Hilfe für Betroffene Nach Erdbeben: EU-Luftbrücke nach Syrien gestartet

26. Februar 2023, 19:21 Uhr

Insgesamt sollen 420 Tonnen Hilfsgüter über die Luftbrücke nach Syrien gelangen. Derweil stellt Deutschland Betroffenen aus dem Erdbebengebiet mehr als 500 Visa aus, überwiegend Schengen-Visa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen. Doch nicht nur im Süden der Türkei ist die Gefahr für Erdbeben groß. Laut Experten ist ein Beben mit einer Stärke von 7,4 in der Region Instanbul überfällig. Istanbuls Bürgermeister fordert daher ein schnelles Bauprogramm, weil viele Gebäude nicht erdbebensicher gebaut sind.

Nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien sind zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern als Teil einer humanitären Luftbrücke in der syrischen Hauptstadt Damaskus gelandet. Sie lieferten unter anderem winterfeste Zelte, Ausrüstung für Unterkünfte und Heizgeräte, wie die EU-Kommission am Sonntag mitteilte. Das Beben der Stärke 7,8 ist die schlimmste Naturkatastrophe Syriens in dessen moderner Geschichte. In elf Provinzen liegen ganze Städte in Trümmern. Die Zahl bestätigter Todesopfer in den beiden Ländern stieg inzwischen auf mehr als 50.000.

Insgesamt werden den Angaben zufolge über diese Luftbrücke 420 Tonnen Hilfsgüter geliefert. 225 Tonnen davon im Wert von 1,1 Millionen Euro kämen aus EU-eigenen Beständen. Zusätzlich hätten Deutschland und 14 weitere europäische Länder Hilfe angeboten, nachdem Syrien den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert hatte. Fünf medizinische Teams aus Albanien, Belgien, Frankreich, Italien und Spanien seien weiter vor Ort und hätten bereits mehr als 4.000 Menschen behandelt. 20 EU-Staaten hätten Unterkünfte, medizinische Ausrüstung, Lebensmittel und Kleidung zur Verfügung gestellt.

Da das Gebiet im Nordwesten Syriens von Rebellen kontrolliert wird, kam zunächst kaum Hilfe in dem Gebiet an. Die UN hatte Syriens Regierung aufgefordert, die Grenzübergänge von Seiten der Türkei für Rettungsarbeiten und Hilfslieferungen zu öffnen.

Deutschland stellt mehr als 500 Visa aus

Deutschland hat unterdessen für Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien von Mitte Februar bis Freitag Hunderte Visa ausgestellt. Dabei handele es sich um 429 Schengen-Visa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen sowie 99 Visa für den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland im Rahmen des Familiennachzugs, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Bundesregierung hatte das Verfahren nach der Naturkatastrophe angekündigt. Betroffene aus Syrien und der Türkei sollen so die Möglichkeit haben, zeitweilig bei Angehörigen in Deutschland unterzukommen. Das Vorhaben wurde teils kritisiert, weil trotz des Versprechens eines unbürokratischen Verfahrens zum Beispiel ein gültiger Pass und ein biometrisches Foto benötigt werden. Jetzt soll, wie Außenministerin Annalena Baerbock auf Twitter mitteilte, eine Task Force die Visaverfahren unbürokratischer gestalten.

Unterdessen gibt es auch Einzelpersonen, die in das Erdbebengebiet fahren. Der Hallenser Hakan Cerkirge ist mit seinem Auto vor zwei Wochen in die Türkei gefahren, um den Überlebenden in seiner ehemaligen Heimat zu helfen. Er versorgte Menschen in abgelegenen Dörfern mit dem Nötigsten, unter anderem mit Kleidung und Hygieneartikeln.

Istanbul: Bauprogramm für mehr Erdbebensicherheit

Auch in Istanbul, einer Megacity mit offiziell 16 Millionen Einwohnern, sorgt man sich vor Erdbeben. Die Region ist Teil des Nordanatolischen Verwerfungssystems, einer großen tektonischen Plattengrenze. In der Vergangenheit gab es dort Erdbeben mit vielen Toten. Experten halten ein Beben dort mit einer Stärke von 7,4 für überfällig. Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sagte, nötig sei ein schnelles Bauprogramm für mehr Erdbebensicherheit im Wert von etwa 30 bis 40 Milliarden Dollar. "Der Betrag ist dreimal so hoch wie das Jahresbudget der Stadt Istanbul, aber wir müssen bereit sein, bevor es zu spät ist."

Nusret Suna von der Istanbuler Bauingenieurskammer hatte kürzlich gesagt, es gebe rund 1,6 Millionen alte, nicht erdbebensicher gebaute Gebäude. Nach 1999 gebaute Gebäude seien trotz seither geltender Regularien oft nicht sicher, weil diese aus Profitgier häufig missachtet würden. Nach Berechnungen des Überwachungszentrums für Erdbeben und Tsunamis am Kandilli-Observatorium in Istanbul sind Erdbeben in der Region in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich. Statistisch gesehen liege das Risiko für ein schweres Beben in der Region rund um Istanbul bis zum Jahr 2030 bei 65 Prozent, in den nächsten 50 Jahren schon bei 75 Prozent und in den nächsten 90 Jahren sogar bei 95 Prozent.

Beasley: Die Lage in Antakya ist "apokalyptisch"

Der Direktor des Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, hat sich angesichts der Zerstörung im Erdbebengebiet in der Türkei erschüttert gezeigt. "Das ist völlig unglaublich", sagte Beasley in einem Video, das ihn in Antakya zeigt und das er am Samstag bei Twitter teilte. Man könne es sich noch so oft im Fernsehen anschauen, aber solange man es nicht selbst sehe, sei es unmöglich, sich das Ausmaß der Verwüstung vorzustellen.

Antakya sei eine Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern gewesen, schrieb Beasley dazu. "Jetzt ist sie eine Geisterstadt. Es gibt nur einen Weg, dies zu beschreiben: apokalyptisch." Keiner der Einwohner habe mehr ein Zuhause. Antakya im äußersten Süden der Türkei nahe der syrischen Grenze gehört zu den Orten, die bei den verheerenden Beben am 6. Februar besonders stark zerstört wurden.

dpa,AFP (kar)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR AKTUELL RADIO | 25. Februar 2023 | 15:48 Uhr

Mehr aus Panorama

Nachrichten

Fotocollage mit Video
Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka, picture alliance/dpa | /Frank Rumpenhorst, MDR/Philipp Brendel , IMAGO/Newscom / GDA, IMAGO/Middle East Images, IMAGO / photothek, picture alliance/dpa | Frank Hammerschmidt, IMAGO/Middle East Images

Nachrichten

Fotocollage: Franz Beckenbauer, Peter Sodann, Friedrich Schorlemmer, Maggie Smith, Alexej Nawalny, Ruth Maria Kubitschek, Alain Delon und Fritz Wepper mit Video
Bildrechte: picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto, picture-alliance/ dpa | Erwin Elsner, picture alliance / zb | Kirsten Nijhof, picture alliance / ZUMAPRESS.com | Armando Gallo, Valery Sharifulin, IMAGO / Sven Simon, picture alliance/dpa/MAXPPP | Patrice Lapoirie, IMAGO / Sven Simon

Mehr aus Deutschland