Vor 35 Jahren Das letzte Weihnachten in der DDR und das erste im Westen
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25. Dezember 2024, 10:16 Uhr
1989 war das letzte DDR-Weihnachten. Eine Familie aus Zwickau wurde dabei von einem Fernsehteam vom WDR begleitet. Danach wurden sie am 26.12. in den Westen eingeladen und schrieben Fernsehgeschichte.
WDR-Filmteam filmt Heiligabend 1989 in Zwickau
Die Mauer war am 9. November 1989 gefallen, die Menschen aus der DDR konnten seither in den Westen reisen. Bundesbürger durften aber erst ab Heiligabend visa- und zwangsumtauschfrei in die DDR kommen. Ein Fernseh-Team des Westdeutschen Rundfunks machte sich so kurzerhand im Rahmen einer Weihnachtsaktion für ihre Zuschauer und Zuschauerinnen auf den Weg nach Zwickau und klingelte bei der überraschten Familie Hering.
Jeden Tag im Dezember hatte der Sender Menschen besucht, im Alltag begleitet und dies als Türchen im Adventskalender im Abendprogramm ausgestrahlt. "Wir haben die ganze Zeit im Dezember Leute besucht, ohne dass wir uns angekündigt haben. Und jetzt über Weihnachten wollen wir das in der DDR machen. Kann sein, dass Sie jetzt ein bisschen überrascht sind. Aber: Hätten Sie was dagegen, wenn wir über die Weihnachtstage bei Ihnen mal ein bisschen reingucken?“, erklärte damals der 2023 verstorbene WDR-Reporter Joachim Ritzenhoff der verduzten Familie. Diese war sofort einverstanden und ließ sich bei den Feierlichkeiten über die Schulter schauen – beim letzten Weihnachten in der DDR.
Zwei Dialekte, eine Weihnachtsstimmung und der Intershop
Das Kamerateam durfte dabei sein beim Baum schmücken, bei der Bescherung und beim Festessen. Das war aufregend für die Filmleute aber natürlich auch für Familie Hering. Noch heute glänzen die Augen, wenn das Ehepaar die Filmaufnahmen von Weihnachten 1989 anschaut. Die Chemie stimmte, kleine Sprachbarrieren lockterten die Situation noch auf. "Das Lustigste war immer der Dialekt, der Kölner Dialekt. Die haben ja auch bestimmte Worte, was wir dann nicht zuordnen konnten. Und das hat das Ganze dann so aufgelockert – unser Sächsisch und der Kölner Dialekt – also das war schon interessant", erinnert sich Irmgard Hering gerne zurück.
Es gab Karpfen. Und Exportbier kam auf den Tisch. Doch das neigte sich wegen der erhöhten Gästezahl schnell dem Ende. "Das konnten die nicht verstehen, dass man Wochen vorher Wernesgrüner rangeschafft hat. Wo das Fernsehteam da war, war es nun schnell alle. Mehr hatten wir nicht. Also sind die Leute in den Intershop und haben dann Büchsenbier geholt", schwelgt Georg Hering rückblickend in Erinnerungen. Der WDR berichtete dann in seiner Sendung: "Nach wie vor, Schlange stehen in den Läden. Auch im Intershop, wo es für Westgeld Westgüter gibt."
Einblicke in den DDR-Gottesdienst
Das WDR-Filmteam war auch mit dabei beim Gottesdienst am Heiligabend. Dabei sprach der Pfarrer mit Blick auf die Zeichen des Wandels: "Die Glocken der Kirchen haben in den letzten Monaten eine Revolution eingeläutet. Noch muss der Glockenklang der Erneuerung weiter gehen. Noch gibt es Machtstrukturen, die erhalten bleiben wollen."
"Es ist sehr schön, was sich dieses Jahr alles ergeben hat. Auch heute am 24., dass auch die Bundesbürger rüberdürfen, ohne irgendwelche Schwierigkeiten. Das ist das Schönste mit", sagte Frau Hering damals. Heiligabend war vorbei, jedoch war kein Taxi zu bekommen, das das Fernsehteam ins Hotel zurückbringen sollte. „Wir haben dann zu später Stunde in dem Hotel angerufen, dass die sich kümmern, dass hier eine Taxe rauskommt und die Leute vom WDR abholt ins Hotel", so Georg Hering. Nicht jeder konnte noch so lange warten. "Einer hat hier geschlafen. Der hat gesagt: 'Ich bleibe hier' ", lacht die Ehefrau. Zum Abschied bekam die Familie ein WDR-Radio in Form eines Mikrofones geschenkt, das bis heute auch noch funktioniert.
Zwickauer Familie als Weihnachtsüberraschung live im WDR-Fernsehen
Familie Hering wurde schließlich vom WDR-Fernsehteam eingeladen, live bei der WDR-Sendung "Aktuelle Stunde" am 26.12. 1989 dabei zu sein, als ihre Heiligabend-Geschichte gezeigt wurde. "Wenn schon die Grenzen offen sind, dann können wir den anderen Teil Deutschlands auch in unsere Adventskalender-Aktion mit einbeziehen", erklärte Moderatorin Christine Westermann, die neben Frank Plasberg durch die Sendung führte, den Zuschauern und Zuschauerinnen die besonderen Gäste.
"Es gab viele, die noch nie in der DDR waren, dort keine Verwandtschaft hatten und sehr neugierig waren. Was ist in der DDR? Wie sind denn die Leute? Man ist fast wie ein Exot behandelt worden", beschreibt Georg Hering die Situation. Zum krönenden Abschluss durfte er im Studio auch noch das Publikum mit Zauberkunststücken verblüffen, die er seit vielen Jahren beherrschte. Das kam auch im Westfernsehen an. Und noch heute zeigt der 80-Jährige gerne seine Tricks. Seit über 60 Jahren, so sagt er, ist er Mitglied des Magischen Zirkels von Deutschland e.V.
Danach gefragt, wie viel Wirbel es im Bekanntenkreis ausgelöst hat, erklärt er dem MDR-Magazin Umschau heute: "Der damalige WDR-Beitrag wurde hier in unserer Gegend nicht gesehen. Man konnte doch zu DDR-Zeiten nur mit einer Spezialantenne das ZDF oder mit einer einfacheren Antenne die ARD sehen – und das nur in UKW-Reichweite vom Sender "Ochsenkopf“ im Fichtelgebirge BRD. Den Sender WDR konnte man nicht empfangen". Die Berichterstattung im MDR zu der besonderen Weihnachtsgeschichte in den Jahren 2014 und 2019 hätten dann viele Nachbarn und Bekannten verfolgen können. "Für meine Familie waren es so unvergessliche Weihnachten", betont er noch 35 Jahre später.
Für meine Familie waren es so unvergessliche Weihnachten.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 17. Dezember 2024 | 20:15 Uhr