Ein Wald im Gegenlicht.
Um die Folgen des Klimawandels besser überstehen zu können, müssen aus Nadelwäldern Mischwälder werden. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Klimawandel Wie viel Geld mitteldeutsche Landesforste in überlebensfähige Wälder investieren

24. Januar 2024, 11:16 Uhr

Der Klimawandel setzt Wäldern, die vor allem aus einer Baumart bestehen, zu. Um also den Wald der Zukunft möglichst gut auf Gefahren wie Hitze, Sturm und auch Insekten vorzubereiten, findet der sogenannte Waldumbau statt. Bei diesem wird die Anzahl der vor allem vorhandenen Nadelbäume reduziert. Gleichzeitig werden mehr Laubbäume angepflanzt. Dieses Vorgehen kostet viel Geld, ist aber eine ökologische Investition für die Zukunft.

Aus Nadel- wird Mischwald: Zusätzliche Bäume müssen gepflanzt werden

Die Trockenheit und Waldbrände der vergangenen Jahre haben gezeigt: Das sich verändernde Klima macht unseren Wäldern zu schaffen. Schädlinge sind eine zusätzliche Belastung. Besonders Wälder mit vielen Bäumen einer Art haben mit den Problemen zu kämpfen.

Sachsen pflanzt fünf bis sechs Millionen Bäume pro Jahr

"Die in Sachsen historisch bedingt überwiegenden Nadelholzbestände aus Kiefer und Fichte besitzen eine hohe Anfälligkeit gegenüber Sturm, Schneebruch, Insekten und Feuer", erklärt Marco Horn vom Staatsbetrieb Sachsenforst auf MDR-Anfrage. Um die Wälder also für die Zukunft zu wappnen, müssen sie umstrukturiert werden, indem verschiedene Baumarten gemischt angepflanzt werden. "Für den sächsischen Staatswald stellt der langfristige Waldumbau in leistungsfähige und ökologisch stabile Mischwälder eine vordringliche Aufgabe dar", sagt er.

Für den sächsischen Staatswald stellt der langfristige Waldumbau in leistungsfähige und ökologisch stabile Mischwälder eine vordringliche Aufgabe dar

Marco Horn vom Staatsbetrieb Sachsenforst

Der Wald der Zukunft kostet Geld. Denn damit Mischwälder entstehen, müssen Bäume zusätzlich gepflanzt werden. "Sachsenforst pflanzt im sächsischen Staatswald jedes Jahr etwa fünf bis sechs Millionen Bäume und investiert dafür zwischen 13 und 15 Millionen Euro. Weitere Kosten fallen für die anschließende Pflege der angepflanzten Bestände und ihren Schutz vor Wildschäden an", sagt Marco Horn.

Von den etwa 521.000 Hektar Wald in Sachsen gehören 39,4 Prozent dem Freistaat. Über 45 Prozent hingegen sind Privateigentum. "Für den Bereich des Privat- und Körperschaftswaldes gibt es staatliche Förderprogramme, welche die Waldbesitzenden auch im Bereich des Waldumbaus unterstützen", erläutert der Forstexperte. Im Zeitraum 2018 bis 2022 wurden "12,59 Millionen Euro aus dem ELER* und der GAK* für den Waldumbau und die Rekonstruktion der natürlichen Waldgesellschaften ausgezahlt und damit 2.183 Hektar Waldfläche an zukünftige Klimaverhältnisse angepasst", heißt es im aktuellen, sechsten Forstbericht der Sächsischen Staatsregierung, welcher Ende 2023 veröffentlicht wurde.

Seit 30 Jahren Waldumbau in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt wird bereits seit 30 Jahren Waldumbau betrieben. "Bei normaler Bewirtschaftung in intakten Waldbeständen erfolgt die Förderung von Misch-und Nebenbaumarten im Zuge von Pflegehieben kostendeckend, da das anfallende Holz als wertvoller Rohstoff verkauft wird", erläutert Wolfhardt Paul, Sachgebietsleiter Waldbau/Forsteinrichtung im Landesforstbetrieb Sachsen-Anhalt.

Auf den 130.000 Hektar Fläche, die vom Landesforstbetrieb bewirtschaftet werden, sei in den letzten drei Jahrzehnten der Anteil von Kiefern von 41 Prozent auf 35 Prozent (gemessener Wert) und von Fichten von 20 Prozent auf deutlich unter zehn Prozent (geschätzter Wert) gesunken. "Mit dem deutlichen Rückgang von Kiefern und Fichten erfolgte eine erhebliche Laubholzanreicherung. Es wurden alternativ Nadelbäume wie Douglasie, Lärche, Küstentanne und auch Weisstanne verstärkt beigemischt", sagt Paul. Dabei sei zum Beispiel bisher der Eichenanteil von 15 Prozent auf 18 Prozent und der Buchenanteil von zehn Prozent auf 14 Prozent gestiegen. Dieser Trend werde so weiter verfolgt, vor allem auf den aktuellen Schadflächen.

Denn die letzten Jahre haben ihre Spuren im Wald hinterlassen. "Leider beherrscht derzeit das Schadgeschehen seit 2018 die Bewirtschaftung. Besonders die Fichtenbestände im Harz sind zu 80 bis 90 Prozent dem Schadgeschehen durch Sturm, Dürre, Hitze und nachfolgender Borkenkäferkalamität zum Opfer gefallen. Hier sind in den nächsten Jahren beziehungsweise Jahrzehnten erhebliche Aufwendungen erforderlich, um den künftigen Mischwald auf den entstandenen Freiflächen zu etablieren", sagt Wolfhardt Paul. Dafür sei es notwendig, im Landeswald im Harz in den kommenden Jahren jährlich ca. 1.000 Hektar aufzuforsten. "Je nach Baumartenzusammensetzung und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gegen Wildschäden kostet ein Hektar Aufforstung 6.000 bis 15.000 Euro", erklärt Wolfhardt Paul der MDR-Wirtschaftsredaktion.

Thüringen investiert mehrere Millionen Euro jährlich

"Beim Waldumbau handelt es sich um einen bereits mehrere Jahrzehnte dauernden Prozess, der auch die nächsten Jahrzehnte andauern wird", sagt Dr. Horst Sproßmann, Pressesprecher von Thüringen Forst. Das hänge einerseits mit den langen Produktionszeiten des Waldes zusammen. So würden Bestände insbesondere dann umgebaut, wenn der Altbestand durch planmäßige Durchforstungen sich soweit auflöst, dass er ausreichend Licht für großflächige Verjüngungen am Waldboden zulässt. "Andererseits hängt die Dauer des Waldumbaus auch von der Vernunft der Menschen ab. Das Ziel des Waldumbaus ist die Anpassung der Waldzusammensetzung an die sich verändernden (Umwelt)Bedingungen – heute der Klimawandel. Je länger die Änderung der Bedingungen andauert und je gravierender diese ausfällt, desto größer ist der Anpassungsbedarf des Ökosystems", erklärt er auf MDR-Anfrage.

Die Dauer des Waldumbaus hängt auch von der Vernunft der Menschen ab.

Dr. Horst Sproßmann, Pressesprecher von Thüringen Forst

Eine mögliche Entwicklung: Bei einer weiteren Zunahme der Temperaturen kann es sein, dass heimische Baumarten keine Lösung mehr sind, um den Wald zu erhalten. "Dann muss gegebenenfalls über eine komplett andere Baumartenzusammensetzung nachgedacht werden, zum Beispiel Libanonzeder, Türkische Tanne, Orientbuche, Hemlocktanne. Diese Baumarten können momentan aber noch nicht gepflanzt werden, da das aktuelle Klima noch nicht für sie geeignet ist. So sind zum Beispiel Spätfröste ein großes Problem für diese exotischen Baumarten. Der Waldumbau müsste in diesem Fall von den heute angepeilten Mischbeständen über diverse Zwischenstadien an die neuen Bedingungen angepasst werden", erläutert Horst Sproßmann.

Wie teuer ein Waldumbau ist, hänge dabei von den konkreten Umständen ab wie der genutzten Baumart, der Art der Boden- und Kulturvorbereitung, der Pflegeintensität oder Kultursicherungsmaßnahmen. "Deshalb können nur kalkulatorische Kosten zum Waldumbau gegeben werden. Im Landeswald Thüringen, mit Pflege und Wildschutz (schwierige Verhältnisse) betrugen die Kosten in 2022 und 2023 ca. 9,5 Millionen Euro pro Jahr. Die Waldumbaukosten im Landeswald ohne Pflege und Wildschutz (einfache Verhältnisse) lagen in 2022 und 2023 je bei rund 4,3 Millionen Euro", sagt er.

Finanzieller Aspekt auf der einen, Investition in die Zukunft auf der anderen Seite

Es ist wohl eine Frage des Blickwinkels. Denn aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet, bringt der Waldumbau nicht nur Vorteile mit sich. "Eine Reduktion der ertragreichsten Baumarten, etwa der Fichte, zugunsten weiterer und weniger zuwachsstarker Mischbaumarten hat Einbußen in der Produktionsleistung und dementsprechend Umsatzeinbußen zur Folge", nennt Horst Sproßmann als Beispiel. Zudem sei die Holzindustrie derzeit vorwiegend auf Nadelholz ausgerichtet, was kurz- und mittelfristig zu Absatzproblemen führen könne. Allerdings müssten die erheblichen positiven ökologischen Aspekte auch immer Teil der Gesamtabwägung sein.

"Obwohl die finanziellen Investitionen in den Waldumbau einen wirtschaftlichen Nachteil darstellen können, überwiegt doch der Vorteil durch den Erhalt stabiler Wälder, welche auch zukünftig ihre wichtigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Funktionen erfüllen können", erläutert Marco Horn.

Das wiederum kann sich letztendlich auch finanziell lohnen. "Die Anpassung der Wälder im Klimawandel wird unterstützt, die Standortbedingungen verbessern sich und die Auswirkungen von Schadereignissen werden vermindert. Dies bringt natürlich auch wirtschaftliche Vorteile hinsichtlich Kontinuität bei der Betriebsführung durch weniger Zwangsnutzungen von Schadholz mit sich", sagt Wolfhardt Paul.

*Mit der Abkürzung ELER ist die EU-Verordnung "über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums" gemeint (VO (EU) Nr. 1305/2013). Die Abkürzung GAK bezeichnet das "Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe 'Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes'".

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 23. Januar 2024 | 20:15 Uhr

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