Demonstrantin hält Schild mit Schriftzug "Nein zur Masseneinwanderung / Ja zur Remigration"
Die Leipziger Autoritarismus-Studie untersucht seit 2002 Einstellungen der Bevölkerung, insbesondere die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Leipziger Autoritarismus-Studie Studie: Ausländerfeindlichkeit "bundesweit geteiltes Ressentiment"

13. November 2024, 22:48 Uhr

In Westdeutschland gibt es einer neuen Leipziger Studie zufolge immer mehr Menschen mit einem ausländerfeindlichen und antisemitischen Weltbild. Auch in Ostdeutschland haben ausländerfeindliche Ansichten leicht zugenommen. Zudem sind die Ostdeutschen mit der aktuellen Demokratie sehr unzufrieden.

Der Leipziger Autoritarismus Studie 2024 zufolge hat die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen im Westen Deutschlands deutlich zugenommen. Sie nähert sich demnach mittlerweile den Einstellungen im Osten an.

Veröffentlicht wurde die Studie unter dem Titel "Vereint im Ressentiment" am Mittwoch von Studienleiter Oliver Decker und Co-Leiter Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig in Berlin. Mit herausgegeben wurde sie von Johannes Kiess und Ayline Heller und in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll- sowie der Otto Brenner Stiftung.

Auch im Westen nehmen Ressentiments zu

Seit Beginn der Studienreihe im Jahr 2002 gingen die Zustimmung zu ausländerfeindlichen und chauvinistischen Aussagen im Westen zurück, während sie im Osten schwankten. Nun ist der Anteil mit einem geschlossen ausländerfeindlichen Weltbild im Westen von 12,6 Prozent (2022) auf 19,3 Prozent gestiegen. "Die Ausländerfeindlichkeit hat sich damit zu einem bundesweit geteilten Ressentiment entwickelt", erklärte der Co-Leiter der Studie, Brähler.

Zudem stimmten 31,1 Prozent der 2.500 Befragten im Westen der Aussage zu, dass Deutschland durch "die vielen Ausländer überfremdet" sei. Vor zwei Jahren waren es 22,7 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern ist die Zustimmung von 38,4 auf 44,3 Prozent gestiegen. Ein ausländerfeindliches Weltbild weisen vor allem Wählerinnen und Wähler der AfD mit 61 Prozent auf.

Antisemitische Aussagen nehmen zu

Von 2002 bis 2022 waren die gemessenen antisemitischen Einstellungen in Westdeutschland von 13,8 Prozent auf drei Prozent gesunken. In diesem Jahr zeigt sich bei der Zustimmung zu antisemitischen Aussagen wieder ein leichter Anstieg auf 4,6 Prozent. Im Osten sanken die gemessenen antisemitischen Einstellungen von drei Prozent im Jahr 2022 auf 1,8 Prozent. Die latente, also unterschwellige, Zustimmung zu einzelnen antisemitischen Aussagen lag allerdings höher.

Erstmals wurden in diesem Jahr auch postkolonialer und antizionistischer Antisemitismus untersucht. "Vor dem Hintergrund des 7. Oktober 2023 wollten wir erfassen, wie antisemitische Einstellungen in linken Milieus geäußert werden können", erklärte Co-Herausgeberin Ayline Heller. 13,2 Prozent stimmen voll und ganz zu, dass es besser wäre, "wenn die Juden den Nahen Osten verlassen würden". Weitere 24 Prozent stimmen zudem latent zu. "Der Antisemitismus funktioniert als Brückenideologie, er verbindet linke und rechte Milieus", sagte Co-Herausgeber Johannes Kiess.

Rückgang der Zufriedenheit mit der Demokratie

Der Studie zufolge nimmt die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland nimmt ab. Zwar stimmen 90,4 Prozent aller Befragten der Demokratie als Idee zu. Die Zustimmung zur "Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert" findet aber nur noch bei 42,3 Prozent der Befragten Anklang.

Vor allem im Osten lässt sich laut Studie ein rapider Abstieg der Akzeptanz beobachten. 2022 sprachen sich noch 53,5 Prozent der Befragten für die Demokratie aus, wie sie in Deutschland funktioniert. In diesem Jahr sind es nur noch 29,7 Prozent. Aber auch im Westen geben sich demnach nur noch 46 Prozent mit dem Funktionieren der Staatsform zufrieden – gegenüber 57,7 Prozent im Jahr 2022.

Auch andere autoritäre und demokratiefeindliche Tendenzen wie Antifeminismus und Transfeindlichkeit wurden von der Studie gefunden. Außerdem seien im Westen auch Muslimfeindlichkeit und Antiziganismus angestiegen. Die Studie verdeutlicht, dass viele Menschen die Zukunft als ungewiss empfinden. "Obwohl die Demokratie skeptisch betrachtet wird, ist unklar, ob der Wunsch nach autoritären oder extrem-rechten Lösungen länger andauert. Es zeigt sich aber eine Neigung zum Abschied von der Realität", sagte Studienleiter Decker.

Methode der Leipziger Autoritarismus Studie

Die Leipziger Autoritarismus Studie wird seit 2002 regelmäßig durchgeführt. Sie erfasst die Einstellungen der Bevölkerung zu autoritären und demokratiefeindlichen Tendenzen.

Befragt wurden für die repräsentative Stichprobe 2.500 Menschen in Ost- und Westdeutschland. Diese werden von den Interviewerinnen und Interviewern zu Hause aufgesucht. Die Befragten bekommen den Fragebogen mit den politischen Einstellungsfragebögen ausgehändigt, füllen ihn selbst aus und übergeben diesen danach den Forscher – auf Wunsch auch in einem Umschlag. Mit diesem Vorgehen gelingt es, in etwas mehr als der Hälfte der angesteuerten Haushalte Personen zur Teilnahme an der Untersuchung zu gewinnen.

Leipziger Autoritarismus Studie 2024 (jst)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 13. November 2024 | 10:30 Uhr

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