Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Krankenhausflur. 3 min
Interview: Was tun, wenn Ärzten oder Pflegern Behandlungsfehler unterlaufen? Gespräch mit Carola Sraier von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen Bildrechte: picture alliance/dpa | Marijan Murat
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Fragen an Carola Sraier von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen

MDR AKTUELL Di 22.04.2025 12:48Uhr 03:15 min

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Ärzte in der Pflicht Viele Behandlungsfehler – Patientenschützerin fordert Umkehr der Beweislast

22. April 2025, 15:11 Uhr

Wegen vieler gemeldeter Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler in Deutschland fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen, dass die Beweislast umgekehrt wird. Nicht mehr die Geschädigten sollten Fehler nachweisen müssen – vielmehr sollten Ärztinnen und Ärzte belegen, dass sie korrekt gehandelt haben.

Angesichts vieler gemeldeter Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler in Deutschland fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen gesetzliche Änderungen. Sprecherin Carola Sraier sagte MDR AKTUELL, die Beweislast müsse umgekehrt werden. Nicht mehr Patientinnen und Patienten sollten einen vermuteten Fehler nachweisen müssen – vielmehr sollten Ärztinnen und Ärzte nachweisen, alles richtig gemacht zu haben.

Sraier betonte, mit Ausnahme von wirklich schwerwiegenden Fehlern liege die Beweislast derzeit bei den Patientinnen und Patienten. Auch mit dem neuen Koalitionsvertrag ändere sich das nicht, kritisierte die Sprecherin. Die Politik sei bisher der Meinung, dass der Patientenschutz in Deutschland ausreiche.

Wie oft kommt es zu Behandlungsfehlern?

Nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) liegt die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler weiter auf hohem Niveau. So wandten sich im vergangenen Jahr 6.431 TK-Versicherte wegen vermuteter Fehler an die Kasse. Das ist der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre.

In welchen Bereichen kommt es häufig zu Behandlungsfehlern?

Die Bandbreite reiche von verwechselten Medikamenten über die Operation des falschen Körperteils bis hin zu Todesfällen aufgrund von Pflege- und Behandlungsfehlern. Die meisten Beschwerden betreffen der Statistik zufolge die Chirurgie (34 Prozent) und den Bereich Zahnmedizin/Kieferorthopädie (18 Prozent). Auf die Geburtshilfe und Gynäkologie entfallen neun Prozent.

Was sollte man bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler tun?

Patientensprecherin Carola Sraier rät dazu, zuerst das Gespräch mit der betreffenden Einrichtung – etwa der Klinik, dem Pflegeheim oder dem niedergelassenen – aufzunehmen.

Wichtig sei es, sich die eigene Patientenakte kopieren zu lassen. Daraus könne man nachvollziehen, wann genau was gemacht worden sei. Zudem sei es ratsam, ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Dort sollte etwa festgehalten werden, wann man was an vermuteten Fehlern festgestellt habe.

Wie kann man Behandlungsfehler melden?

Betroffene können über ihre Krankenkassen einen vermuteten Behandlungsfehler kostenlos begutachten lassen. Darauf weist die Deutsche Stiftung Patientenschutz hin. Gutachter kamen so für das Jahr 2023 in 2.679 von insgesamt 12.438 untersuchten Fällen zu dem Ergebnis, dass ein Schaden von einem Behandlungsfehler verursacht worden sei. Die Zahl blieb im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.

Aktuell werden Behandlungsfehler nur erfasst, wenn Patientinnen und Patienten sie selbst melden. Darauf hat der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, hingewiesen. Viele Fehler blieben so unentdeckt. Baas forderte eine Meldepflicht für Behandlungsfehler von allen medizinischen Einrichtungen und eine "offene Fehlerkultur", um die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.

Welche Ansprüche haben Patientinnen und Patienten bei vermuteten Behandlungsfehlern?

Alle Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, zu dokumentieren, was sie tun. Als Patientin oder Patient hat man laut Patientensprecherin Sraier das Recht, seien Akte einzusehen. Wenn die Akte nachträglich geändert werde, dann könne man das nachvollziehen. Sraier betont: Das Fälschen einer Akte ist schon ein Behandlungsfehler.

Wenn Fehler bei der Behandlung passiert sind, sind Ärztinnen und Ärzte (beziehungsweise die Einrichtung) verpflichtet, die betreffenden Patienten aufzuklären, dass etwas schiefgelaufen sei. Sprecherin Sraier weist allerdings darauf hin, dass das nicht automatisch als Schuldeingeständnis zählt.

Welche Kritik gibt außerdem es an den jetzigen Abläufen?

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisiert, selbst wenn Gutachten einen Fehler als Ursache für weitere oder neue Leiden bestätigten, drohe vielen Geschädigten ein jahrelanger Rechtsstreit. Er forderte die künftige Bundesregierung auf, Opfern von Behandlungsfehlern künftig schneller zu ihrem Geld zu verhelfen. Die Krankenkassen sowie die Kliniken und Ärzte sollten dafür in einen Fonds einzahlen.

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AFP, dpa, MDR (fef)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. April 2025 | 10:00 Uhr

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