Geflüchtete Was "subsidiärer Schutz" bedeutet und warum es ihn gibt
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28. Dezember 2024, 15:12 Uhr
Die Debatte um den Schutz von Geflüchteten hat in diesem Jahr nicht nur eine, sondern gleich mehrere Wendungen genommen. Immer wieder wird dabei der Begriff "subsidiärer Schutz" bemüht. Aber was genau ist darunter zu verstehen? Warum wurde der subsidiäre Schutz eingeführt? Und welche Folgen hätte es, wenn man ihn abschafft?
Beginnen wir zunächst mit dem Was. In der Politik findet der Begriff "subsidiär" Verwendung, wenn eine unterstützende Rolle einer Maßnahme beschrieben werden soll, die dann zum Einsatz kommt, wenn andere Mittel nicht ausreichend oder anwendbar sind.
Was ist subsidiärer Schutz?
Martin Beißwenger, juristischer Referent für Migration und Integration bei Caritas International, beschreibt es so: "Unter subsidiärem Schutz versteht man eine Schutzmöglichkeit für Personen, die die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erfüllen."
Beißwenger zufolge sind Asylverfahren in Deutschland so aufgebaut, dass zunächst das Asylrecht aus dem Grundgesetz und anschließend der Flüchtlingsschutz aus der Genfer Flüchtlingskonventiongeprüft geprüft werde. "Und wenn beides nicht einschlägig ist, dann kommt der sogenannte internationale Schutz zum Tragen im Sinne des subsidiären Schutzes. Und der subsidiäre Schutz wird dann gewährt, wenn im Herkunftsland des Betroffenen oder der Betroffenen ernsthafter Schaden droht."
Warum wurde subsidiärer Schutzstatus installiert?
Dieser Schutzstatus wird zeitlich begrenzt gewährt, kann verlängert werden und gestattet Menschen unter anderem den Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Jahr 2011 wurde er vom Rat der Europäischen Union installiert. Was uns zur Frage nach dem Warum führt.
Wie Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat erklärt, wurde der "subsidiäre Schutz" notwendig, als man in der EU beschlossen hat, "dass man die Genfer Flüchtlingskonvention als Minimalstandard einsetzen will". Dabei sollten auch Folter, Todesstrafe oder kriegerische Handlungen mit einbezogen werden, die man ja innerhalb der EU verurteilen würde.
Nach Angaben von Martin Beißwenger von Caritas International wurde der "subsidiäre Schutz" eingeführt, um den betroffenen Menschen einen adäquaten Schutz zu bieten. In Deutschland betrifft das derzeit viele Syrer. Sie stellen mit etwas über 250.000 Menschen die größte Gruppe derer, die subsidiären Schutz gewährt bekommen, vor Irakern und Afghanen.
Debatte um Abschaffung des subsidiären Schutzes
Nach dem überraschenden Sturz der Assad-Regierung muss die Lage in Syrien und damit auch die Schutzbedürftigkeit der Geflohenen neu bewertet werden. Damit ist das Auswärtige Amt beauftragt.
Forderungen von Politikern aus CDU, FDP und AfD, den subsidiären Schutz grundlegend zu überarbeiten bzw. abzuschaffen, bewertet Ellen Könnecker vom thüringischen Flüchtlingsrat so: Zum einen gehe es darum, den subsidiären Schutz für Geflüchtete aus Syrien zu widerrufen. Das sei aber gar nicht so schnell möglich. Um solch einen Schutzstatus zu widerrufen, müsse es eine dauerhafte Änderung im Herkunftsland geben, die eine Sicherheit ermöglicht, erklärt Könnecker: "Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich überhaupt noch nicht. Deswegen sind im Moment noch gar keine rechtlichen Möglichkeiten vorhanden den Schutzstatus zu widerrufen."
Zum anderen sei die Frage nach einer generellen Abschaffung des subsidiären Schutzes eine höchstproblematische, sagt die Thüringer Flüchtlingsrätin. Der subsidiäre Schutz gehe auf zahlreiche Menschenrechtsabkommen und völkerrechtliche Verträge zurück und ist Teil des gemeinsamen EU-Rechts: "Wenn man also darüber diskutiert, den subsidiären Schutz abzuschaffen, dann diskutiert man eigentlich darüber, Menschenrechte und das geltende Recht zum Schutz der Menschen infrage zu stellen."
Was der Entscheidungsstopp bei Syrern bedeutet?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte jedoch bereits einen Tag nach dem Sturz des Assad-Regimes beschlossen, Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen "rückzupriorisieren", wie es hieß. Sprich: auszusetzen. Dieser sofortige Entscheidungsstopp betrifft sowohl neue als auch laufende Verfahren und zwar so lange, bis eine neue Bewertung der Lage vorliegt.
Für Jurist Beißwenger kein zu kritisierender Vorgang, sondern normales Prozedere: "Da ist das Auswärtige Amt dann auch involviert, über sogenannte Lageberichte, die dann darstellen, wie die Situation vor Ort eingeschätzt wird. Und da hat das Auswärtige Amt meines Wissens auch schon angekündigt, dass in der nahen Zukunft ein neuer Lagerbericht erstellt werden soll. Wenn die Situation sich klärt nach dieser Machtübernahme, dann wird man sehen, wie stabil die Situation vor Ort ist und was es dann heißt."
Momentan sind mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern in Bearbeitung, davon 46.081 Erstanträge. Ende November waren laut BAMF rund 10.000 Personen ausreisepflichtig, von denen 8.960 eine Duldung hatten.
MDR (dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Dezember 2024 | 07:12 Uhr