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Studie Männer und rechte Ideologie: "Sexismus als Einfallstor in rechtsextremes Denken"
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28. Dezember 2024, 07:52 Uhr
Rechtes Gedankengut erreicht verstärkt auch die Politik und gesellschaftliche Mitte. Auch die neueste Autoritarismus-Studie der Uni Leipzig hat diesen Trend für Deutschland bestätigt. Vor allem Männer fühlen sich demnach von rechter Ideologie angesprochen. Woran liegt das?
- "Klassische Rollenverteilung" gilt in rechter Ideologie als erstrebenswert.
- Ideologie transportiert Besitzansprüche gegenüber Frauen mit dem Ziel einer "reinen Volksgemeinschaft".
- Forderung der Initiative MännerGegenRechts: neue Männlichkeitsbilder. Schon Jungen zeigen in Workshops an Schulen Scheu vor Selbstreflexion und Verletzlichkeit.
Seit einigen Jahren verbreitet sich verstärkt rechtsextremes Gedankengut und erreicht die Politik und gesellschaftliche Mitte durch eine Normalisierung und Verharmlosung rechter Standpunkte. Die im November erschienene Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig musste diesen Trend für Deutschland erneut bestätigen. Dabei fällt auf, dass sich vor allem Männer angesprochen fühlen. Die Zahlen sind international gleich: Männer wählen eher konservativ bis rechts, Frauen liberal.
"Die deutsche Männlichkeit wird bedroht" ist eine zentrale Botschaft der Rechten. Die vermeintliche Krise der Männlichkeit sei nicht nur Teil, sondern Basis rechter Ideologien, sagt Johanna Niendorf vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung in Sachsen.
Diese Ideologien besagen, man werde durch Menschen bedroht, die nach Deutschland kommen, durch queere Lebensweisen, die das heterosexuelle Weltbild in Frage stellen, den Familienzusammenhalt schwächen oder dergleichen, erklärt die Wissenschaflterin. "Damit können rechtsextreme Akteure gut arbeiten, indem sie diese Szenarien immer wieder aufrufen und verstärken und sagen: 'Wir haben eine Lösung für euch: einfach noch mehr Männlichkeit.'"
"Klassische Rollenverteilung" als rechtes Verständnis von Männlichkeit
Niendorf verweist beim Blick darauf, was mit dieser "Männlichkeit" gemeint sei, vor allem auf das, was als "klassische Rollenverteilung" bezeichnet wird. Dies habe viel mit Ideen von Macht, Stärke, Überlegenheit und Unabhängigkeit zu tun. Das sei dann das, was erstrebenswert erscheine.
Die Wissenschaftlerin betont, diese Vorstellung sei nur ein Ideal. In der Realität seien Männer paradoxerweise gerade durch diese klassische Definition von Männlichkeit extrem abhängig: Einerseits von Frauen, die sich vor allem kümmern sollen – ganz besonders um die Bedürfnisse von Männern. Und andererseits von der Angst, ausländische Männer seien potenter als sie. Diese vermeintlich höhere Potenz sei an sich schon rassistisch, weil diese Vorstellung aus der Kolonialzeit stammt, ergänzt Niendorf.
Besitzansprüche gegenüber Frauen
Weiße Frauen vor ausländischer Übergriffigkeit schützen zu wollen, werde propagiert, so Niendorf. Letztlich gehe es aber um einen Besitzanspruch. Denn um eine "reine Volksgemeinschaft" herzustellen, brauche es Frauen.
Antifeminismus oder Sexismus kann als eine Art Einfallstor in rechtsextremes Denken fungieren.
Rassismus und Sexismus griffen also ideologisch ineinander, erklärt die Wissenschaftlerin. "Das sehen wir auch in der Einstellungsforschung, weswegen wir auch sagen, dass Antifeminismus oder Sexismus als eine Art Einfallstor in rechtsextremes Denken fungieren kann", sagt Niendorf.
Forderung nach neuen Männlichkeitsbildern
Wer sich in seiner Männlichkeit bedroht fühlt, denkt also, er müsse sich wehren. Deswegen sagt Enrico Damme von der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit Sachsen und Mitstreiter der Initiative MännerGegenRechts: Es brauche neue Männlichkeitsbilder. Dafür müssten Männer lernen, sich mehr mit ihrem Innenleben zu beschäftigen.
Wir brauchen neue Männlichkeitsbilder.
Damme glaubt, es gebe eine Unfähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und dann auch zu ertragen. Man sei nicht immer Sieger. Man müsse auch einstecken und man werde auch mal verletzt. "Das tut weh, ja. Aber da kann ich nur allen Männern sagen: das tut allen Menschen weh, wenn sie verletzt werden. Und da muss man gut damit umgehen und nicht aggressiv", so Damme.
Scheu vor Selbstreflexion und Verletzlichkeit
Das Ziel der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit Sachsen, für die Damme seit 2015 arbeitet, ist, Jungen und Männer in die Gleichstellungspolitik mit einzubeziehen, unter anderem durch Workshops an Schulen.
Bei einem seiner letzten Workshops stellte Damme fest, dass schon bei Jungen in der achten Klasse die Scheu vor der Selbstreflexion so groß ist, dass viele von ihnen gar nicht mehr dafür zu erreichen sind. Diese lehnten das nicht bewusst ab, erklärt Damme. "Sondern die merken, es könnte unbequem werden. Und deswegen wollen die darüber nicht sprechen."
Zu lernen, über Dinge zu sprechen und das nicht als "weibisch" abzuwerten, wäre ein erster Schritt. Oder es von vornherein beigebracht zu bekommen. Denn wenn die eigene Männlichkeit von Anfang an viel vielseitiger, freundlicher, gemeinschaftlicher, toleranter und individueller sein darf, dann fruchten hoffentlich auch die Bedrohungsszenarien der Rechten nicht mehr.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 28. Dezember 2024 | 07:47 Uhr
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