Baumringe eines Baums
Baumringe ermöglichen präzise Datierungen über Jahrhunderte. Doch erst die darin enthaltenen Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotope geben Aufschluss über frühere Feuchtigkeitsverhältnisse. Bildrechte: GFZ

Baumring-Isotope Dürren seit 2015 gehörten zu den schwersten der letzten 400 Jahre

18. Februar 2023, 05:00 Uhr

Die Dürren 2015 bis 2018 gehörten zu den außergewöhnlichsten der letzten 400 Jahre in Europa. Die einzigen waren sie jedoch nicht. Das ist das Ergebnis einer Rekonstruktion des europäischen Hydroklimas mithilfe von Baumring-Isotopen. Die Autoren der Helmholtz-Studie halten es für möglich, dass die menschengemachte Erderwärmung ein Grund für die jüngsten Sommerdürren ist.

Die europäische Sommertrockenheit von 2015 bis 2018 war eines der außergewöhnlichsten Dürreereignisse der letzten 400 Jahre und für weite Teile Mittel- und Westeuropas beispiellos. Dennoch war sie nicht die einzige mehrjährige Dürre in diesem Zeitraum. Insbesondere während des sogenannten Maunder-Minimums zwischen 1645 und 1715, einer Phase mit wenig Sonnenfleckenaktivität und geringer Sonneneinstrahlung, wurden vor allem der Mittelmeerraum sowie Ost- und Nordeuropa von mehrjährigen Dürrephasen heimgesucht.

Dies ist eine zentrale Erkenntnis der ersten "räumlichen Feldrekonstruktion" des europäischen Hydroklimas, die auf "hochklimasensitiven Baumring-Isotopen" basiert. Für die in der Zeitschrift Nature Communications Earth & Environment veröffentlichte Studie haben Forscher des Helmholtz-Zentrums Potsdam GFZ und anderer Helmholtz-Institute Baumringproben von 26 Waldstandorten in Europa untersucht. Das Team unter der Leitung der ehemaligen GFZ-Klimawissenschaftlerin Mandy Freund (mittlerweile CSIRO Melbourne) analysierte dabei die stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotope alter lebender Bäume.

Hydroklima-Rekonstruktion über Isotope

Die Isotopen-Verhältnisse von Kohlenstoff 13C zu 12C und Sauerstoff 18O zu 16O in den Baumringen sind Indikatoren für Trockenheit oder Feuchtigkeit während des Baumwachstums.

Karte mit Standorten der GFZ-Baumringanalyse
Baum-Standorte der Isotopen-Analyse in Europa, aufgeschlüsselt nach Nadelbäumen (conifer sites) und Laubbäumen (oak sites). Bildrechte: G. Helle/GFZ

So wird das Kohlenstoff-Isotopenverhältnis 13C zu 12C davon beeinflusst, wieviel Feuchtigkeit den Bäumen während ihrer Photosynthese zur Verfügung steht. Normalerweise bevorzugen sie Kohlendioxid mit dem leichteren 12C-Isotop. Bei Trockenheit werden sie aber veranlasst, CO2 mit dem schwereren 13C-Isotop aufzunehmen.

Was das Verhältnis der Sauerstoff-Isotope in den Baumringen angeht, zeichnen sich trockene Jahre durch mehr 18O-Isotope (Signatur für isotopisch schweres Wasser) aus. Das liegt daran, dass die Bäume in Trockenphasen mehr transpirieren, wobei sie isotopisch leichteren Wasserdampf von weniger als 18O abgeben. Das wiederum ist der Grund, dass weniger 16O und mehr 18O-Isotope in den Baumringen eingelagert werden.

"Fingerabdrücke" der Sommerfeuchte

"Die Aufzeichnungen stabiler Isotope in Baumringen sind sehr klimaempfindliche Fingerabdrücke der sommerlichen Feuchtigkeitsbedingungen. Sie sind weitgehend unabhängig von Baumart, Baumalter und Standort. Damit unterscheiden sich die stabilen Isotope der Jahrringe von den klassischen dendrochronologischen Parametern Jahrringbreite und Holzdichte", erklärt Studienleiterin Freund.

Minimalinvasive Holzprobe-Entnahme mit Inkrementbohrer aus einem Baumstamm
Minimalinvasive Entnahme einer Holzprobe aus einem lebenden Baumstamm mit einem Zuwachsbohrer.  Bildrechte: G. Helle/GFZ

Aber auch die klassischen Parameter Jahrringbreite und Holzdichte sind weiterhin von großer Bedeutung für die Forschung, denn über sie lässt sich das genaue Alter der untersuchten Bäume ermitteln. Übrigens haben Bäume gegenüber anderen natürlichen Klimaarchiven wie See-Sedimenten oder Gletschereis außer der auf das Jahr genauen Datierung auch den Vorteil der viel weiteren Verbreitung. Sie sind praktisch überall in Europa anzutreffen.

Vier Hydroklima-Phasen in 400 Jahren

Die Baumring-Isotopen-Studie von Freund und Kollegen identifizierte im Zeitraum der letzten 400 Jahre insgesamt vier verschiedene Phasen des europäischen Hydroklimas: Von 1600 bis etwa 1650 (Anfang des Maunder-Minimums) gab es zunächst eine Phase mit eher feuchtem Klima. Dann folgte für etwa zweihundert Jahre eine eher trockene Periode mit langanhaltenden Dürren bis etwa 1860 (Ende der Kleinen Eiszeit). Ab etwa 1875 folgte schließlich eine Phase mit milderem Sommerklima, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts andauerte. Seitdem beobachten die Forscher einen Trend zu trockeneren Bedingungen, der möglicherweise mit der Erwärmung aufgrund menschengemachter Treibhausgase zusammenhängt.

"Unsere Studie zeigt, dass das mehrjährige Sommertrockenheitsereignis von 2015 bis 2018 in seiner Intensität im mehrhundertjährigen Kontext höchst ungewöhnlich und für große Teile Mittel- und Westeuropas beispiellos war", fasst Studienleiterin Freund eine der zentralen Erkenntnisse der GFZ-Untersuchung zusammen. Dies deute darauf hin, so die Klimawissenschaftlerin weiter, "dass die europäischen Sommerdürren der letzten Jahre möglicherweise von der anthropogenen Erwärmung beeinflusst werden".

Genauere Erkenntnisse dazu müssen weitere Studien leisten. Das gilt auch für die überraschende Beobachtung mehrjähriger Dürren während der an Sonneneinstrahlung armen Zeitphase des Maunder-Minimums 1645 bis 1715.

(dn)

Wissen

Ansicht von Oben: Leeres Holzboot auf trocknem, erdigen Untergrund. Links etwas Wasser, rechts sandig mit Grasbüscheln. mit Video
Im August 2022 hat dieses Boot bei Waldhufen (Oberlausitz) kein Wasser mehr unterm Kiel – ein Bild wie vielerorts in Sachsen und Mitteldeutschland. Bildrechte: IMAGO/photothek
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Ein Landwirt beim Eggen seines staubtrockenen Ackers. Durch die Trockenheit zieht er eine lange Staubwolke hinter sich her. 3 min
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | BRISANT | 17. August 2022 | 17:14 Uhr