Erderwärmung 1,5-Grad-Ziel: Auf welche Temperatur bezieht sich das eigentlich?

15. Mai 2023, 12:36 Uhr

Es war im Jahr 2015, als sich die Weltgemeinschaft in der Klimapolitik das 1,5-Grad-Ziel setzte. Das Wortgebilde kommt uns seitdem ganz selbstverständlich über die Lippen, prangt auf Demo-Transparenten und schwirrt durch die Talkshows. Nur: Worauf bezieht es sich genau? Danach fragt unsere MDR AKTUELL-Nutzerin Susen Behrens aus dem Harz.

Die 32 Seiten des Pariser Klimaabkommens sind seit 2015 vor allem auf einen geflügelten Begriff zusammengeschmolzen: 1,5-Grad-Ziel.

195 Staaten hatten verabredet, dass die globale Temperatur bis 2100 möglichst nicht weiter als um 1,5 Grad Celsius steigen soll – verglichen mit der Zeit vor der Industrialisierung. Thomas Vogt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Historisch wäre die vorindustrielle Zeit wohl bis Mitte des 18. Jahrhunderts anzusetzen. Aber für die Zeit gibt es kaum Messungen. Konsistentere Messreihen hat man dann ab dem 19. Jahrhundert, deshalb definiert der Weltklimarat IPCC die vorindustrielle Periode von 1850 bis 1900."

Vergleiche für vorindustrielle Zeit schwierig

Im 19. Jahrhundert beginnt man, mit Quecksilberthermometern auf Land und Wasser die Temperaturen zu messen. Obwohl die neue Technik zuverlässig ist, bleiben Unsicherheiten: Wo hängt das Thermometer? Ist es richtig kalibriert? Außerdem gibt es damals nur relativ wenige Messstationen. Nicht zu vergleichen mit den heute beispielsweise üblichen Temperaturmessungen per Satellit. Deshalb ist es schier unmöglich, eine globale Durchschnittstemperatur für das vorindustrielle Zeitalter zu nennen.

Temperaturabweichungen seien hingegen einfacher zu ermitteln, sagt Klimaforscher Vogt. Er erklärt es an einem Beispiel: "Wenn Sie jetzt zum Beispiel eine Waage zu Hause haben und Sie wollen Ihr Gewicht über einen längeren Zeitraum beobachten, dann können Sie auch nicht drauf vertrauen, dass die absolute Zahl so gut ist wie beim Doktor. Aber die Gewichtszu- und -abnahme ist dann im mehrmonatlichen Mittel doch einigermaßen verlässlich."

Betrachtungen über einen langen Zeitraum

Klimaforscher berechnen die Temperaturabweichungen immer anhand von sehr langen Zeiträumen. Denn das Mittel eines Jahres sagt wenig aus. Der Referenzwert des vorindustriellen Zeitraumes bezieht sich deshalb auf die Spanne von 1850 bis 1900. Durchschnittstemperaturen aus Deutschland liegen für diese Jahre indes vor: 1880 waren es etwa 7,5 Grad.

Und für einen späteren Zeitraum hat die Wissenschaft auch eine globale Durchschnittstemperatur festgehalten, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg: "Es gibt eine Arbeit zur Absolut-Temperatur. Die ist von 1999. Diese besagt, dass die Mitteltemperatur der Erde über den Zeitraum von 1961 bis 1990 14,0 Grad betrug. Das ist eine der wenigen Arbeiten, die sich wirklich damit beschäftigt, die Absolut-Temperatur der Erde präzise zu bestimmen. Aber ansonsten: Alle Datensätze, die wir haben, arbeiten mit den Abweichungen."

Dafür nutzen Wissenschaftler nicht nur Thermometer-Messungen, sondern gewinnen auch aus Eisbohrungen, Baumringen oder Korallen Erkenntnisse über Temperaturveränderungen. Was alle Daten eindeutig zeigen: Die Erde erwärmt sich.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Mai 2023 | 05:00 Uhr

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