Das Bild zeigt einen Fichtenwald an einer lichten Stelle. Man sieht viele alte Fichten aber auch junge Bäumer, darunter Weißtannen und auch Laubbäume.
Blick in den Tharandter Wald bei Dresden Bildrechte: MDR

Waldumbau in Deutschland Wie der Wald zukunftssicher gemacht wird

20. Mai 2020, 15:03 Uhr

Die letzten Jahre waren hart für unsere Wälder: Dürre, Waldbrände und der Borkenkäfer haben ihnen ganz schön zugesetzt. Wie können die Wälder krisensicher gemacht werden? Ein Rundgang im Tharandter Wald mit Forstwissenschaftlern zeigt, worauf es ankommt, um den Wald fit für die Zukunft zu machen.

Ein verregneter Morgen im Tharandter Wald bei Dresden. Von den hohen Fichten tropft der Regen und im Wind wiegen sich die Baumwipfel. Sven Wagner stapft einen Waldweg entlang und zeigt auf die Bäume. "Jetzt können wir eigentlich schon stehenbleiben. Wir sind hier auf einer Waldfläche mit alter Fichte, sicher über 100 Jahre alt. Die Kronen sind grün, es fehlen keine Äste und die Benadelung ist vollständig. Dann sehen sie aber auch als Laie, dass der nicht vollständig mit alten Bäumen besetzt ist. Es gibt auch kleinere, jüngere Bäume und kein geschlossenes Kronendach. Das ist ein typisches Waldbild für einen laufenden Waldumbau."

Wagner ist Professor für Waldbau an der Technischen Universität Dresden und der Tharandter Wald ist so etwas wie sein Laboratorium. Er zeigt MDR-Wissen Reporterin Daniela Schmidt, wie der Wald krisenfest gemacht werden kann.

Umgeben von alten Fichten und jungen Weißtannen unterhalten sich MDR-Wissen Reporterin Daniela Schmidt und der Professor für Waldbau Sven Wagner über den Waldumbau im Tharandter Wald bei Dresden.
Der Forstwissenschaftler Sven Wagner im Gespräch mit Reporterin Daniela Schmidt Bildrechte: MDR

Eine Aufgabe, die Jahre und Jahrzehnte in Anspruch nimmt: "Die Fichte hat viele Probleme in den letzten Jahrzehnten gehabt, sie ist anfällig für Stürme, für Borkenkäfer. Man hat vor 30 Jahren gesagt, das kann nicht der Wald der Zukunft sein. Deshalb hat man angefangen, andere Arten in den Wald einzubringen, von denen man denkt, dass sie weniger anfällig sind."

Füße stillhalten oder eingreifen?

In der Forstwissenschaft unterscheidet man zwischen Naturverjüngung und Kunstverjüngung. Üblicherweise verjüngen sich Wälder selbst, die Samen alter Bäume treiben Jahr für Jahr aus und lassen die nächste Generation Wald entstehen. Aber: Auf einem Gebiet, in dem nur Fichten wachsen, werden auch die nächsten Generationen nur aus Fichten bestehen. Daher muss man an manchen Stellen künstlich eingreifen und neue Arten einbringen, um eine gesunde Mischung herzustellen. Im Tharandter Wald wachsen im Schatten der alten Fichten Weißtannen, die robuster sind als die Fichten, dazu Eiben, junge Buchen und Vogelbeerbäume.

"Jetzt heute würden wir sagen, das ist schon ganz prima hier, aber es fehlen noch Bäume, die eine ganz breite ökologische Amplitude haben, die also Trockenheit genauso aushalten wie viel Feuchtigkeit, die Frost abkönnen aber auch große Wärme. Das sind so Pionierbaumarten wie etwa die europäische Lerche – Baumarten, die das Spektrum noch erweitern und den Wald noch vielfältiger machen."

Die Mischung ist entscheidend

Und der Wald muss vielfältig sein, wenn er den Herausforderungen der Zukunft standhalten soll. Er muss eine gesunde Mischung aus jungen und alten Bäumen und Baumarten aufweisen, so Waldprofessor Wagner. Zu dieser Erkenntnis ist man in den letzten Jahrzehnten gekommen. Beginnend in den 1970er-Jahren hat man weltweit die Wälder genauer unter die Lupe genommen und Baum- und Waldarten miteinander verglichen. Wagner: "Man hat ganz konkret in die Wälder geguckt: Hier ist ein Fichtenreinbestand und daneben, warum auch immer, ist ein Fichten-Buchen-Mischbestand und jetzt untersucht man diese Pärchen: Wie viele Arten, Insekten, Pilze gibt es dort? Da wo die Baumartenvielfalt hoch ist, gibt es auch mehr unterschiedliche Organismen, die die Baumarten unterstützen. Das ist ein ganzes Netzwerk verschiedener Organismen, die sich gegenseitig einregulieren."

Wälder, die überwiegend eine Baumart aufweisen, müssten eben mit neuen Arten unterstützt werden Es gibt aber genug Wälder, die diese Mischung schon aufweisen. Forstwissenschaftler Wagner betont auch: Es ist ein Herumexperimentieren mit Baumarten.

Mut zur Lücke?

Eine Waldlücke im Tharandter Wald. Vorne sieht man die Baumstümpfe alter Fichten, dazwischen wachsen junge, kleine Laubbäume nach
Eine vom Sturm beschädigte Fläche im Tharandter Wald. Vorne sieht man die Baumstümpfe alter Fichten, dazwischen wachsen junge, kleine Laubbäume nach Bildrechte: MDR

Wie die Wälder besser an den Klimawandel angepasst werden können, untersucht auch Jan Wilkens, Doktorand am Lehrstuhl für Waldbau in Dresden. Er erforscht, was in Waldlücken passiert – also in Bereichen, in denen natürlich oder künstlich Bäume gefallen sind und wo jetzt Platz und Licht für andere Arten ist. Man geht davon aus, dass es in Zukunft häufiger Lücken in Wäldern geben könnte, da der Klimawandel zu mehr Waldschäden führt.

Ein junger Mann mit vollem Bart und einer Mütze auf dem Kopf steht vor einem Waldstück und schaut in die Kamera
Jan Wilkens forscht zur Klimawandelanpassung von Wäldern Bildrechte: MDR

Die Lücken sind gleichzeitig wichtig für die Waldverjüngung und sie bieten viele Chancen, die Wälder artenreicher zu machen: "Wir haben künstlich Lichtungen angelegt und untersuchen die Bäume, die dort natürlich wachsen und die wir gepflanzt haben um zu schauen, welche Baumarten am besten in diesen Lücken wachsen", erklärt Wilkens.

Den Wald vor Bambis schützen

Im Bild ist der Professor für Waldschutz, Michael Müller zu sehen. Er lehrt und forscht an der TU Dresden.
Michael Müller ist Professor für Waldschutz an der TU Dresden Bildrechte: MDR

Wenn man den Wald beim Umbau unterstützen will, muss man auch noch einen anderen Aspekt bedenken, erklärt Michael Müller, Professor für Waldschutz an der TU Dresden. "Es gibt bestimmte Tierarten, dazu gehört Rot-, Reh- und Schwarzwild, die sind in der Lage eine Waldverjüngung vollständig zu verhindern. Also man sieht gar nicht, das was entsteht, weil schon die Samen und die Keimlinge geäst werden." Wer also einen Waldumbau ermöglichen will, der muss auch die Wildtiere so bejagen, damit sich der Wald entwickeln kann, sagt Müller.

Waldland Deutschland

Wenn man die Deutschlandkarte zur Hand nimmt, kann man ein Drittel dieser Karte mit Wald füllen – 11,4 Millionen Hektar Wald haben wir hierzulande und die Fläche ist in den letzten Jahrzehnten sogar gewachsen. Eine Entwicklung, die langsam an ihr Ende kommt, glaubt Thomas Riedel vom Thünen Institut, dem Bundesforschungszentrum für Wald. Er leitet die Fachgruppe zur Waldinventur, bei der alle paar Jahre Aufbau und Zustand unserer Wälder ermittelt werden. Den Großteil unserer Wälder machen die Fichte, das Nadelholz Kiefer und die Laubbäume Buche und Eiche aus – insgesamt 85 Prozent der Waldfläche besteht aus den vier Baumarten, rechnet Thomas Riedel vor.

Er sagt: Die Waldmischung nimmt immer mehr zu. Fichten-Monokulturen etwa existieren nur noch auf etwas weniger als zehn Prozent der Waldfläche, der Anteil sinkt wegen des stetigen Waldumbaus. Dennoch steht der Wald vor immensen Problemen: "Der Wald hat schon gelitten. Wir haben in den letzten drei Jahren ca 180.000 Hektar (ca. 1,5 Prozent der gesamten Waldfläche, Anm. d. Red.) Wald verloren, vor allem durch Borkenkäfer, Stürme, Trockenheit. Wie sehr er gelitten hat, vor allem in den letzten beiden Jahren, wird sich jetzt erst 2020/2021 herausstellen". Grundsätzlich lässt sich festhalten: Der Klimawandel und die zunehmenden Wetterextreme bedrohen die Wälder, gleichzeitig befinden diese sich schon in einem Wandel, um robuster und krisenfester zu werden. Es ist im Wald vor allem eine Frage der Zeit: Welche Mischungen am Ende wirklich die Folgen des Klimawandels aushalten, werden die nächsten Jahrzehnte zeigen.

ds/mh

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