Oststolz Warum es wieder geil ist, ostdeutsch zu sein
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13. Oktober 2024, 05:00 Uhr
"Ost, Ost, Ostdeutschland" – das ist der Schlachtruf einer neuen Generation, die stolz auf ihre ostdeutsche Herkunft ist. Die ostdeutsche Identität – sie lebt. Erstaunlich, finden selbst Soziologen. Denn junge Ostdeutsche nehmen Ost-West-Unterschiede und -konflikte stärker wahr als ihre Eltern und Großeltern. Warum ist das so? Und woher kommt dieser Oststolz auf einmal?
Die ostdeutsche Identität ist auch 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution nicht verschwunden. Sie ist "alive and kicking", wie der Soziologe Steffen Mau in seinem Buch "Ungleich vereint" schreibt. Junge Menschen, die nicht mehr in der DDR oder deutlich nach der Wiedervereinigung geboren sind, bezeichnen sich klar als ostdeutsch.
Jung und ostdeutsch – und stolz drauf
Mau schreibt in seinem Buch, dass einer Umfrage zufolge 65 Prozent der jungen Ostdeutschen sagen, es gäbe Ost-West-Unterschiede. 61 Prozent nähmen sogar Ost-West-Konflikte wahr. Deutlich mehr als ihre Eltern und Großeltern. Ein verblüffendes Ergebnis, sagt Mau. Das könnte daran liegen, dass junge Ostdeutsche dem Ost-West-Unterschiedsdiskurs quasi ihr Leben lang ausgesetzt waren.
Eine andere Vermutung: die Eltern und Großeltern wollten nach 1990 unbedingt dazugehören. Und haben mitunter versucht, ihre ostdeutsche Herkunft zu verschleiern. Ihre Kinder gehen heute deutlich selbstbewusster mit ihrer ostdeutschen Herkunft um. Sie haben keine Lust mehr auf schlechte Ossi-Witze und benennen offensiv die andauernden Ungleichheiten, wie niedrigere Löhne oder eine starke Unterrepräsentanz in Führungspositionen. Dazu passt, dass junge Ostdeutsche viel stärker auf einen Nachteilsausgleich pochen. Unter den nach 1989 Geborenen sind es laut Maus Umfrage schon 78 Prozent, die sich für Gleichstellungsmaßnahmen aussprechen.
Oststolz und Osttrotz
Steffen Mau und auch der Soziologe Daniel Kubiak sprechen in diesem Zusammenhang von einer Art Osttrotz. Denn viele junge Ostdeutsche hätten das Gefühl, Ostdeutschland verteidigen zu müssen. Weil es oft mit Worten wie "braun" oder "rückständig" verbunden wird. Ihre Identität gründet sich auf Abwertungserfahrungen. Ähnliche negative Erfahrungen hätten zu einem Gruppengefühl geführt. Kubiak sagt: "Das einzige, was Ostdeutsche eint, ist das Ostdeutsch sein." Deshalb funktioniere ihre Identität anders als beispielsweise Selbstzuschreibungen wie norddeutsch oder süddeutsch, so Soziologe Steffen Mau. Man teile ein Kollektivschicksal.
Rechtsextreme nutzen Ostidentität
Viele junge Ostdeutsche kehren die vermeintliche Schwäche - ihre ostdeutsche Herkunft - zur Stärke um. Sie nutzen Symbole wie das Simson-Moped, den Pfeffi-Schnaps oder sogar DDR-Flaggen, um sich abzugrenzen. Das wird auch von rechtsextremen Kreisen aufgegriffen. Auf dem diesjährigen Simson-Treffen in Zwickau feierten nicht nur Tausende das legendäre DDR-Moped, es wurden auch Hitlergrüße gezeigt, ausländerfeinliche Parolen gegrölt und rechtsextreme Kleidung getragen. Auch in Sozialen Netzwerken verschmelzen die Liebe zu Ostdeutschland und rechtsextremes Gedankengut immer wieder miteinander.
Ein weiteres Beispiel: Björn Höcke, der Thüringer AfD-Chef, posierte für ein Wahlplakat mit der Aufschrift "Ja zur Jugend!" auf einer S51. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Greiz, dem Wahlkreis, wo Höcke als Direktkandidat antrat, machte er sogar eine Ausfahrt auf einem dieser Kult-Mopeds. Zudem erschien er zu seiner Stimmabgabe am 1. September mit seinem privaten Lada, ein Geländewagen aus russischer Produktion.
MDR (frs)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. Oktober 2024 | 11:17 Uhr
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