Nachruf Der deutsche Papst - Benedikt XVI. ist tot
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31. Dezember 2022, 15:11 Uhr
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist tot. Er starb mit 95 Jahren in Rom. Joseph Ratzinger wurde 2005 als erster Deutscher seit fast 500 Jahren zum Oberhaupt der Katholischen Kirche gewählt. 2013 war er als zweiter Papst in der Geschichte freiwillig zurückgetreten. Ein Nachruf auf den deutschen Papst.
Joseph Ratzinger wusste schon früh, was er werden wollte: Priester. Dieses Ziel erreichte er und noch viel mehr als das: 2005 wurde er zum Papst gewählt. Eine noch größere Sensation war allerdings, als er sein Amt knapp acht Jahre später freiwillig aufgab. Kritik begleitete ihn dabei vielfach während und nach seiner Amtszeit.
Seine Wahl war eine Überraschung, sein Rücktritt eine Sensation: Benedikt XVI. nimmt eine Sonderstellung in den Geschichtsbüchern zum Papsttum ein. Am 31. Dezember 2022 ist der emeritierte Papst im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben. Wir blicken auf seinen Werdegang vom eloquenten Priester zum Oberhaupt der katholischen Kirche und auf seinen überraschenden Rückzug aus dem Amt zurück.
Jugend in Kriegszeiten
Joseph Aloisius Ratzinger wurde am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geboren. Sein Geburtstag fiel auf Karsamstag - eine Verbindung zum Christentum, die ihm später schicksalhaft erschien und prägend für ihn war. Sein Vater war Gendarmeriemeister, seine Mutter Köchin. Er hatte zwei ältere Geschwister, eine Schwester und einen Bruder. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Ratzinger in Bayern. Er wurde früh Ministrant und wollte Priester werden.
Mit 14 Jahren wurde er gemäß der 1939 gesetzlich verordneten Jugenddienstpflicht zwangsweise in die Hitlerjugend aufgenommen. Zwei Jahre später musste er als Luftwaffenhelfer in München arbeiten, unter anderem zum Schutz der dortigen BMW-Fabrik. 1944 überlebte er einen direkten Angriff auf die Batterie in Gilching. Mit 17 Jahren wurde er zur Wehrmacht eingezogen und erhielt in Traunstein seine Grundausbildung.
Nach dem Tod Adolf Hitlers verließ Ratzinger eigenmächtig die Kaserne und kehrte zu seiner Familie nach Hufschlag bei Traunstein zurück. Nach kurzzeitiger amerikanischer Kriegsgefangenschaft besuchte er wieder das Gymnasium und legte die Reifeprüfung ab.
Vom Priester zur rechten Hand des Papstes
Von 1946 bis 1951 studierte Ratzinger in Freising und München Philosophie und katholische Theologie. Zusammen mit seinem älteren Bruder Georg wurde er 1951 zum Priester geweiht. Wenige Wochen später trat er eine Stelle als Kaplan in einer Münchener Pfarrei an. Im Herbst 1952 wurde er dann als Dozent an das Freisinger Priesterseminar berufen. Nach seiner Habilitation wirkte er als Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 war Ratzinger Berater des Kölner Erzbischofs Kardinalds Frings. 1977 wurde er zum Erzbischof von München und Freising ernannt, wenig später im selben Jahr folgte die Erhebung zum Kardinal.
Leiter der Römischen Glaubenskongregation
1981 machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Leiter der einflussreichen Römischen Glaubenskongregation. Durch die Aufnahme einer Tätigkeit im Dienst des Heiligen Stuhls erhielt er auch die vatikanische Staatsbürgerschaft. Hier erwarb er sich den Ruf eines strengen Wächters des Glaubens und konservativen "Panzerkardinals". Seine Erklärung "Dominus Iesus" sorgte im Jahr 2000 weltweit für Debatten. Außerdem sprach sich Ratzinger unter anderem für das Zölibat und gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Beziehungen sowie gegen Abtreibungen und Sterbehilfe aus.
Nach vielen Jahren im Vatikan mit unterschiedlichen Aufgaben wollte sich Ratzinger im Jahr 2002 mit 75 Jahren in seine Heimat Bayern zurückziehen und der Schriftstellerei widmen. Johannes Paul II. bestand aber darauf, dass Ratzinger, der inzwischen als seine rechte Hand galt, blieb.
Benedikt XVI. - der deutsche Papst
Am 2. April 2005 starb Johannes Paul II. Als dienstältester Kurienkardinal und Kardinaldekan zelebrierte Ratzinger die Todesmesse. Das Konklave zur Papstwahl stand unter seiner Leitung. In einem der kürzesten Konklave der Geschichte - nach 26 Stunden - wurde Ratzinger zum neuen Papst gewählt.
Seinen Papstnamen wählte er in Gedenken an Benedikt XV., der sich entschieden für ein Ende des Ersten Weltkriegs eingesetzt hatte, und auch zu Ehren Benedikts von Nursia, des Gründers des Benediktinerordens. Benedikt XVI. war der erste deutsche Papst seit dem 16. Jahrhundert. Die Begeisterung in Deutschland war dementsprechend groß.
Dialog der Religionen und Kulturen
Weltweite Sympathien gewann der Papst durch seinen Einsatz für die Ökumene. Bereits in den ersten Monaten nach seiner Wahl traf er Vertreter des Judentums und muslimischer Gemeinden. Er betonte, den Dialog der Religionen und Kulturen fortsetzen zu wollen.
So warb er bei einem Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem für eine Versöhnung zwischen Christen und Juden. Bei einer Türkeireise besichtigte er die Blaue Moschee in Istanbul. Außerdem ließ Benedikt den calvinistischen Gründer der Gemeinschaft von Taizé, Roger Schultz, zur Kommunion zu.
Kritik und Vorwürfe während seiner Amtszeit
Aber es gab auch schwierige Zeiten in Benedikts Pontifikat. Heftige Diskussionen gab es zum Beispiel nach einer Rede des Papstes in Regensburg. Er zitierte einen byzantinischen Kaiser aus dem Mittelalter, um zu unterstreichen, dass es falsch sei, den Glauben mit dem Schwert zu verteidigen. Unter anderem hieß es in dem Zitat des Kaisers: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden ...". Kritiker legten Benedikts Rede danach als "Hasspredigt" gegen den Islam aus.
Ebenfalls heftige Kritik gab es nach einer Rede des Papstes nach Brasilien 2007. Benedikt XVI. bezeichnete dort die Christianisierung Lateinamerikas als von den Ureinwohnern unbewusst herbeigesehnt. 2009 kam der nächste Eklat: Der Papst nahm die Exkommunikation für vier Bischöfe der Priesterbruderschaft Pius X. zurück und strebte eine Versöhnung an. Gleichzeitig erschien aber ein Fernsehinterview, in dem einer der Bischöfe den Holocaust leugnete.
2010 kam es nach Bekanntwerden zahlreicher Fälle von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zu einer Austrittswelle, die auch der Papst nicht aufhalten konnte. Ihm wurde mehrfach vorgeworfen, sich lange Zeit nicht geäußert zu haben, die Vorwürfe nicht konsequent genug verfolgen zu lassen und Akten unter Verschluss zu halten.
2011 und 2012 gelangten mehrfach interne Dokumente des Vatikans an die Medien. Darin ging es unter anderem um Korruptionsvorwürfe. Der Kammerdiener des Papstes und ein Informatiker im päpstlichen Sekretariat wurden später wegen der "Vatileaks"-Affäre verurteilt.
Freiwilliger Rücktritt
Am 28. Februar 2013 kam dann der Paukenschlag: Überraschend legte Benedikt XVI. nach sieben Jahren sein Pontifikat aus Altergründen nieder. Er war damit erst der zweite Papst der Geschichte, der freiwillig zurücktrat.
Nach seinem Rücktritt bezog der emeritierte Papst ein kleines ehemaliges Kloster in den vatikanischen Gärten und führte seitdem ein zurückgezogenes Leben. Er trat nur noch selten öffentlich auf und gab auch keine Fernseh- oder Radiointerviews. Er empfing allerdings regelmäßig Besucher, unter anderem auch seinen Nachfolger Papst Franziskus. Ratzinger galt bis ins hohe Alter hinein als geistig fit und interessiert am Weltgeschehen.
Kritik wegen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche
Obwohl sich Benedikt nach seinem Rücktritt selbst eine "Schweigegelübde" auferlegt hatte und seinem Nachfolger "bedingungslosen Gehorsam" schwor, kam es auch zwischen dem emertitierten und dem praktizierenden Papst zu Unstimmigkeiten.
Am augenfälligsten geschah das in der Frage des Missbrauchsskandals. Für Franziskus hat das Problem mit "Klerikalismus" zu tun, unguten Autoritäts- und Machtstrukturen. Benedikt XVI. hingegen machte in einem Aufsatz im April 2019 die sexuelle Revolution der 60er Jahre und eine lasche Moraltheologie als Wurzeln des Übels aus.
Ratzinger räumt Falschaussage ein
Zuletzt machte der Emeritus Schlagzeilen mit seinen Äußerungen zu Missbrauchsfällen während seiner Zeit im Erzbistum München. Ratzinger, damals Kardinal des Erzbistum, stand in der Kritik, weil ihm ein im Januar 2022 veröffentlichtes Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising Fehlverhalten in vier Fällen vorwirft.
So soll er in seiner Zeit als Münchner Erzbischof Priester, die Kinder missbraucht hatten, wieder in der Seelsorge eingesetzt haben. Ihm wurde vorgeworfen in einer Stellungnahme im Münchner Gutachten die Unwahrheit gesagt zu haben. Ratzinger räumte eine Falschaussage später ein. Zudem soll er die Schutzbedürftigen nicht geschützt haben, indem er strafrechtlich verurteilte Priester wieder einsetzte. Beide Vorwürfe dementierte Ratzinger.
MDR (lmb)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 31. Dezember 2022 | 10:45 Uhr