen der Vorkette sowie der Erhaltung des gesetzlichen Ziels der Klimaneutralität, auch fördern."
Wasserstoff und seine Farben Blauer Wasserstoff wird vor allem mit Erdgas gewonnen. Dabei wird CO2 freigesetzt, das allerdings anders als beim grauen Wasserstoff abgeschieden und eingelagert wird. Türkiser Wasserstoff entsteht durch die thermische Spaltung von Methan, wobei Kohlenstoff in fester Form anfällt, der ebenfalls eingelagert werden kann. Oranger Wasserstoff wird aus Biomasse oder Abfallverbrennung erzeugt.
Kritik an Nutzung von blauem Wasserstoff
Die Klimaökonomin Claudia Kemfert hat scharf kritisiert, dass die Bundesregierung auch auf blauen Wasserstoff setzt. Kemfert sagte im Klima-Podcast von MDR AKTUELL, der mit Erdgas produzierte blaue Wasserstoff verursache "zu viele Emmissionen" und die Einlagerung berge Umweltrisiken. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen habe in einem Sondergutachten von blauem Wasserstoff "explizit abgeraten". Kemfert betonte: "Nur grüner Wasserstoff ist wirklich emmissionsfrei."
Kemfert sprach sich dafür aus, auch den Import von Wasserstoff zu reglementieren. Dabei sollte die Bundesregierung "auch wirklich den Druck ausüben, dass andere Länder auf grünen Wasserstoff setzen und nicht auf blauen". Generell sei Wasserstoff "der Champagner unter den Energieträgern": teuer in der Herstellung und kostbar. Deshalb sollte laut Kemfert seine Nutzung eher der Industrie vorbehalten bleiben. Für andere Bereiche wie Heizen und Verkehr "werden die meisten Lösungen elektrisch sein".
"Energiewende und Planungssicherheit schaffen"
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach von einer neuen Phase im Wasserstoffmarkthochlauf. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte, mit der neuen Strategie mache die Bundesregierung noch einmal Tempo. Man wolle die Energiewende schaffen und den Klimawandel bekämpfen. Man brauche aber auch eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Die Wasserstoffstrategie schaffe Planungssicherheit für die Unternehmen und für die Kommunen.
Der Einsatz von Wasserstoff ist insbesondere in der Stahl- und Chemieindustrie, bei besonders schweren Nutzfahrzeugen, im Schiffsverkehr sowie bei Kurz- und Mittelstreckenflügen geplant. Die für den Wasserstoffmarkt nötigen Anlagen, Speicher und Leitungen sollen in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut und neue Technologien gefördert werden.
Der Energieforscher Volker Quaschning dämpft jedoch die Erwartungen an die Nationale Wasserstoffstrategie. Er sagte MDR AKTUELL, die Menge werde nicht für alle Vorhaben reichen. "Beim Heizen und Autofahren hilft uns der Wasserstoff nicht."
Reaktionen aus Mitteldeutschland
Sylvia Schattauer, Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme und gleichzeitig im Vorstand des mitteldeutschen Wasserstoffnetzwerkes Hypos, befasst sich seit Jahren intensiv mit der Wasserstoff-Thematik und hat an der Neufassung der Strategie mitgeschrieben. Schattauer erklärt im MDR, die neue Version habe sich nochmal stärker auf die einzelnen Sektoren fokussiert. Dabei seien einzelne Bereiche, wie Erzeugung, Transport, aber auch Anwendung und Forschung noch einmal gesondert betrachtet worden. Diese Einzelstrategien seien schließlich in eine gesamtheitliche Strategie geflossen.
Karl Lötsch, Geschäftsführer des Innovations- und Technologiezentrums für Wasserstoff in Chemnitz, nennt die Nationale Wasserstoffstrategie einen "wichtigen Rahmen zur Entwicklung von Projekten und Geschäftsmodellen entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette in den kommenden Jahren". Lötsch spricht gleichzeitig von einem in Deutschland beginnenden Wegweiser.
Ich halte sie auch für einen Wegweiser, der Unternehmen und Ländern zeigt, dass der Markthochlauf für Wasserstoff in Deutschland beginnt.
Lötsch sieht zudem im gesamten Bereich der Wasserstoffwirtschaft ein enormes Potenzial für Arbeitsplätze und Umsätze. Insbesondere Zulieferer, Maschinen- und Anlagenbauer sowie Fahrzeughersteller in Mitteldeutschland, Südwestsachsen und Dresden würden hiervon profitieren.
Erste Wasserstoffstrategie aus 2020
Erstmals hatte die große Koalition aus Union und SPD unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2020 eine Wasserstoffstrategie vorgelegt. Diese wurde nun von der Ampel-Regierung aktualisiert. Bis spätestens 2028 soll ein deutsches Wasserstoffnetz von mehr als 1.800 Kilometern Leitungen entstehen. Europaweit sind den Angaben nach in dem Zeitraum rund 4.500 Kilometer vorgesehen, davon 3.000 Kilometer umgenutzte Erdgasleitungen. Weil vor allem aus Norwegen erhebliche Mengen Wasserstoff importiert werden sollen, ist auch der Betrieb von Pipelines geplant.
dpa, epd, AFP (isc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. Juli 2023 | 15:00 Uhr